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Die Geschichte einer langen Enttäuschung
UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali ist in der islamischen Welt unbeliebt. Sind die Moslems UNO-müde?
UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali ist in der islamischen Welt unbeliebt. Sind die Moslems UNO-müde?
In der islamischen Welt scheinen die Vereinten Nationen an Faszination verloren zu haben. Fern sind die Zeiten der großen Triumphe, als es immer wieder gelang, Mehrheiten für eine Verurteilung Israels zu finden und Beschlüsse zu Gunsten der Palästinenser durchzubringen. Allein hätten die islamischen Staaten das nie zuwege gebracht, aber es gab ja die häufigen Zweckbündnisse mit dem Sowjetblock.
Dank dieser Stütze war es möglich, Zionismus mit Bassismus gleichsetzen zu lassen. Bezeichnenderweise mußte diese Verurteilung vor wenigen Jahren rückgängig gemacht werden.
Es gab auch Zeiten, als ernsthaft in Erwägung gezogen wurde, eine Ge-gen-UNO aufzuziehen. Das ging zwar nicht auf eine rein-islamische Initiative zurück, sondern war ein Anliegen revolutionärer Staaten der Dritten Welt, doch war die Mehrheit der Bevölkerung in den radikalen Staaten der Blockfreien moslemisch.
Heute ist von jenen Forderungen nicht mehr die Rede, auch nicht von der Verlegung des UNO-Hauptquar-tiers aus dem jüdisch-dominierten
New York. Zur Zeit wird das amerikanische Judentum von vielen Seiten hofiert. Jeder sieht in ihm den Schlüssel zum Herrschaftssitz.
Ansonsten ist das Bild der Vereinten Nationen überwiegend negativ, hauptsächlich wegen des Bosnien-Konflikts, aber auch wegen Somalia und Ruanda. Es besteht ein weitverbreitetes Gefühl der politischen Ohnmacht: Es wird ja doch alles von der Clique der Großen bestimmt.
Kein UNO-Generalsekretär ist in der islamischen Welt jemals so unpopulär gewesen wie der Ägypter Boutros-Ghali. Man hält ihn für einen perfiden Anti-Moslem und trachtet ihm nach dem Leben. Seine Äußerungen zu Bosnien werden ihm nicht vergeben, dafür sorgt schon die proserbische Einstellung seiner Vertreter in Sarajewo.
Andererseits muß jedoch betont werden, daß die UNO-Müdigkeit nur Teil eines generellen Phänomens ist. Auch die OIC (Organisation Islamischer Staatskonferenzen) hat an Dynamik verloren, und mit der Arabischen Liga ist es so gut wie vorbei.
Mit Khartum als ihrem Zentrum haben die Islamisten deshalb eine neue Organisation aufgebaut, eine Art Islamistischer Internationale, genannt Arabisch-Islamischer Volkskongreß.
Kein einheitlicher politischer Wille
Einen pfundigen Grund zur Beschwerde über die Vereinten Nationen haben die islamischen Staaten eigentlich nicht; denn es stünde ja in ihrer Macht, doch einen gewissen Einfluß auf UN-Beschlüsse auszuüben. Das wahre Problem liegt sicher mehr in dem Unvermögen, Vorstellungen von islamischer Einheit konkret durchzusetzen.
Während des Afghanistan-Kriegs machten sich einige islamische Staaten in den Vereinten Nationen stark, mit dem Besultat, daß eine Rekordzahl von Stimmen eingebracht wurde, um die sowjetische Aggression zu verurteilen.
Doch der Wurm war selbst damals schon drin: sechs arabische Staaten stellten sich auf die Seite der Sowjets, gegen ihre moslemischen Glaubensbrüder.
Gäbe es in .der islamischen Staatenwelt den nötigen politischen Willen, dann hätten sie John Major längst ein Ultimatum gestellt, sich von seinem Busenfreund Milosevic zu lösen und im Sicherheitsrat eine pro-bosni-sche Haltung zu beziehen. Wirtschaftlich ist kein europäischer Staat so sehr vom guten Willen moslemischer Regierungen abhängig wie England.
In den Vereinten Nationen ist jedoch seitens der moslemischen Staaten nie auch nur ein Schritt in diese Richtung gesetzt worden. So ist die Enttäuschung über die UNO im Grunde genommen ungerechtfertigt. Ein Zauberpferd namens UN wird es nie geben. Die Vereinten Nationen können immer nur das sein, was die Völkerfamilie daraus macht.
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