Österreich und die Europäische Union

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Das vorliegende Dossier trägt ganz bewußt nicht den Titel "Österreichs EU-Vorsitz". Beilagen dieser Art sind in den diversen Medien des Landes schon erschienen oder werden noch erscheinen. Sie enthalten jede Menge Wissenswertes über den EU-Fahrplan des zweiten Halbjahres '98, für den Österreich an vorderster Front einzustehen haben wird: über die großen Themen, die auf der Tagesordnung stehen, die Protagonisten des Geschehens, die Termine und dergleichen mehr.

Das alles finden Sie auf den folgenden Seiten nicht. Ziel unseres Schwerpunkts war es, sozusagen am Vorabend der erstmaligen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Österreich einige Schlaglichter auf den Komplex "Österreich und die EU" zu werfen.

So meinen wir, daß es lohnend ist, das leidige Thema Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union einmal von ungewohnter Perspektive zu betrachten - jener der österreichischen Vertretung bei der UNO in New York. Dort wird von den Botschaftern der EU-Länder in tagtäglicher Knochenarbeit um einen gemeinsamen Standpunkt der Union zu diversen außenpolitischen Fragen gerungen - und das durchaus mit mehr Erfolg, als man vermuten möchte. Die Hauptlast dieser Arbeit kommt auch in New York dem Vertreter jenes Landes zu, das den Ratsvorsitz in der EU innehat, also von Juli bis Dezember 1998 Österreichs UN-Botschafter Ernst Sucharipa (S. 14/15).

Permanente Arbeit im Sinne der Europäischen Union leisten die Vertretungen der EU-Institutionen (Kommission und Parlament) in Österreich. Sie haben mit dem Vorsitz selbst zwar nichts zu tun, sind aber so etwas wie ein Stück "EU vor Ort". Noch wichtiger als das Repräsentieren der Brüsseler Institutionen ist freilich ihre Öffentlichkeitsarbeit, die sich letztlich auf eine Botschaft reduzieren läßt: die Europäische Union ist nicht Brüssel, sondern jedes einzelne Mitgliedsland und seine Bürgerinnen und Bürger (S. 15).

Die große Idee hinter den alltäglichen Mühen der europäischen Ebene ist letztlich ein - wie eng und in welcher konkreten politischen Form auch immer - vereintes Europa in Frieden und Wohlstand. Die äußerst heikle und diffizile Frage zu erörtern, ob zu diesem Europa auch Rußland und die Türkei gewissermaßen wesensmäßig dazuzuzählen seien, würde den hier gegebenen Rahmen sprengen; gewiß ist aber, daß alle anderen Länder des Kontinents prinzipiell ihren fixen Platz in einer Europäischen Union, die diesen Namen verdient, haben müßten. Deswegen ist und bleibt die Erweiterung der Union das große politische Projekt der EU, das Megathema auf der Tagesordnung der Fünfzehn. Gerade weil dieses Thema so wichtig ist, verlangt es eine Handhabung mit Augenmaß sowie sorgfältigste Vorbereitung. Der in Linz lehrende Nationalökonom Wilhelm Kohler plädiert in diesem Sinn dafür, "kleinkrämerisches Interessengerangel zugunsten einer für alle Seiten vorteilhaften paneuropäischen Integration zu überwinden" (S. 17). Er greift dabei auf das vielstrapazierte Wort vom "Marshallplan für Osteuropa" zurück und zeigt im Vergleich mit dem gleichnamigen US-Wiederaufbauprogramm für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, wo die neuralgischen Punkte bei der Unterstützung der Reformländer auf ihrem Weg in die Union liegen. Der Text ist die redigierte Version eines Vortrags, der im Mai dieses Jahres bei einem Symposion an der Universität in New Orleans gehalten wurde: dort hatten sich Forscher aus Österreich, Italien, Deutschland, Großbritannien und den USA getroffen, um - 50 Jahre nach dem Beginn des US-Geldflusses - über die Bedeutung des Marshall-Plans für Österreich zu debattieren (siehe auch Furche Nr. 22/98).

Zu guter Letzt: Mit dem Verhältnis Österreich - EU beschäftigt sich auch ein kürzlich erschienenes Buch des Brüsseler Korrespondenten der "Kleinen Zeitung" und der "Oberösterreichischen Nachrichten", Michael Jungwirth. Unter dem saloppen Titel "Im Chefsessel Europas" beschreibt der Autor nüchtern, was auf Österreich ab Juli zukommt, räumt mit Mißverständnissen auf und warnt vor überzogenen Erwartungen. Dabei entsteht auch ein recht präzises Bild vom bisherigen Auftreten des Mitgliedslandes Österreich - heute würde man sagen: von dessen performance - in Brüssel: für die politische Klasse des Landes nicht immer schmeichelhaft (siehe Kasten).

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