7052998-1991_08_05.jpg
Digital In Arbeit

Die UNO & wir

Werbung
Werbung
Werbung

Das starke Interesse Österreichs an der Existenz, an der Aufrechterhaltung und Stärkung der UNO ist in erster Linie ein sicherheitspolitisches: Als neutraler, paktungebundener Kleinstaat an einer -bislang - geopolitisch und strategisch brisanten Schnittlinie, mit einem äußerst marginalen Verteidigungspotential und der daraus resultierenden Maxime der Sicherung durch außenpolitische Mittel, sah Österreich bereits vor Erringung der staatlichen Unabhängigkeit die UN-Mitgliedschaft als eines seiner primären außenpolitischen Ziele an. Der Hauptzweck der Mitgliedschaft bestand in einem potentiellen Schutz der territorialen Souveränität Österreichs durch die UNO-Mitglieder.

Dieses sicherheitspolitische Interesse kann auch als grundlegend für die österreichische UNO-Poli-tik der Gegenwart angesehen werden, jedoch hat der Begriff der Sicherheit in den sechziger und siebziger Jahren qualitative wie quantitative Veränderungen erfahren: einerseits soll das strategische Sicherheitsdefizit Österreichs mittels einer internationalen Funktion kompensiert und dadurch der Bestand Österreichs gesichert werden, andererseits sollen grundlegende ökonomische Interessen gewahrt bleiben. Diese strategischen und ökonomischen Interessen versucht Österreich auch innerhalb der Vereinten Nationen zu verfolgen.

Das relativ starke Engagement beim Problembereich Abrüstung ist vor allem auf die geopolitische Lage und auf das strategische Sicherheitsdefizit zurückzuführen, die das grundlegende Interesse an Abrüstung und Rüstungskontrolle bedingen. In diesem Bereich stellen die Vereinten Nationen - neben der KSZE/KVAE - das für Österreich einzige Forum einer aktiven Mitarbeit dar. Das zweite wesentliche Interesse, das Österreich innerhalb der ÜN massiv vertritt, ist jenes der Profilierung Österreichs im allgemeinen und der Etablierung Wiens als drittem Amtssitz der Organisation und als internationales Konferenzzentrum im konkreten.

Zwei Faktoren begünstigen diese Option: Zum einen stellen die Vereinten Nationen für Österreich ein ideales Forum zur Wahrnehmung seiner Interessen dar, da den bilateralen Kontakten aufgrund der kleinstaatlichen Ressourcen enge Grenzen gesetzt sind. Zum anderen stellt der in den siebziger Jahren an Bedeutung gestiegene Status der immerwährenden Neutralität eine günstige Voraussetzung für internationale Funktionen dar.

Die Strategie zur Erreichung der angestrebten Profilierung und Etabiierung Österreichs besteht in einem verbalen Engagement für die Anliegen der Länder der Dritten Welt - dem jedoch die materiellen Konsequenzen fehlen -, in einem vorsichtigen und taktierenden Abstimmungsverhalten, in größter Zurückhaltung bei aktuellen politischen beziehungsweise „sensiblen” Fragen sowie in einem relativ starken Engagement für Themenbereiche, deren UN-Institutionen möglicherweise nach Wien tränst feriert werden können.

Es dürfte zwar eine allgemeine und nicht ausschließlich Österreich vorbehaltene Gepflogenheit sein, die Vereinten Nationen für nationalstaatliche Interessen zu instrumentalisieren, beziehungsweise scheint eine völlige Differenzierung zwischen nationalstaatlichen und überstaatlichen Interessen im Bereich der Utopie angesiedelt zu sein. Jedoch ergibt sich daraus eine nicht unbedenkliche Entfernung von den Zielen der Organisation.

Die von Österreich verfolgte Strategie, innerhalb der Vereinten Nationen verbal großes Engagement zu zeigen und sich gleichzeitig bei der Operationalisierung große Zurückhaltung aufzuerlegen, scheint jedoch nur bis Ende der siebziger Jahre ihre Ziele erreicht zu haben. Die Wahl Österreichs in den Sicherheitsrat, die zweimalige Funktionsperiode Waldheims als Generalsekretär, die Etablierung Wiens als drittem UNO-Zentrum, die Abhaltung ”zahlreicher UNO-Konferenzen in Österreich sowie die Beteiligung an den friedenserhaltenden Operationen können als Folge einer erfolgreichen Profilierung Österreichs im internationalen System angeführt werden.

Die dieser Profilierung zugrundeliegende Strategie hat sich jedoch in der Folge als zumindest teilweise kontraproduktiv erwiesen und zu einem beträchtlichen Imageverlust Österreichs in den Vereinten Nationen beigetragen. Dieser manifestierte sich vor allem durch einen deutlichen Rückgang an Leitungsfunktionen und war auch durch eine deutliche Abnahme österreichischer Initiativen verursacht. Ende der achtziger Jahre konnte Österreich wieder etwas an Terrain gewinnen. Ein grundsätzliches Überdenken der Strategie sowie eine Ausarbeitung eines Konzepts der österreichischen UNO-Politik stehen jedoch noch aus.

Die Autorin ist wissenschaftliche Assistentin an der Diplomatischen Akademie in Wien. Auszug aus einem Beitrag in: „Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft”, '90/4.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung