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Gemeinsam nach außen

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Der Staute quo an Österreichs Grenzen ist beendet. An 914 Kilometer Grenze stehen Sowjets, die in Budapest 1956 und nunmehr in Prag ihre Fähigkeit zur Intervention bewiesen haben. Zwei von sechs Nachbarländern Österreichs waren in den letzten Jahren Opfer einer militärischen Okkupation, ein drittes mobilisiert derzeit, um gegen eventuelle Angriffe geschützt zu sein. Von einem Partner, nämlich Italien, trennt uns ein latenter Konflikt, der zeitweise unseren eigenen Grenzschutzeinsatz notwendig machte. Die Bundesrepublik' Deutschland ist für West und Ost Spannungsfeld der Weltpolitik, Ziel hitziger, gerade jetzt überspitzter Angriffe aus dem Osten. Und ein eskalierter Konflikt um Berlin, in offensichtlich extremgefähr- deter geographischer und politischer Situation kann die Bundesrepublik militärisch über Nacht engagieren.

So ist nur die Rheingrenze nach der Schweiz absolut ruhig und konfliktfrei. So scheint es, daß die jüngsten Ereignisse und die noch auf uns zukommenden Probleme es notwendig machen, daß sich die beiden großen Parteien Österreichs über Grundsätze einer gemeinsamen Außenpolitik einigen. Dies war in der Zeit der Koalition möglich, sollte aber neuerlich zum Ziel einer verantwortungsbewußten Staatspolitik werden. Man sollte daran denken, daß Österreichs Erfahrungen mit der Okkupation von 1938 verbunden sind mit der Erinnerung, daß sich die großen gesellschaftlichen Gruppen eben außenpolitisch nicht einig waren.

Illusionäres EWG-Arrangement

Ziel einer übereinstimmenden Aktion sollte es auf außenpolitischem Gebiet sein, stärkere Garantiesicherungen bei den Signatarmächten des Staatsvertrages zu erreichen. Es gibt nur eine Grenze Österreichs und die Abmachungen von Jalta wurderi 1955 durch den Staatsvertrag revidiert Eine Rückkehr zu den Grenzen der „Einflußsphären“ von Jalta ist untragbar und würde das Gleichgewicht in Europa empfindlich stören.

Ein Ziel der gemeinsamen Außenpolitik sollte es aber auch sein, nach Lösungsmöglichkeiten für den Süd- tirolkonflikt energischer denn je zu suchen. Wir brauchen in Österreichs geographischer Situation ein freund- schaftlich-verbundenes westliches Europa hinter uns.

Die Veränderung des Status quo für Österreich hat auch zum Inhalt, daß nach Prag jedes, den Sowjets nicht akzeptables Arrangement mit der EWG Illusion ist. Man hat in der EWG-Politik immer wieder dem sowjetischen Bären unter das Hemd sehen wollen, ob er etwa doch keine Konsequenzen ziehen würde, sollte Österreich nach Brüssel gehen.

Aber die Sowjets haben praktisch nie einen Zweifel daran gelassen, daß eine „Beteiligung“ an der EWG mit der Neutralität unvereinbar sei. Österreich wird schwerlich länger diskutieren können, was „Beteiligung“ sei.

Die Konsequenz eines Abschieds von der Idee der Assoziation in Brüssel hat handgreifliche wirtschaftliche Folgen. Die Zollmauern müssen daher durch eine leistungsfähige Wirtschaft übersprungen werden, jedes Loch muß durch eine geschickt? Exportpolitik .genützt, jede Chance am EFTA-Markt gewahrt werdem,- 2

Vielleicht kann man auch die Einsicht des westlichen Europa anstreben, daß Österreich eine gewisse „Sonderbehandlung“ in handelspolitischer Hinsicht verdient.

So ist Bestandteil einer „moralischen Aufrüstung“ Österreichs ohne Zweifel auch die Steigerung unserer Wirtschaftskraft. Nur durch ein

höheres Nationalprodukt und durch ein höheres Steueraufkommen, das Fleiß, Beweglichkeit und Aufgeschlossenheit voraussetzt, können wir auch jene Budgetposten besser dotieren, deren Notwendigkeit uns in den letzten Tagen vor Augen geführt wurde: Bundesheer und Exekutive, aber auch Zivilschutz und Verkehrswesen. Die Budgetverhandlungen im September und Oktober werden daher bereits den Beweis liefern, ob die Sozialgruppen zu Konzessionen im nationalen Interesse ,bereit.,sįnd Äafewi.j A

Nahziel sollten aber auch legisti- sčhe Maßnahmen für den Notstand und eine notwendige Verbesserung im Bereich der Ausbildung der Soldaten sein. Die Regierungspartei hat daher jetzt die Chance, ihren angekündigten Arbeitskreis für Wehrpolitik darauf abzustimmen. Das gleiche gilt für die in Vorbereitung stehende Bundesheer-Enquete der SPÖ.

Jahre dauerten die Beratungen dieses Gremiums, bis Ende 1966 endlich der Allgemeine Teil des Entwurfes zur Begutachtung versandt werden konnte.

Ein weiteres Jahr verstrich, bis die eingelangten Anregungen verarbeitet waren und mit dem besonderen Teil begonnen werden konnte. Schließlich ging Ende April 1968 auch dieser Abschnitt der neuen Gewerbeordnung in das Begutachtungsverfahren, wobei für die Abgabe der Stellungnahmen eine Frist bis

30. September 1968 eingeräumt worden war.

Rechtsbereinigung angestrebt

Mit dem dicken Wälzer, in dem die Juristen des Handelsministeriums die künftigen Bestimmungen des neuen Gewerberechtes zusammengefaßt haben, werden zugleich mehrere Ziele angepeilt. Zunächst soll die heute noch gültige Gewerbeordnung des Jahres 1859 (!) mit ihren fast 50 Novellen, um sämtliche gewerberechtlichen Nebengesetze und Verordnungen ergänzt und den modernen wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt werden. Hand in Hand damit ist eine Durchforstung der Gewerbekategorien geplant. Hier wird es zu Verschiebungen, Neueinordnungen, für einzelne Sparten aber auch zur Entlassung aus dem Korsett der Gewerbeordnung kommen. Die kleine Zahl sogenannter „freier Gewerbe“, die man ohne be-

sondere Voraussetzungen ausüben darf, sofern man 26 Jahre alt und unbescholten ist, wird demnach etwas größer werden. Getrübt wird die Freunde darüber indessen durch den Plan, einige bisher als „frei“ geltende Gewerbe nun in die Gewerbeordnung. einzubeziehen und damit an den Gewerbeschein zu binden.

Warmes vom Delikatessenhändler

Bedeutend erweitern will man indessen die Ausübungsrechte der Gewerbetreibenden, um ihnen eine zeitgemäße, nicht zu eng umgrenzte Kundenbetreuung zu ermöglichen. So werden etwa die Delikatessenhändler berechtigt sein, künftig auch gewisse warme Speisen anzubieten. Es werden also besonders groteske Abgrenzungen zwischen artverwandten Berufsgruppen wegfallen. Solche hemmende Schranken gibt es nämlich in großer Zahl etwa Zuckerbäckern und Bäckern, oder bei Schlossern und Spenglern, zwischen der Fremdenverkehrsbranche, wo ein Betrieb gleich einen Rattenschwanz von Gewerbescheinen braucht, um dem Gast von der Beherbergung, über 'die Verpflegung hinunter bis zur Garage das notwendige Service bieten zu können.

Gehoben soll auch die berufliche Mobilität durch die Einführung von Zusatzprüfungen werden, deren Ablegung dazu berechtigen wird, verwandte Handwerke auszuüben.

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