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Vielen geht die Unabhängigkeit über alles

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Natürlich haben wir einen % Standpunkt, Botschafter Franz -L l Cede, der Leiter des Völker -rechtsbüros im Außenministerium, hat ihn auf Seite 2 dargelegt. Turin findet uns nicht gänzlich unvorbereitet vor, wenngleich viele unserer sogenannten Positionen, wohlgemerkt: Begierungspositionen, sehr allgemein gehalten und daher manchmal nichtssagend sind.

Fragt man abseits dieses von den Koalitionspartnern erarbeiteten Kompromisses in den Parteien nach, bekommt man viel differenzierende-re Aussagen zu hören - das beginnt schon bei den Koalitionspartnern selbst. Vor zwei Wochen habe ich im Bahmen eines Studientages der kirchlichen Kommission „Iustitia et Pax" in der Diplomatischen Akademie in Wien eine politische Diskussion zum Thema „Europäische Friedenssicherung - Positionen und Chancen Österreichs" moderiert, bei der die sicherheitspolitischen Sprecher von SPÖ, Peter Schieder, von ÖVP, Alexis Wintoniak, F, Herbert Scheibner, LiF, Helmut Moser, und den Grünen, Wilfried Graf, aufeinandertrafen. Klar wurde das deutliche Auseinanderklaffen der Positionen von SPÖ und dem rechten politischen Spektrum. Während der Nationalratsabgeordnete Scheibner den Wunsch nach einem raschen NATO-

Beitritt Österreichs äußerte (bei gleichzeitiger Aufgabe der Neutralität), der liberale Abgeordnete Moser für die volle WEU-Integration plädierte sowie für eine Kooperation mit der NATO, meinte Schieder lakonisch: „Wenn die Neutralität obsolet sein soll, warum dann nicht auch die NATO, die eine Beaktion auf dieselben geopolitischen Gegebenheiten war?"

VP-Sprecher Wintoniak bezog sich auf reale Bedrohungssituationen für Österreich und brachte in diesem Zusammenhang die Lage auf dem Balkan ins Gespräch: Nachlässigkeit im sicherheitspolitischen Bereich hätten verheerende Wirkungen, Sicherheitspolitik sei ein integrierender Faktor für die EU, daher müsse sich Österreich hier „solidarisch" erweisen. Der Grüne Graf wandte sich gegen einen „Neutralitätsfetischismus" sowie gegen „vorschnelle Dog-matisierungen" seitens der Gegner wie der Verteidiger der Neutralität.

Am Bande der Diskussion fragte ich Peter Schieder, wie denn die Kompromißformel zur Sicherheitspolitik im Koalitionspapier zu verstehen sei, zumal Verteidigungsminister Werner Fasslabend in einem FUR-CHE-Interview (FURCHE 11/1996, Seite 3) davon gesprochen hatte, die SPÖ brauche, wie auch beim EU-Beitritt, etwas länger, um die Sinn-haftigkeit eines WEU-Beitritts zu akzeptieren, werde sich dazu aber sicher bereitfinden. Schieder stellte energisch in Abrede, daß es sich bei dem Kompromiß um eine Formel handle, mit der die Sozialdemokraten schließlich doch noch über den Tisch gezogen werden sollten.

Das ist die spezifische Ausgangssituation Österreichs unmittelbar nach Beginn der Begierungskonferenz. Sie fügt sich in ihrer allgemein-leeren Kompromißhaltung nahtlos in die Widersprüchlichkeiten ein, mit denen die anderen 14 EU-Partner in die Maastricht-Bevisionskonferenz gegangen sind.

Nehmen wir nur London her. Außenminister Bifkind hat mit seinem Weißbuch „A Partnership of Nations" schon mit dem Titel eine Bichtung angegeben, die den Briten konvenieren würde. Natürlich fehlt darin nicht das Bekenntnis zu Europa, ebensowenig der Verweis auf die führende Bolle Großbritanniens in Europa. Grenzen werden dort von Bifkind aufgezeigt, wo es um die Bildung supranationaler (Ein.richtun -, gen geht. Völligem Unverständnis bringt Großbritanniens Begierung demnach einem „monolithischen Superstaat" entgegen. Daher dürfe es auch keine europäische Außen-und Verteidigungspolitik geben, außer in Fällen, in denen Interessen-und Zielgleichheit zwischen den Mitgliedstaaten besteht.

Was bedeutet das für die europäischen Entscheidungen? Der Einstimmigkeitsgrundsatz, so die Briten, sollte, zumindest in den Hauptbereichen Außen- und Verteidigungspolitik, beibehalten, das nationale Veto damit gewahrt werden; also keine qualifizierten Mehrheitsentscheidungen. Nur konsequent - ein weiterer Knackpunkt der EU-Begierungskonferenz, der schon die Vorbereitungen für Turin stark bestimmte - lehnt die britische Begierung eine Ausweitung der Kompetenzen für das Europaparlament auf Kosten der nationalen Parlamente ab. Großbritannien setzt sich hingegen für einen starken unabhängigen Europäischen Gerichtshof ein, dessen Funktionen verbessert gehörten.

Ein Problem, das Österreich noch beschäftigen wird, ist der Versuch Großbritanniens, das Abstimmungssystem im Ministerrat zugunsten der großen Mitgliedstaaten zu verändern. Die britische Begierung wünscht demnach nicht, daß Netto-beitragszahler (was Österreich ist) beziehungsweise bevölkerungsreiche Nationen (was Österreich nicht ist) von kleineren oder ärmeren Mitgliedern überstimmt werden.

„Das Konzept Großbritanniens", sagt Malcolm Bifkind, „ist vor allem geprägt von einer pragmatischen Sicht der Entwicklung Europas als Partnerschaft der Nationen. Die Begierungskonferenz muß den Bürgern Gewißheit verschaffen, daß die Europäische Union weiterhin Diener ihrer Mitglieder sein wird und nicht etwa eine Bedrohung für ihre Unabhängigkeit."

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