UNO-Zuckerbrot und Peitsche

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Kofi Annan will seine uno reformieren, und hat dabei nicht nur die Bedenken von Friedensforschern gegen sich.

Ein Freispruch für Kofi Annan, trotzdem ist der un-Generalsekretär in der Korruptionsaffäre um das Irak-Hilfsprogramm der Vereinten Nationen keineswegs unbeschadet geblieben. Die Untersuchungskommission präsentierte letzte Woche ihren Endbericht und rügte Vater Kofi Annan, dass er Sohn Kojo Annans Anstellung bei einer Schweizer Firma nicht genügend beachtet habe - obwohl diese Firma einen Großauftrag im Rahmen des "Oil for Food"-Programms erhalten hat. Außerdem wirft die Untersuchung Annan vor, schwerwiegende Defizite in der un-Bürokratie übersehen zu haben.

Hier werde versucht, "eine Ikone zu demontieren", verteidigt Franz Baumann seinen Chef. Eine "empörende Ungerechtigkeit" nennt der stellvertretende Generaldirektor der uno in Wien die "Hatz auf Annan". Besonders ärgert Baumann, dass "im lauten Getöse dieser überzogenen Beschuldigungen", Annans Reform der Vereinten Nationen völlig untergeht.

"Minenhund" Annan

Wie ein "Minenhund", sagt Baumann, habe Annan, die Möglichkeiten für eine politische und strukturelle Reform der 1945 gegründeten Staatenorganisation sondiert - "herausgekommen ist ein sehr fein austariertes, mit viel Herzblut verfasstes Dokument, in dem von allen Staaten etwas gefordert wird, in dem für alle Staaten aber auch viel drin ist" (siehe Zusammenfassung der Reformpunkte auf der nächsten Seite). Baumann vergleicht die Reformvorschläge mit einer Brücke, "bei der man sich nicht nur die Steine herauspicken kann, die einem gefallen" - "90 Prozent oder gar nichts" lautet deshalb die Warnung des Wiener uno-Spitzenbeamten an die Vertreter der 191 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, die im kommenden September über Annans Vorschlag abstimmen werden.

Eine "multilaterale Politik von Zuckerbrot und Peitsche, von Geben und Nehmen" nannte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Kofi Annans Kalkül. Schon der Titel des Papiers "In größerer Freiheit" schafft eine sichtbare Nähe zu us-Präsident George W. Bushs Freiheitsagenda und auch Annans Vorschlag einer Antiterrorismus-Konvention wird in den usa auf offene Ohren stoßen. Weniger erfreut dürften Washington und andere Hauptstädte der westlichen Welt über die Forderung sein, endlich ihre Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufzustocken - als Belohnung winkt Annan aber Deutschland, Japan und anderen Staaten mit einem ständigen Sitz im un-Sicherheitsrat.

"Nur Sekretär, nicht un-General"

In der Reform des Sicherheitsrates enthält sich Generalsekretär Annan einer klaren Haltung, präsentiert zwei Vorschläge, weil er die Mitgliedsländer in dieser sensiblen Frage nicht provozieren wolle. "Annan ist nur der Sekretär, nicht der General der Vereinten Nationen", sagt Franz Baumann, für den mit einer Vergrößerung des Sicherheitsrates nicht unbedingt dessen Stärkung einhergeht. Um die Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen zu garantieren, muss es Möglichkeiten geben, "an einem durch Veto gelähmten Sicherheitsrat vorbei zu handeln", fordert Baumann und sieht dieses Anliegen in Annans Konzept über verbotene oder erlaubte Präventivschläge verwirklicht.

Keine Zivilgesellschaft in der uno

Für den Frankfurter Friedensforscher Ernst-Otto Czempiel ist die Reform des Sicherheitsrats "mehr eine Formalität und ein Prestigeprojekt einiger Regierungen", aber nicht die primäre Herausforderung bei der Neuausrichtung der Vereinten Nationen. Die Parlamentarisierung der Generalversammlung wäre viel wichtiger, sagt Czempiel. Bevor er jedoch diesen Punkt ausführt, will er noch rasch seinen "Hauptzweck der uno" loswerden: Absoluten Vorrang soll die uno der Prävention von Konflikten einräumen - trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse passiere das immer noch zuwenig, und auch Annan thematisiere die Konfliktvorbeugung nur am Rande, kritisiert Czempiel.

Doch zurück zu Czempiels Forderung, die un-Generalversammlung umzugestalten: Heute repräsentiert dieses Gremium allein die Regierungen, sagt Czempiel, die vielen anderen gesellschaftlichen Akteure besitzen in diesem angeblichen Weltrat aber weder Sitz noch Stimme. Der Doyen der deutschen Friedensforschung tritt deswegen dafür ein, dass der Generalversammlung eine parlamentarische Kammer hinzugefügt wird. Für die konkrete Umsetzung dieser uno-Demokratisierung, gebe es jede Menge Vorschläge, sagt Czempiel, "doch die Regierungen wehren sich hartnäckig, von ihrer Macht abzugeben". Als Ersatz für ein demokratisch legitimiertes Gremium, will die uno ein Büro einrichten, um der Zivilgesellschaft Gehör zu verschaffen - für Czempiel nur "blanker Hohn".

uno beraubt sich ihres Militärs

Auch Werner Ruf, Professor für Internationale Politik an der Uni Kassel, lässt kaum ein gutes Haar an der uno-Politik und fordert dazu auf, Annans Reform "sehr, sehr gründlich zu lesen." Warum? "Man kann da einige unliebsame Überraschungen erleben", sagt Ruf: Unter anderem schlage Annan die Streichung von Artikel 47 der Satzung der Vereinten Nationen vor, gibt er zu bedenken. Besagter Artikel regelt die Einrichtung des un-Generalstabsausschusses, der für die strategische Leitung der Blauhelmtruppen zuständig ist. Mit der Auflösung dieser Militärstelle beraubt sich die uno aber ihrer Möglichkeiten, militärische Einsätze unter der Autorität des Sicherheitsrates durchzuführen, warnt Ruf. Die Vereinten Nationen sind dann auf die Militärs der Mitgliedsstaaten angewiesen, die "als Subunternehmer für die uno ins Gefecht ziehen". Von einem echten Multilateralismus könne keine Rede mehr sein, "denn die uno setzt damit selbst den bedenklichen völkerrechtlichen Trend der letzten Jahre fort: die Schwächung ihres eigenen Machtmonopols".

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