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Ein Aschenbrodeldasein

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Der Irak ist zerstört, Kuweit befreit, 600 Ölfeider brennen, ein riesiger Ölteppich im Persischen Golf, Saddam Hussein steht im Bürgerkrieg. War das das Initial einer neuen Weltordnung?

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Der Irak ist zerstört, Kuweit befreit, 600 Ölfeider brennen, ein riesiger Ölteppich im Persischen Golf, Saddam Hussein steht im Bürgerkrieg. War das das Initial einer neuen Weltordnung?

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FURCHE: Durch das Ende des Kalten Krieges könnten die Rüstungsausgaben weltweit verringert werden. Erwarten Sie sich nun mehr Geld für das Zentrum für Soziale Entwicklung und menschliche Beziehungen?

MARGARET J. ANSTEE: Das ist eine sehr direkte Frage. Ich wünsche, ich könnte direkt antworten und Ja sagen. Wir sahen die sich entwickelnde neue Atmosphäre als Ergebnis der beginnenden Aufmerksamkeit zwischen Ost und West. Mehr Ressourcen in jedem Sinn, nicht nur finanzielle Ressourcen, auch Ressourcen des Geistes, des Intellekts und der Vorstellung, sollten dem großen Unterschied zwischen Nord und Süd gewidmet werden. Ein sehr wichtiger Teil davon ist die Beschäftigung mit sozialen Fragen, weil hier sehr oft die Wurzeln von Konflikten liegen. Der Zusammenstoß der Welt in der Golfregion hat zur Folge, daß sich die Aufmerksamkeit wieder mehr militärischen Betrachtungen zuwendet, auch der Wiederherstellung des Friedens. Das aber besetzt Ressourcen.

Der andere Teil des Problems besteht darin, daß das UN-Budget ständig eingeschränkt werden muß. Seit 1980 hatten wir keine Steigerung des Budgets mehr, 1986 und 1987 wurde unser Budget um 50 Prozent reduziert. Die Budgets für soziale Probleme führen ein Aschenbrödeldasein.

Wir bemühen uns hier in Wien, die Regierungen zu überzeugen, daß der einzige Weg zu wirklicher Entwicklung und politischer Stabilität jener ist, soziale Ziele in das Herz von wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien zu integrieren. Ich befürchte, daß aufgrund der Ereignisse der vergangenen Zeit die Aufmerksamkeit der nationalen und internationalen Autoritäten nicht auf soziale Fragen gerichtet ist. Hier in Wien tagte vor kurzem die Kommission für soziale Entwicklung. Es war eine gute Kommission. Sie arbeitete sehr gut, aber die Besucherzahl war enttäuschend. Kein einziger Minister war gekommen.

Jede Resolution, die verlangte, daß das UN-Büro in Wien eine bedeutendere Rolle einnimmt, um mehr tun zu können, wurde sofort abgeblockt. In der UNO endet alles traditionell bei den nicht verf ügbaren Mitteln. Ich bemerke keine Anzeichen dafür, daß die Regierungen für soziale Fragen einen Posten im UN-Budget vorsehen.

FURCHE: Frei vom Ost-West-Konflikt existiert nun die gute Chance für eine effektive Umsetzung der UN-Charta. Wie sehen Sie in dieser neuen Situation die Rolle neutraler Länder wie Österreich?

ANSTEE: Österreich hat weiter ein großes Betätigungsfeld. Es scheint mir, daß wir weiter Brük-ken brauchen. Auch wenn die USA und die Sowjetunion näher zusammenkommen, bedeutet das nicht, daß alle Probleme gelöst sind. Durch Wenn sich ein Krieg abzeichnet, müssen wir sehr schnell agieren und haben keine Zeit, viel zu diskutieren... die Ost-West-Beziehung ist mehr Kooperation im sozialen Bereich möglich. Nicht alle haben erkannt, daß uns die ideologische Konfronr tationl9 Jahre lang gehindert hat, ein Treffen der Sozialminister durchzuführen. Das letzte Treffen war 1968 in New York und wir konnten kein weiteres bis September 1987 abhalten. Wir hatten ein sehr wichtiges Treffen hier in Wien. Und nun entdecken wir ein wachsendes Bewußtsein der Staaten, ob von Ost, West, Nord oder Süd, für soziale Probleme, Die osteuropäischen Länder schauen nach Wien, auf unser Büro, und suchen mehr und mehr Unterstützung. Beispielsweise haben wir eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit der Sowjetunion in der Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Wir arbeiten auch mit Polen, der Tsche-cho-Slowakei und Ungarn zusammen. Daß wir hier in Österreich plaziert sind, gibt uns eine besondere Möglichkeit, das alles zu leisten. .

FURCHE: Die Dritte Welt-Länder haben Befürchtungen, daß die stärkere Rolle des Sicherheitsrates die Rolle der Generalversammlung zerstört.

ANSTEE: Ich denke, der Sicherheitsrat hat sehr eng beschriebene Gebiete, über die er zu verhandeln berechtigt. Ich bin sicher, daß da -aus Anlaß der Golfkrise - noch eine große Diskussion kommen wird.

FURCHE: Wie sehen Sie die Bestrebungen Deutschlands, ständiges Mitglied im Sicherheitsrat zu werden?

ANSTEE: Es ist sehr schwierig vorauszusehen, was passieren wird. Jeder Versuch, die Strukturen zu ändern, ist wie das Öffnen der Büchse der Pandora. Die Entwicklungsländer werden anderer Meinung sein.

FURCHE: Eine andere Befürchtung: Der Schirm der UNO könnte den USA ein moralisches Pfand für ihre Führerschaft in der internationalen Politik geben. Weder die Sowjetunion noch China stehen den USA im Weg.

ANSTEE: Ich glaube, alle sind glücklich, daß die UNO eine zentrale Rolle spielt Das ist die Übereinstimmung der Supermächte, die Auswirkungen auf viele Fragen haben wird, nicht nur auf Fragen von Frieden und Krieg, sondern auf alle wichtigen Fragen der Welt, wie vor allem deren Entwicklung. Das ergibt eine bessere Atmosphäre für weitere Übereinkünfte.

Wenn sich ein Krieg abzeichnet, müssen wir sehr schnell agieren und haben keine Zeit, um viel zu diskutieren. Der wiederhergestellte Frieden wird sich aufgrund von Reflexionen, Betrachtungen und Analysen dessen, was passiert ist und was zu tun ist, ergeben. Das stärkt die UNO, die allgemeinen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten.-

FURCHE: Werden die USA und Großbritannien der UNESCO wieder beitreten?

ANSTEE: Ich bin überzeugt davon, daß die UNESCO eine sehr wichtige Rolle hat. Sie ist befaßt mit Fragen der Erziehung. Der halbe Sieg für eine friedliche neue Welt ist es, Menschen zu haben, die sich untereinander verstehen. Die USA und Großbritannien haben die UNESCO verlassen und gesagt, sie warten auf Reformen. Dies wird vom neuen Generalsekretär der UNESCO,Frederic Mayor .schon in Angriff genommen. Ich hoffe, die beiden Regierungen werden erkennen, daß sich die Bedingungen geändert haben, sodaß sie wieder eintreten können, denn ihre Beteiligung ist sehr wichtig.

Mi der Generaldirektorin der UNO-Wien, MARGARET J. ANSTEE, sprach GIBERTCISS.

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