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Eine Kritik der Kritik

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Aus Anlaß der Eröffnung der Wiener UNO-City bringt die FURCHE zwei Beiträge, die sich mit Fragen der internationalen Zusammenarbeit befassen. Die Gedanken von Botschafter Thomas Klestil, Österreichs Vertreter bei den Vereinten Nationen, wurden bereits im Rahmen eines Vortrages vor der österreichischen Liga der Vereinten Nationen präsentiert Der Beitrag von Kardinal Franz König ist ursprünglich in „austria today“ erschienen.

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Aus Anlaß der Eröffnung der Wiener UNO-City bringt die FURCHE zwei Beiträge, die sich mit Fragen der internationalen Zusammenarbeit befassen. Die Gedanken von Botschafter Thomas Klestil, Österreichs Vertreter bei den Vereinten Nationen, wurden bereits im Rahmen eines Vortrages vor der österreichischen Liga der Vereinten Nationen präsentiert Der Beitrag von Kardinal Franz König ist ursprünglich in „austria today“ erschienen.

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Die Kritiker, die fragen, wozu brauchen wir die Vereinten Nationen überhaupt, sollten daran denken, daß ein direkter Zusammenhang besteht zwischen unserer Sicherheit und Unabhängigkeit einerseits und dem Wert andererseits, den die Staatengemeinschaft unserer Existenz beimißt. Solange die Welt davon überzeugt ist, „es ist gut, daß es dieses Österreich gibt“, solange sind wir sicher.

Den Nutzen der Existenz Österreichs im Bewußtsein der Staatengemeinschaft zu verankern, ist daher Dienst an der Sicherheit Österreichs. Die Erkenntnis, daß die gesamte österreichische Außenpolitik letztlich auf dieses Ziel ausgerichtet' sein muß, nämlich die Sicherheit unseres Staates zu gewährleisten, bestimmt den hohen Stellenwert, den Österreich den Vereinten Nationen beimißt. Wir sollten daran denken, daß gerade ein kleiner Staat in den Vereinten Nationen in der Lage ist, eine führende Rolle zu spielen.

Wir stellen den Generalsekretär, wir nehmen viele hohe Positionen im Sekretariat und bei den friedenserhaltenden Operationen ein und wir arbeiten vor allem in nahezu allen UN-Bereichen konstruktiv mit. Gerade diese Mitarbeit schafft jenes Ansehen und jenen politischen Kredit, den der kleine Staat weit mehr als der große im Krisenfall so dringend benötigt.

Wenn wir im August dieses Jahres mit Einweihung und Übergabe des Internationalen Zentrums im Donaupark an die Internationalen Organisationen einen erfolgreichen Schlußpunkt unter die Bemühungen aller österreichischen Regierungen seit 1955 setzen können, Wien zur dritten UNO-Stadt zu machen, so ist dies nicht zuletzt eine einmalige Anerkennung des umfassenden und ständigen österreichischen Engagements in den Vereinten Nationen.

Welche Rolle kommt den Vereinten Nationen in dieser Welt von heute zu? Wir alle wissen, daß die Vereinten Nationen eine unvollkommene Institution mit großen Mängeln ist. Ihr der Öffentlichkeit zugewendetes Gesicht zeigt die Stürme und Unsicherheiten in unserer Welt und die Frustrationen und Schwierigkeiten, die die einzelnen Staaten haben, sich in dieser Welt zurechtzufinden.

Die Vereinten Nationen repräsentieren aber auch wie die meisten politischen Institutionen absolut große Ziele, die bloß als Folge unserer menschlichen Schwächen nicht erreicht werden. Die Vereinten Nationen zeigen öffentlich alle entgegengesetzten Interessen und Elemente einer in ständiger Entwicklung befindlichen Gesellschaft und finden sich naturgemäß als Zielscheibe von Kritik und Anklage von Seiten der Menschen, die von der Zeit, in der sie leben, alarmiert, verwirrt und geängstigt werden.

UN-Kritiker meinen oft, daß die Vereinten Nationen die Konflikte dadurch verschärfen und ausweiten, daß sie die Differenzen und Auseinandersetzungen öffentlich machen. Ich zweifle, daß wir unseren Problemen entfliehen können, wenn wir sie unter den Teppich kehrten. Wenn wir je die großen Fragen lösen wollen, denen sich die Menschheit heute gegenübersieht, müssen wir zuerst ihre Wurzeln und Gründe kennen.

Wir müssen auch den Kritikern, die sich über den Kurs der Vereinten Nationen beklagen, vor Augen halten, daß diese die neue geopolitische Struktur der Welt von heute reflektieren. Eine Struktur, die sich von der ganz wesentlich unterscheidet, der sich die Organisation bei ihrer Gründung vor 30 Jahren gegenübersah. Damals hatten die Vereinten Nationen 51 Mitglieder. Heute sind es 151, doch ist dies nur ein numerischer Hinweis auf den tiefgehenden Wechsel, der mittlerweile stattgefunden hat.

Die Welt von 1979 ist eine Welt unabhängiger Nationen, einige sind einflußreicher als andere, aber alle sind politisch unabhängig und sie sind entschlossen, ihre Unabhängigkeit auch in jeder anderen Beziehung zu erreichen und zu bewahren. Als Folge werden immer mehr weitreichende individuelle Ansichten und Interessen zum Ausdruck gebracht und so wird auch das Problem, die unterschiedlichen nationalen und politischen Zielsetzungen auf einen Nenner zu bringen, entsprechend größer. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit internationaler Führung und internationaler Lösung.

Die Erhaltung des Friedens ist ohne Zweifel die Hauptaufgabe der Vereinten Nationen. Auch hier stellen die Kritiker den Vereinten Nationen nicht das beste Zeugnis aus, doch glaube ich, daß der Sicherheitsrat eine viel wichtigere Rolle in der Frie-denserhajtung und Konfliktlösung spielen konnte, als allgemein anerkannt wird. Natürlich konnte die Existenz der Vereinten Nationen allein internationale Konflikte nicht vollständig hintanhalten, wie auch die Existenz der Polizei nicht das Verbrechen zum Verschwinden bringt.

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