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Hehre Absichten und beinharte Interessen

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Bundespräsident Klestil in Deutschland. Minister Mock beim österreichischdeutschen Forum in Bonn: es geht um die Sicherheit.

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Bundespräsident Klestil in Deutschland. Minister Mock beim österreichischdeutschen Forum in Bonn: es geht um die Sicherheit.

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Bei den EU-Verhandlungen geht es um die Kernfrage: die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, genannt GASP, die Osterreich, das die Intentionen des Maastricht-Vertrages mittragen muß, ein neues solidarisches Verhalten auferlegt.

Die Gemeinplätze, mit denen unsere Außenpolitiker an die GASP herangehen, die auch Grundlage für die Gespräche Klestils beim nordwestlichen Nachbarn waren, können wahrscheinlich von den meisten Österreichern unterschrieben werden. Eine notwendige Sicherheitspartnerschaft in Europa bezweifelt niemand mehr. Daß die GASP „einen Rahmen für Österreichs Sicherheit darstellen” soll, wie aus dem Außenministerium verlautet, klingt so vage, daß nur der Verstockteste nicht Beifall klatschen wird. Die Absage an nationale Alleingänge angesichts neuer militärischer und nicht-militärischer Bedrohungen ist westliches Werteallgemeingut, wenngleich es bei der Art der gemeinsamen Anstrengungen, dem Wie der neuen internationalen Zusammenschlüsse unterschiedlichste Auffassungen geben kann.

Was Österreichs Hoffnung auf eine Stärkung der internationalen Handlungsfähigkeit durch die GASP betrifft, so gibt es momentan nicht einen Lichtschimmer davon. So können wir uns guten Gewissens bereiterklären, „an ihrer dynamischen Weiterentwicklung, aktiv teilzunehmen”. Dem Glaubensbekenntnis an die GASP, das von Klestil in Deutschland erneut gesprochen wurde, steht der allgemeine Anspruch einer gewissen renationalisierten Interessenpolitik gegenüber (so auch Deutschlands Außenminister Kinkel bei einem außenpolitischen Kongreß der FDP Mitte September). Klestil ist Realist genug, um zwischen Visionen und Interessen unterscheiden zu können. Erst vergangene Woche hat er seinen tschechischen Amtskollegen Vaclav Havel auf den Boden der Wirklichkeit heruntergeholt, als er auf des Dichterpräsidenten Kritik an einer unzureichenden Jugoslawienpolitik der EU replizierte, „daß es die politische Finalität einer gemeinsamen europäischen Sicherheit noch nicht gibt”. Was Österreichs Willen zur Beteiligung an der GASP betrifft, bewegt man sich vorderhand im Bereich gekonnter Absichtserklärungen. Deutschland gegenüber hat es in jüngster £eit ein gewisses Auseinanderdriften der Haltungen zum Krieg in Bosnien gegeben. Während der deutsch-französische EU-Dreistufenplan (siehe Beitrag links) von alten Prinzipien abrückt, hält Österreichs Außenminister unbeirrt an europäischen Standards fest. Aber wie im Umweltbereich (siehe Beitrag rechts) wird es Österreich schwer haben, seine hehren Vorstellungen von einem gerechten Frieden an den Mann zu bringen.

Die Achse Deutschland-Österreich in der Balkanfrage - nach Mock hat es sie nie gegeben -ist zerbrochen. Außenminister Kinkel ist diesbezüglich voll auf EU-Linie eingeschwenkt. In der Heranführung Osteuropas an die EU (so Kinkel über Deutschlands Aufgaben) könnten wir uns mit den Deutschen treffen; wobei nur eines sicher scheint: Österreich geht in die EU, um dort an einer Sicherheitspolitik mitzuwirken, die die Osteuropäer am liebsten sofort in der NATO mitgestalten wollen, von der aber Österreich vorläufig nichts wissen will. Die Teilnahme Österreichs an der Westeuropäischen Union ist das höchste der Gefühle Dabei soll die WEU als europäischer Arm der NATO ausgebaut werden, obschon niemand weiß, welcher Staat in welcher Institution nur mitarbeiten oder Vollmitglied sein wird, und wie die Institutionen untereinander verknüpft sein werden.

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