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Randhemerkungen zur woche

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Die kurze Nachricht eines auswärtigen Informationsdienstes, daß sich neben Freiwilligen aus aller Welt für Korea auch solche aus Österreich gemeldet hätten, erzeugte die erwartete Kampagne der äußersten Linken. Es soll hier nicht untersucht werden, ob die sensationell aufgeputzten Berichte von sich sammelnden Freiwilligen in Klagenfurt, Villach, Spittal und Salzburg überhaupt oder in dieser Form zutreffen. Landsknechtnaturen hat es immer gegeben. Als der Abessinienkonflikt losbrach, meldeten sie sich; als der Bürgerkrieg in Spanien losging, ebenfalls — wobei zu vermerken ist, daß es nicht bloß eine „Legion Condor“ gab, sondern auch eine „Internationale Brigade“, dieselbe, die später in Griechenland operierte und „Freiwillige“ in Ostdeutschland so rekrutierte wie jetzt ebendort für Korea. Was aber die neuesten Behauptungen über diese keineswegs ungewöhnliche Linie hebt, ist das erschütternde Interesse der Volksdeutschen an einer Möglichkeit, rekrutiert zu werden. Es ist kein Geheimnis, daß in den Lagern eine verzweifelte Stimmung herrscht; sie wird bedenklich, wenn sie dazu ausgenützt wird, das Gastland in eine peinliche politische Lage zu bringen. So weit ist es gekommen: nicht allein, daß in Österreich die Streitigkeiten zweier Sphären auf dem Rücken der Einwohner ausgetragen zu werden pflegen, sondern noch mehr: statt daß die in der Mehrzahl gewiß arbeitsfrohen Menschen endlich voll in den Produktionsprozeß eingegliedert und ihnen die ungeschmälerten bürgerlichen und staatlichen Rechte zugebilligt werden, verfallen sie den abenteuerlichsten Ideen — ja, müssen ihnen verfallen. Wenn aber der „Rekruten“ wegen von kommunistischer Seite an den Innenminister appelliert wird, möge sich diese Seite auch Rechenschaft ablegen, welche Regierungen denn jene Verzweifelten von Haus und Heimat vertrieben haben und von welcher Seite die innerstaatliche Verfügungsgewalt über Volksdeutsche und DP dauernd behindert wird. Es ist ein hohnvolles Spiel, das da mit den Enterbten des Glücks betrieben wird.

Eine eigenartige Doppelgeleisigkeit kennzeichnete bis vor kurzem das nach, ostdeutschem Vorbild auch in Österreich geübte nationalb olschew is t i s ch e Experiment. Zwei voneinander getrennte und gegenseitig wenig freundschaftlich gesinnte Gruppen waren sich einig in dem Streben, die versprengten Reste der extremen Rechten zu sammeln und sie mit der extremen Linken auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Nach einem verunglückten Start einer schon nach wenigen Nummern gescheiterten Zeitung und dem ausgebliebenen Beifall des angesprochenen Personenkreises lahmte das Pferd eines an dem Rennen beteiligten Reiters bereits merklich. Die „Nationaldemokraten“ des ehemaligen VdU-Mandatars Heger, die vor allem versucht hatten unter den ehemaligen Mitgliedern nationalsozialistischer Jugendorganisationen zu werben, gaben das Rennen auf. Uneinigkeit und peinliche Auseinandersetzungen haben zu einer Spaltung und zu dem Ausscheiden jener Mitarbeiter geführt, die bisher über die letzten Ziele dieser „Partei“ zu täuschen waren. Aber auch die so notwendigen finanziellen Hilfsmittel von Seiten des erwarteten Protektors sind ausgeblieben, denn in den Büros der Interessenten einer nationalkommunistischen Bewegung in Österreich führt man genau Buch. Und nichts wird hier so bestimmt vermerkt als ein ausgebliebener Erfolg.

Während die weltpolitischen Auseinandersetzungen einen Höhepunkt erreicht haben, hat Österreich einen bescheidenen, außenpolitischen Erfolg errungen. Nachdem bereits vor einigen Wochen eine Einigung über die staatsrechtliche Seite des Reoptionsverfahrens für die ausgesiedelten Südtiroler zustande kam, ist nunmehr auch ein Übereinkommen über den Vermögen st ransfer der RückSiedler gelungen. Erfreulicherweise scheint damit auch die wirtschaftliche Seite des Problems der Rückführung in tragbarer Weise geregelt. Nach amtlicher Schätzung dürfte der Gesamtwert der rück-zuführenden Vermögenswerte etwa 25 Millionen Schilling betragen. Zahlenmäßig ist dies freilich nur ein Bruchteil dessen, was die Umsiedler einmal mit sich brachten. Ihre damals insgesamt mit rund 100 Millionen Reichsmark bewerteten Vermögen sind durch Währungsreform, Abwertung und Rückstellungen vielleicht härter getroffen worden als diejenigen irgendeines anderen Teiles der Bevölkerung. Von wirklichem Verständnis für die Größe dieser Last zeugt die erfreuliche Bestimmung, daß den RückSiedlern wenigstens die in ihrem Besitz befindlichen Bundesschuldverschreibungen zum Nominalwert abgelöst und deren Erlös in vollem Wert transferiert werden kann. Keinesfalls wird in dieser Maßnahme eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Südtiroler Rücksiedler erblickt werden können, gilt es doch, Menschen, denen durch Taten wenig geholfen werden konnte, den Weg in die alte Heimat und — recht oft auch — zu einer neuen Existenz zu ebnen.

Die Gastärzte der Wiener ' Spitäler und Kliniken haben für den Fall einer Nichteinrechnung ihrer unentgeltlichen Tätigkeit auf die dreijährige Ausbildungszeit, die nach dem Ärztegesetz der Eröffnung einer eigenen Praxis voranzugehen hat, einen Streik angedroht. Zur Ausführung ist es vorerst nicht gekommen, da eine Aussprache mit dem Präsidenten des Arztekammertages ergab, daß die umstrittene, in Paragraph 57, 1, des Arzte-gesetzes verankerte Entgeltspflicht für in Berufsausbildung stehende Jungärzte nur auf die nach dem 30. April 1949 Promovierten Anwendung finden. Das Problem ist deshalb nicht weniger beachtenswert: rechnet man doch im kommenden Studienjahr auf der medizinischen Fakultät allein wieder mit etwa tausend Neupromotionen. Das Schicksal einer nicht geringen Anzahl von Jungakademikern darf aber nicht dem guten oder bösen Zufall überlassen bleiben. Nun bestimmt der gleiche, umstrittene Paragraph 57 des Ärztegesetzes in Absatz 2, daß grundsätzlich für je 30 Spitalsbetten jeweils ein Arzt anzustellen sei. Die praktische Anwendung dieser Bestimmung würde zweifellos eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Anzahl der bezahlten Arzte in vielen Spitälern zur Folge haben und auch eint gleichmäßigere Verteilung des Neuzustroms von Bewerbern von Wien weg über das gesamte Bundesgebiet bewirken. Leider fehlen dazu aber bis auf den heutigen Tag in allen Ländern die nötigen Durchfüh-rungsgesetze. Eine Lockerung der bestehenden Ärzteordnung • aus Gründen der Fachausbildung- und mit Rücksicht auf die vielfach ohnehin prekäre Lage des ärztlichen Standes dürfte kaum in Frage steheri und ist auch nicht wünschenswert. Aber es wäre doch unbillig, wollte man den Engpaß, in den der akademische Nachwuchs von heute geraten ist, noch unnötig verengen.

Die letzten Wochen haben fortschreitende Klärung in den Reihen jener weltweiten Bruderschaft gebracht, die man sich nach angelsächsischem Sprachgebrauch angewöhnt hat, als „Fellowtravellers“, als Weggefährten des Kommunismus zu bezeichnen. Die aufrichtigen Friedensfreunde, die ehrlichen, wenn auch in ihrem Denken oft verworrenen, humanitären Pazifisten, müssen durch die letzten weltpolitischen Ereignisse nun doch den Zwiespalt zwischen Friedensbeteuerungen und Kriegshandlungen erkennen und Sich aus einer Gesellschaft zurückziehen, die ihren guten Willen und ehrlichen Namen mißbraucht hat. Es ist bezeichnend, daß gerade in den skandinavischen Ländern, wo der grundsätzliche Pazifismus eine starke, echte Tradition hat, nach den Ereignissen in Ostasien ein wahrer Sturm von Kündigungen der Unterschriften unter der sogenannten „Stockholmer Friedensresolution“ einsetzte und daß die Schweden — deren Friedenswillen wohl niemand bezweifeln kann —, immer energischer gegen den Mißbrauch des Namens ihrer Hauptstadt durch diese Resolution protestieren. Bei uns in Österreich weisen die jüngsten Ereignisse um die Namen Thirring, S ach er -M as och und zum Teil Wildgans — obwohl hier bekanntlich auch andere Motive mitspielen — in dieselbe Richtung. Am bezeichnendsten aber ist wohl die Stellungnahme des Amerikaners Henry W allace, des Exulanten aus der Demokratischen Partei und Gegenkandidaten Trumans, der als ein charakteristischer Vertreter jenes letzten Endes aus religiösen Wurzeln stammenden humanitären Pazifismus angelsächsischer Prägung bezeichnet werden kann. Die Entwicklung entbehrt nicht einer tiefen Folgerichtigkeit. Menschen, die den Frieden um seiner selbst willen als ein oberstes Gut wollen und die auch im Gegner den Menschen, Bruder und Träger einer unsterblichen Seele achten, können auf die Dauer nicht mit den militanten Verfechtern einer Lehre übereinstimmen, an deren geistigen Wurzeln ein auf das Gesellschaftsleben übertragener Darwinismus, die Dialektik der marxistischen Ideologie stehen.

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