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EWG: Jetzt berechtigte Hoffnung

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Die mit Spannung erwarteten Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion haben in Helsinki begonnen. Gewiß spielen hier neben Sicherheits- auch budgetäre Überlegungen eine Rolle, doch läßt sich nicht leugnen, daß nach einer Periode der Stagnation nunmehr eine gewisse Auflockerung in den Ost-West-Beziehungen zu spüren ist. In diese Richtung deutet auch das lebhafter werdende Interesse an einer Stabilisierung der Verhältnisse in Europa und damit zusammenhängend an der Idee einer europäischen Sicherheitskonferenz. Sicherlich gibt es bezüglich dieser Konferenz noch manche Meinungsverschiedenheiten, doch scheinen beide Seiten zu einem Dialog bereit zu sein. Im Fernen Osten bemüht sich die Sowjetunion, mit der Volksrepublik China die bestehenden Grenzstreitigkeiten auf dem Verhandlungswege zu regeln. Auch dies entspringt dem Wunsch nach einer Beruhigung der dort herrschenden Spannungen. Schließlich hat sich auch bei den Vereinten Nationen eine Akzentverlagerung von der früher vorherrschenden Konfrontation zwischen Ost und West in Richtung einer engeren Koordination der Tätigkeit hinsichtlich langfristiger Programme, wie z. B. auf dem Abrüstungssektor oder auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, ergeben.

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Die mit Spannung erwarteten Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion haben in Helsinki begonnen. Gewiß spielen hier neben Sicherheits- auch budgetäre Überlegungen eine Rolle, doch läßt sich nicht leugnen, daß nach einer Periode der Stagnation nunmehr eine gewisse Auflockerung in den Ost-West-Beziehungen zu spüren ist. In diese Richtung deutet auch das lebhafter werdende Interesse an einer Stabilisierung der Verhältnisse in Europa und damit zusammenhängend an der Idee einer europäischen Sicherheitskonferenz. Sicherlich gibt es bezüglich dieser Konferenz noch manche Meinungsverschiedenheiten, doch scheinen beide Seiten zu einem Dialog bereit zu sein. Im Fernen Osten bemüht sich die Sowjetunion, mit der Volksrepublik China die bestehenden Grenzstreitigkeiten auf dem Verhandlungswege zu regeln. Auch dies entspringt dem Wunsch nach einer Beruhigung der dort herrschenden Spannungen. Schließlich hat sich auch bei den Vereinten Nationen eine Akzentverlagerung von der früher vorherrschenden Konfrontation zwischen Ost und West in Richtung einer engeren Koordination der Tätigkeit hinsichtlich langfristiger Programme, wie z. B. auf dem Abrüstungssektor oder auf dem Gebiet der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, ergeben.

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Es wäre jedoch verfehlt, aus diesen ermutigenden Anzeichen einer positiven internationalen Entwicklung den Schluß zu ziehen, daß wir auf dem besten Weg zu einer allgemeinen Entspannung oder gar einem Verschwinden der bestehenden Krisenherde sind. Den angeführten positiven Aspekten stehen leider ebenso viele negative gegenüber. Der Krieg in Vietnam findet kein Ende und die Pariser Verhandlungen drohen in eine Sackgasse zu geraten. Die Krise im Mittleren Osten nimmt trotz vielfacher Anstrengungen, nicht zuletzt seitens der Großmächte, ihren verhängnisvollen Lauf, und es zeichnet sich kaum eine Lösung ab. Die Gewitterwolken einer neuerlichen militärischen Konfrontation ziehen drohend am Horizont auf. In Nigerien wird der erbarmungslose Bürgerkrieg fortgesetzt, und in Zypern wird der prekäre Friede nur mit Hilfe der Friedenskontingente der Vereinten Nationen auf rechterhalten.

In Europa sind allerdings Entwicklungen eingetreten, die diesen Kontinent wieder mehr in den Blickpunkt des internationalen Interesses gerückt haben. Wenngleich bei den Bemühungen um eine Ost-West- Entspannung Rückschläge eingetreten sind, so ist doch der Wunsch nach einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit deutlich in Erscheinung getreten.

Österreich und seine Außenpolitik haben in letzter Zeit die ihr gestellten Bewährungsproben gemeistert, und ich glaube, daß das allgemeine Interesse und Verständnis für unsere Außenpolitik sowie deren Unterstützung durch die öffentliche Meinung heute größer ist als in der Vergangenheit. Viele Dinge sind in Europa — zum Teil auch durch unsere Initiative — in Fluß geraten, die für die weitere Entwicklung der Beziehungen mit unseren Nachbarstaaten von großer Bedeutung sind.

Politische Einigung ohne Umwege

Was ist unter Europapolitik zu verstehen? Europa besteht trotz der Teilung in zwei ideologische und politische Gruppierungen als geographische und geschichtliche Einheit weiter. Ziel einer langfristigen Europapolitik muß daher eine allmähliche Annäherung und Wiederherstellung einer engeren Zusammenarbeit sowie eine Ausnützung des vorhandenen geistigen Potentials des gesamten Kontinents sein. Ausdruck einer solchen Europapolitik sind die Entspannungsbestrebungen, die zu einer schrittweisen Annäherung und Intensivierung der Zusammenarbeit führen sollen. Auch die Idee einer europäischen Sicherheitskonferenz fällt in diesen Rahmen. Österreich in seiner geopoliti- schen Lage als neutrales Land mit westlicher Gesellschaftsordnung muß vermeiden, vom Westen als Kopf- bahrthof oder vom Osten als Bestandteil eines feindseligen Westeuropas angesehen zu werden. Wir müssen trachten, ein wertvoller Bestandteil eines großen Europas zu sein und zu bleiben.

Die verschiedenen Versuche der politischen Einigung Europas nach dem zweiten Weltkrieg waren nur von beschränktem Erfolg begleitet. Bestrebungen zur Schaffung eines geeinten Europas scheiterten, die geplanten politischen und militärischen Bündnisse erreichten nicht die ihnen gesteckten Ziele. Versuche, im Wege einer wirtschaftlichen Integration zu einer politischen Integration zu gelangen, schlugen trotz gegenseitiger Annäherung der betreffenden Staaten fehl. Heute scheint es auch weitgehend anerkannt, daß die politische Einigung nicht auf dem Umweg über die wirtschaftliche Einigung erzielt werden kann.

Wie steht nun Österreich zu all diesen Fragen?

Die österreichische Bundesregierung begrüßt und fördert alle Initiativen zur europäischen Einigung. Eine aktive Mitwirkung Österreichs kann überall dort erwartet werden, wo dies mit unserem Staatsvertrag und unserem Status als immerwährend neutraler Staat vereinbar ist. Wir sind Mitglied des Europarates, der OECD, der ECE und anderer europäischer Organisationen, wir sind Mitglied der EFTA und bemühen uns um ein befriedigendes Wirtschaftsarrangement mit der EWG. Wir streben eine engere wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit mit den west- ebenso wie mit den osteuropäischen Staaten an und haben in den Vereinten Nationen gemeinsame Initiativen mit der Zielsetzung einer engeren europäischen Zusammenarbeit stets unterstützt.

Ich wiederhole daher das vitale Interesse der österreichischen Außenpolitik an einer positiven Entwicklung aller jener Bestrebungen, die das auch heute noch unübertroffene Potential des europäischen Kontinents ausammenführen und Europa wieder jenen Platz im Weltgeschehen einnehmen lassen, der ihm gebührt

Ich habe schon bei früheren Gelegenheiten auf den stabilisierenden Einfluß verwiesen, den Österreich dank seiner ruhigen innen- und außenpolitischen Entwicklung sowie seiner wirtschaftlichen Prosperität im zentraleuropäischen Raum aus- übt. Im Unterschied zur Situation zwischen den beiden Weltkriegen, wo Österreich ein ständiges Sorgenkind der Weltpolitik war, stellt •unser Land heute einen wichtigen, durchaus positiven Faktor im internationalen Kräftespiel dar.

Es bedarf jedoch keiner besonderen Erwähnung, daß diese Rolle auf die Dauer nur dann gespielt werden kann, wenn unser Land wirtschaftlich konsolidiert ist. Österreich war daher in all den Jahren bemüht, neben einer vernünftigen Streuung seines Außenhandels eine befriedigende Regelung seiner Beziehungen zum Gemeinsamen Markt herzustel len. 45 Prozent unseres Handels werden mit diesem Markt abgewickelt, und es ergibt sich daher von selbst, daß es ein lebenswichtiges Interesse für Österreich darstellt, eine Vereinbarung mit dem Gemeinsamen Markt zustande zu bringen, die seine Exportwirtschaft von jenen Belastungen befreit, denen es gegenwärtig in seinem Handel mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ausgesetzt ist.

Verhandlungen beschlossen

Nun ist es gewiß nicht der Fehler Österreichs, daß es bisher nicht gelungen ist, eine befriedigende Regelung unserer Beziehungen mit der EWG zu erreichen. Es ist ja auch noch keinem der anderen EFTA- Staaten gelungen, dieses Problem zu lösen. Der Grund dafür liegt einfach darin, daß offenbar die europäische Konstellation für eine umfassende Lösung bisher nicht reif war. Gerade in diesem zu Ende gehenden Jahr aber haben sich innerhalb der EWG Entwicklungen ergeben, die eine gewisse Auflockerung der bis dahin starren Positionen erkennen lassen. Manche Mitglieder der Gemeinschaft, die bisher einer Erweiterung ablehnend gegenüberstanden, haben nunmehr ihre Bereitschaft zu einer flexibleren Haltung erkennen lassen. Vor allem durch den Regierungswechsel in Frankreich scheint die Entwicklung in Fluß geraten zu sein. Anfangs Dezember soll eine Gipfel-

konferenz der EWG die Weichen für die weitere Vorgangsweise stellen. Österreich hat bekanntlich vor einigen Wochen sein Ansuchen um ein Wirtschaftsarrangement mit der EWG in den sechs Hauptstädten und bei der Kommission in Brüssel in Erinnerung gerufen und hiebei den Wunsch nach baldiger Wiederaufnahme der Verhandlungen zum Ausdruck gebracht. Als Ergebnis dieser

Demarche wurde seitens der EWG der Beschluß gefaßt, die Österreich- Frage bei der Sitzung des Ministerrates am 8. und 9. Dezember 1969 wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Wir haben diesen Beschluß mit Befriedigung zur Kenntnis genommen und hoffen, daß damit die seit geraumer Zeit stagnierenden Verhandlungen wieder in Gang gebracht werden können, Österreich befindet sich angesichts seines internationalen Status in einer ganz ähnlichen Situation wie unser Schweizer Nachbar. Auch dieser strebt angesichts seines Neutralitätsstatus keine Mitgliedschaft an, sondern bemüht sich, ebenso wie wir, um ein Sonderarrangement, das diesem Status Rechnung trägt. Es ist daher naheliegend, daß wir in unseren Bemühungen bestrebt sind, gemeinsam mit den anderen Neutralen varzugehen.

Ziel der österreichischen EWG- Politik ist nach wie vor die gänzliche Beseitigung der Handelshindernisse gegenüber dem EWG-Raum, gehen doch derzeit immer noch zirka 40 Prozent unseres Exportes in den Gemeinsamen Markt. Wir sind allerdings realistisch genug, um zu erkennen, daß dieses Ziel nur schrittweise erreicht werden kann. Art und Umfang eines solchen Arrangements lassen sich wohl erst im Verhandlungsweg bestimmen. Ein derzeit geeignet erscheinender Weg könnte in einem präferemzieilen Handels abkommen liegen, durch dessen Bestimmungen die bestehenden Zölle linear gesenkt werden, sowie in Sondervereinbarungen für die Landwirtschaft.

Wir haben in dieser Frage zu viele Enttäuschungen erlebt, um nunmehr einen übertriebenen Optimismus an den Tag zu legen. Wir haben uns allerdings durch die Rückschläge nicht beirren lassen und haben nun mehr berechtigte Hoffnung, daß die Stagnation der letzten Jahre überwunden werden kann.

Diese Bemühungen um eine befriedigende Regelung unserer Beziehungen zum Gemeinsamen Markt schmälern indessen in keiner Weise unser Interesse an einer ständigen Weiterentwicklung unseres Handels mit den osteuropäischen Staaten. 18 Prozent unseres Exportes gehen gegenwärtig in die Länder des europäischen Ostens. Viele unserer Betriebe sind auf diesen auch historisch bedingten Export eingestellt. Es ist daher naheliegend, daß es zu den Aufgaben unserer Außenpolitik gehört, der Entwicklung dieses Handels besondere Aufmerksamkeit zu- uwenden.

Ja zur Sicherheitskonferenz

Die Handelsbeziehungen mit Ost-' europa sind jedoch nur ein Aspekt unserer- Beziehungen zu diesem Teil unseres Kontinents. Ihre weitere Entwicklung wird auf die Dauer nur möglich sein, wenn auch jene politischen Probleme einer Lösung zu- geführt werden können, die heute •noch einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit im Wege stehen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß man sowohl im Osten als auch im Westen dem Wunsch nach einer Regelung des Sicherheitsproblems immer deutlicher Ausdruck gibt. In diesem Lichte sind die Bemühungen um das Zustandekommen einer europäischen Sicherheitskonferenz zu verstehen. Die in diesem Zusammenhang ergriffenen Initiativen können als bekannt vorausgesetzt werden. Drei Fragen stehen derzeit im Vordergrund der Diskussion: Wer soll an einer solchen Konferenz teilnehmen, welche Tagesordnung soll sie haben und wann soll sie stattfinden? Während die Frage der Teilnahme kaum noch Schwierigkeiten verursachen dürfte — es scheint Einverständnis darüber zu bestehen, daß neben den europäischen Staaten einschließlich der DDR auch die Vereinigten Staaten und Kanada teilnehmen sollen —, sind Tagesordnung und Zeitpunkt ungeklärt. Während die Warschauer-Pakt-Staaten kürzlich eine Zweipunktetagesordnung und einen Termin in der ersten Hälfte des nächsten Jahres für die Konferenz vorgeschlagen haben, wünscht der Westen eine detaillierte Agenda. Derzeit finden Konsultierungen zwischen den verschiedenen Staaten statt, mit dem Ziel, die bestehenden Meinungsverschiedenheiten abzuklären. Erst dann dürfte es möglich sein, ein Datum für die Konferenz zu vereinbaren. Österreich steht dem Vorschlag positiv gegenüber, ist jedoch — wie auch die übrigen Staaten — der Meinung, daß die Konferenz gründlich vorbereitet werden muß. Wenn heute in Österreich Sicherheit und Wohlstand herrschen, ©o ist dies nicht zuletzt auf eine besonnene, jeder Dramatik abholde, gleichzeitig aber zielbewußte Außenpolitik zurückzuführen. Die Stabilität, das Ansehen, das Image, welches Österreich heute in einer unruhigen Welt genießt, sind der eigentliche Erfolg unserer Außenpolitik. Wir haben allen Grund, diese Politik fortzusetzen, in der Überzeugung, damit nicht nur einen wertvollen Beitrag zu unserer eigenen Sicherheit zu leisten, sondern auch zu einer friedlichen Entwicklung in der Welt.

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