7054296-1991_12_10.jpg
Digital In Arbeit

So funktioniert unsere Sicherheit

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Österreich ist zum zweiten Mal Mitglied des Sicherheitsrates. Wird Österreichs Stimme auch gehört?

PETER HOHENFELLNER: Der Sicherheitsrat agiert für alle Mitglieder der Vereinten Nationen, das heißt, er ist im Namen der gesamten Weltorganisation für Frieden und internationale Sicherheit zuständig. Die Rahmenbedingungen haben sich zweifellos seit der ersten Mitgliedschaft im Sicherheitsrat 1973/74 grundlegend geändert. Der Ost-West-Konflikt ist weggefallen und die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder sind seit einiger Zeit bereit, eng zusammenzuarbeiten; was sehr positive Ergebnisse gebracht hat wie beispielsweise die Entlassung Namibias in die Unabhängigkeit. Im Golfkonflikt liegt zweifellos eine neue Herausforderung für die Vereinten Nationen vor, die umso größer ist, als zum ersten Mal der Sicherheitsrat namens der Weltorganisation eine Serie von sehr schwerwiegenden Beschlüssen unter Kapitel sieben ider Charta beschlossen hat, die Zwangsmaßnahmen darstellen.

Es wird aber für Österreich ein großes Anliegen sein - das möchte ich besonders betonen -, die politisch-diplomatischen Mittel ebenfalls voll zu nützen. Damit ist bereits das große, schwierige Problem angerissen, vor dem wir stehen.

FURCHE: Hat der durch den Sicherheitsrat festgesetzte Endtermin für einen Abzug Iraks aus Kuweit nicht eine Verschärfung der Situation bedeutet?

HOHENFELLNER: Das war sicherlich ein äußerst schwerwiegender Beschluß der Vereinten Nationen. Er wurde von der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder des Sicherheitsrates, dem Österreich damals nicht angehört hat, getragen. Damals hat man offenbar die Meinung vertreten, daß diese Resolution eine letzte Warnung an den Irak darstellen würde.

FURCHE: Hat Österreich diesen Beschluß politisch offiziell unterstützt?

HOHENFELLNER: Österreich war und ist weiter der Auffassung, daß die diplomatischen und politischen Möglichkeiten voll genützt werden müssen. Österreich war nachdrücklich daran interessiert, einen Ausbruch eines militärischen Konflikts im Golf zu verhindern. Das haben wir immer gesagt.

FURCHE: Der Krieg hat hauptsächlich darin bestanden, daß die Alliierten den Irak massiv bombardierten. War das vom Standpunkt der Vereinten Nationen aus der richtige oder einzig richtige Weg, um den Irak zum Abzug aus Kuweit zu zwingen?

HOHENFELLNER: Die Resolution 678 hat den Staaten, die - wie es hieß - „mit Kuweit zusammenarbeiten”, die Ermächtigung erteilt, militärische Aktionen zu vollziehen.

FURCHE: Die Vereinten Nationen spielten dann keine entscheidende Rolle mehr - obwohl es die Einrichtung des sogenannten militärischen Stabskomitees gibt.

HOHENFELLNER: Das „Military Staff Committee” ist nicht eingebunden in die Resolution 678, da diese nicht ausdrücklich auf den Artikel 42 der Charta, der militärische Sanktionen vorsieht, aufbaut. Das ist ein wichtiger Unterschied insofern, als die Resolution nicht explizit von militärischen Aktionen spricht, sondern von „allen notwendigen Maßnahmen”. Daher ergab sich offenbar keine Notwendigkeit, das „Military Staff Com-mitte” mit Koordinierungsaufgaben zu betrauen.

FURCHE: Wenn sieh ein Staat dem Sanktionsbeschluß des Sicherheitsrats widersetzt, welche Möglichkeiten haben die Vereinten Nationen, ihn zu bestrafen?

HOHENFELLNER: Die Beschlüsse des Sicherheitsrates binden alle Mitgliedsstaaten. Der Generalsekretär hat nach Verhängung dieser Beschlüsse Fragebogen an alle Staaten gerichtet, um festzustellen, in welcher Form sie den Beschlüssen des Sicherheitsrates nachkommen. Diese Staaten haben haben in ihrer großen Mehrheit die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen, was die Durchführung der Sanktionen betraf, vorgelegt. Der Sicherheitsrat und seine Organe sind von der Kooperation der Mitgliedstaaten abhängig.

FURCHE: Nehmen wir an, Österreich würde dem Irak Kanonen verkaufen. Gebe das zum Beispiel den USA das Recht, in Österreich zu intervenieren?

HOHENFELLNER: Das ist ein ganz unwahrscheinliches Szenario. Osterreich ist genauso wie alle anderen Mitgliedstaaten der UNO verpflichtet, die Beschlüsse des Sicherheitsrates durchzuführen. Diese Verpflichtung ist eine rechtliche und eine politische. Aber ich muß hier ganz offen sagen, es gab bisher keinen Fall, in dem von einem UNO-Mitgliedstaat die Beschuldigung erhoben wurde, ein anderes Mitglied habe die Sanktionsbeschlüsse verletzt. Auch in Zukunft wird eine behauptete Sanktionsverletzung nur dann im Sanktionskbmitee behandelt werden können, wenn ein anderer Mitgliedstaat diese Behauptung erhebt.

FURCHE: Ein anderer Mitgliedstaat kann also nicht aufgrund der behaupteten Verletzung eine Aktion unternehmen. Das müßte über den Sicherheitsrat erfolgen?

HOHENFELLNER: Für die Kontrolle des Luft- und Seeverkehrs galten und gelten die Resolutionen 665 und 670. Darüber hinausgehende Aktionen müßten vom Sicherheitsrat beschlossen werden.

FURCHE: Sollte sich der Sicherheitsrat - aufgrund von undemokratischen Konstellationen in den einzelnen ständigen Mitgliedsländern - entsc/ietden, ungerechtfertigt gegen ein Mitgliedsland vorzugehen und ein neutraler Staat distanziert sich. Was wird dann geschehen?

HOHENFELLNER: Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder - USA, Sowjetunion, China, Frankreich, Großbritannien - können entweder einzeln oder gemeinsam Beschlüsse verhindern. Sie können hingegen seit der letzten Erweiterung des Sicherheitsrates von elf auf 15 Mitglieder nicht allein konkret positive Beschlüsse durchbringen. Dazu benötigen sie Stimmen der nichtständigen Mitgliedstaaten. Die erforderliche Mehrheit im Sicherheitsrat beträgt neun Stimmen. Das heißt auch im hypothetischen Fall, wo sich fünf ständige Sicherheitsratsmitglieder zu welchen Beschlüssen auch immer einigen, benötigen sie noch den zusätzlichen Input von mindestens vier Stimmen.

Im umgekehrten Fall könnten aber seit der Erweiterung des Sicherheitsrates schon neun nicht-

Im Sicherheitsrat ist die Zusammenarbeit zwischen den ständigen und nichtständigen Mitgliedern zu einem Gebot geworden... ständige Mitglieder Resolutionen beschließen - und in diesem Fall würde dann, sofern das einem ständigen Mitglied nicht recht ist, die Negativfunktion eintreten. Sie sehen also, daß die Erweiterung eine sehr interessante Konstellation geschaffen hat, in der die Zusammenarbeit zwischen den ständigen und nichtständigen Mitgliedern zu einem Gebot geworden ist.

Und da kann Österreich gerade als neutraler Staat sicherlich im Sinne der von mir angesprochenen Dialog-, Brücken- und Kompromißfunktion einen wertvollen Beitrag leisten. Wenn ich dazusagen darf, allerdings nur in der ersten Abstimmungsrunde. Denn in dem Augenblick, wo die Entscheidimg gefallen ist, hat sich Österreich natürlich an den Beschluß des Sicherheitsrates zu halten. Das ist unabhängig davon, ob die Beschlußfassung mit neun oder mit 15 Stimmen erfolgte.

Mit dem österreichischen UNO-Botschafter Dr. PETER HOHENFELLNER sprach HANS JANITSCHEK in New York.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung