Mehr als nur eine Schimäre

19451960198020002020

Auch wenn ihr Fehlen immer beklagt wird - es gibt jetzt schon mehr davon, als viele glauben: einer Gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union.

19451960198020002020

Auch wenn ihr Fehlen immer beklagt wird - es gibt jetzt schon mehr davon, als viele glauben: einer Gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (GASP) sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel mehr als eine Absichtserklärung, wird oft kritisiert. Gerne wird in diesem Zusammenhang die - beschämende - Tatenlosigkeit der EU im Jugoslawienkonflikt angeführt, um das Nichtfunktionieren der GASP zu belegen. Die Jugoslawienkrise hat in der Tat gezeigt, daß die EU, vor allem wenn einzelstaatliche Interessen im Vordergrund stehen, nicht fähig ist, mit einer Stimme zu sprechen und schon gar nicht gemeinsam schnell zu handeln. Das wird auch in absehbarer Zukunft so bleiben, denn auch die diesbezüglichen Änderungen des Amsterdamer Vertrags sind eher kosmetischer Natur. Daraus zu schließen, daß es im Rahmen der GASP keine gemeinsamen außenpolitischen Aktivitäten gäbe, wäre jedoch falsch.

Die GASP ist die sogenannte zweite Säule der Europäischen Union und ist eine Weiterentwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), die seit 1969 bestand. Die Leitlinien der GASP müssen einstimmig im Ministerrat festgelegt werden, was allen Mitgliedsländern ein diesbezügliches Vetorecht einräumt. Gemeinsame Aktionen aufgrund der einstimmig beschlossenen Leitlinien bedürfen dann nur noch einer qualifizierten Mehrheit (62 von 87 Stimmen im Rat.

Wie im Ministerrat führt auch bei der GASP das Land, das die EU-Präsidentschaft innehat, den Vorsitz. Nach außen hin wird die EU von der sogenannten Troika vertreten, die sich aus dem jeweiligen Präsidentschaftsland, seinem Vorgänger und seinem Nachfolger zusammensetzt. Während die medienwirksamen außenpolitischen Großauftritte der Troika (wie etwa in Jugoslawien oder Algerien) die Grenzen der Union als bestimmender Akteur in der internationalen Politik aufzeigen, so hat sich abseits der spektakulären Ereignisse die außenpolitische Zusammenarbeit der EU-Staaten, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, stark weiterentwickelt.

Dies gilt vor allem für das Stimmverhalten bei internationalen Organisationen. Rechtsgrundlage für das gemeinsame Auftreten der Mitgliedstaaten bei internationalen Organisationen ist der Maastrichter Vertrag. Darin heißt es: * Die Mitgliedstaaten koordinieren ihr Handeln in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen. Sie treten dort für gemeinsame Standpunkte ein. (Art. J.2.).

* Der Vorsitz ist für die Durchführung der gemeinsamen Aktionen verantwortlich; daher wird in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen der Standpunkt der Union grundsätzlich vom Vorsitz dargelegt. (Art.J.5).

Europäischer Gleichklang bei den Vereinten Nationen Im vorigen Jahr gab es bei der 52. Generalversammlung der UN bei 258 von 270 Resolutionen einen gemeinsamen Standpunkt der EU-Staaten, was einer Übereinstimmung von 95,5 Prozent entspricht. Von der Öffentlichkeit praktisch unbemerkt, halten die UN-Vertreter der EU-Staaten in New York täglich mehrere Koordinationssitzungen ab, um zu einem gemeinsamen Standpunkt zu gelangen. Die wenigen Resolutionen, bei denen sich die EU nicht zu einem gemeinsamen Standpunkt durchringen kann, betreffen zumeist Fragen, bei denen die Interessen der ehemaligen Kolonialmächte und Nuklearwaffenstaaten Großbritannien und Frankreich jenen der anderen Mitgliedsländer gegenüberstehen. Das gemeinsame Auftreten der EU, vertreten durch das Land, das die Präsidentschaft innehat, hat das politische Gewicht Europas bei den Vereinten Nationen aber jedenfalls deutlich erhöht. Hinzu kommt, daß die EU-Staaten gemeinsam mehr als 35 Prozent des regulären UNO-Budgets bestreiten. So beeinflußt der gemeinsame EU-Standpunkt mittlerweile auch das Abstimmungsverhalten anderer Nationen, vor allem aus Osteuropa, aber auch aus Lateinamerika und Afrika.

Dieses gemeinsame Vorgehen der EU-Staaten stößt naturgemäß nicht überall auf Begeisterung. Dies gilt vor allem für Länder, die ähnlich gelagerte Interessen haben (z. B. europäische Nicht-EU-Länder, Kanada), aber nicht in den Entscheidungsfindungsprozeß der EU eingebunden sind und auch nicht leicht einzubinden wären: Solange nämlich die 15 EU-Länder sich noch nicht auf eine bestimmte Position geeinigt haben, gibt es keinen adäquaten Ansprechpartner für Außenstehende, ist es aber soweit, dann besteht kaum mehr eine Möglichkeit, den mühsam gefundenen Kompromißtext der Fünfzehn auch nur geringfügig abzuändern.

Vor allem für kleinere Länder, die - wie Österreich - nur eine relativ kleine Mission in New York unterhalten, ist die Präsidentschaft eine große organisatorische Herausforderung. Daß es jedoch auch mit einer kleinen Mannschaft gelingen kann, eine "gute" Präsidentschaft zu absolvieren, hat Luxemburg vor einem halben Jahr bewiesen. Damit Österreich ähnliches gelingt, laufen die Vorbereitungen auf die Präsidentschaft auch in New York schon seit längerer Zeit auf Hochtouren.

Siehe auch Seite 15

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung