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Wo bleibt die Brückenfunktion?

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Die Erweiterung der EU nach Osten liegt im ureigensten Interesse Österreichs. An der Politik der Regierung läßt sich dies leider nicht erkennen.

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Die Erweiterung der EU nach Osten liegt im ureigensten Interesse Österreichs. An der Politik der Regierung läßt sich dies leider nicht erkennen.

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Es scheint, als sei seit dem Beitritt Österreichs zur EU jeglicher Schwung aus der österreichischen Europapolitik gewichen. Wir sind zwar als Nettozahler weitgehend als gute Europäer anerkannt, aber ansonsten, so hat es den Anschein, geht uns das Ganze recht wenig an. Regierungskonferenz, Maastricht II, die Zukunft der EU, sowohl was ihren strukturellen Aufbau als auch ihre geographische Ausdehnung angeht, scheint in diesem Land niemanden wirklich zu interessieren. Das Konkreteste, was das offizielle Osterreich zu Kuropa zu sagen hat, ist, daß wir bei der Währungsunion von Anfang an mittun wollen, und daß wir nicht von vornherein ausschließen, bei einem zukünftigen europäischen Sicherheitssystem mitzumachen. Nachdem wir aber noch nicht wissen, wie dieses einmal aussehen wird (eine „NATO-Neu” oder eine stärkere WEU), warten wir erst einmal ab.

Ansonsten dient die EU der österreichischen Regierung in erster Linie als Sündenbock und Rechtfertigungshilfe für hausgemachtes Versagen: Sparbuch-Anonymität, Sparpaket und Budgetkonsolidierung, offene Grenzen und organisierte Kriminalität, Transitverkehr lauten die Stichwörter. Solange aber die österreichische Regierung so agiert, darf sie sich nicht wundern, daß die Öffentlichkeit die EU so negativ wahrnimmt. Da helfen dann auch (mit Steuergeldern finanzierte) nichtssagende EU-Jubel-Fernsehspots nichts.

Dabei sollte gerade Österreich besonderes Interesse haben, die zukünftige EU heute aktiv mitzugestalten. Österreich ist das EU-Land, das langfristig am meisten von einer EU-Osterweiterung profitieren wird -mehr noch als Deutschland, unser wichtigster Partner, wenn es darum geht, die anderen EU-Mitglieder von einer baldigen EU-Osterweiterung zu überzeugen. Wichtiger noch als die

NATO-Erweiterung wäre es für Österreich, daß die Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien und (mit Vorbehalten) die Slowakei möglichst bald Mitglieder der EU werden. Österreich würde aus seiner Randlage befreit werden, und ein gemeinsamer Wirtschafts- und Kulturraum zwischen Prag, Wien und Budapest würde wieder Realität werden, wie zuletzt während der Donaumonarchie.

Natürlich gilt es, gewisse Probleme zu bewältigen, die ein Beitritt unserer östlichen Nachbarn mit sich bringen würde. Vor allem die südlichen EU-Mitglieder haben massive Bedenken, denn sie würden Zumindestens einen Teil der bisherigen EU-Förderungen verlieren. Doch eine Reform der EU-Förderungen steht ohnehin an, und Österreich wie Deutschland haben als Nettozahler hier einen nicht unerheblichen Einfluß. Österreichs EU-Politik müßte sich darauf konzentrieren, die südlichen Mitglieder davon zu überzeugen, eine EU-Osterweiterung nicht wegen eventueller Förderungsverluste zu torpedieren. Vor allem muß Österreich betonen, wie wichtig diese Osterweiterung für die gesamteuropäische Stabilität ist.

Befürchtungen, daß die Aufnahme einiger mitteleuropäischer Länder massive Wohlstandseinbußen in Westeuropa zur Folge hätte, sind auf jeden Fall überzogen. Einerseits konkurrieren zahlreiche Industrieprodukte aus jenen Ländern aufgrund bilateraler EU-Abkommen schon jetzt mit EU-Produkten auf dem gemeinsamen Markt, andererseits kann es nur im Interesse der EU (und vor allem Österreichs) liegen, das Wohlstands- und Lohngefälle zwischen der EU und den mitteleuropäischen Reformländern möglichst schnell zu verringern. Ein EU-Beitritt dieser Länder würde diesen Prozeß massiv beschleunigen; auch Arbeitsmigration würde dadurch weniger attraktiv, als dies heute der Fall ist.

Überdies sind die Tschechen, Ungarn, Slowaken und Slowenen nicht nur Nachbarländer Österreichs, wir teilen auch eine lange (wenn auch nicht immer erfreuliche) Geschichte mit ihnen. Wenn es einen positiven Aspekt der letzten Jahrzehnte der Donaumonarchie gegeben hat, dann war es der, daß es zwischen Prag, Wien, Budapest und Laibach keine Grenzen gab und ein reger kultureller wie auch wirtschaftlicher Austausch herrschte. Aufgrund des Eisernen Vorhangs und der österreichischen Politik seit 1989 werden unsere Nachbarn heute jedoch primär als Bedrohung empfunden: für unsere Wirtschaft und die Arbeitsplätze, für unsere Sozialstandards, für unsere Sicherheit (Ostmafia). Leider verstärkt auch die österreichische Regierungspolitik - und nicht nur die vielfach gescholtene FPÖ-Opposition - diese Feindbilder, anstatt sie abzubauen.

Die Notwendigkeit, die Grenzen zu unseren Nachbarn heute „dichtzumachen”, ergibt sich aus unserer Verantwortung gegenüber unseren Partnern in der EU (beziehungsweise von Schengen). Einen neuen Eisernen Vorhang hochzuziehen, ist jedoch mit Sicherheit nicht im österreichischen Interesse. Unsere Pflichten gegenüber unseren westeuropäischen Partnern haben wir zwar bona fide zu erfüllen, aber das darf uns nicht daran hindern, eigene Interessen zu erkennen und auch wahrzunehmen. Wir müssen also die Ost-Grenzen so lange als nötig dichthalten, sollten sie aber sobald als möglich aufmachen. Diese Grenzen sollten langfristig genauso offen sein, wie die zwischen Frankreich und Deutschland. Die österreichische Regierung sollte dies laut und deutlich sagen, denn lange geschürte Vorurteile lassen sich später nur schwer wieder abbauen. Dies wäre zu unserem eigenen Schaden, wie zum Schaden unserer Nachbarn.

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