Es war wie ein Crash-Kurs in Welt-erfahrung: Gut 35 Jahre sind vergangen, seit sich Kurt Waldheim nach einem Jahrzehnt als UNO-Generalsekretär dazu entschloss, die Erfolge und Enttäuschungen seiner Amtszeit in Buchform festzuhalten. Wochenlang haben wir uns damals gemeinsam ans Formulieren gemacht. Mehrfach war ich zuvor mit ihm in der Welt unterwegs gewesen und hatte miterlebt, welch unterschiedliches Ansehen die Vereinten Nationen weltweit genossen: Staaten wie die USA sahen den Generalsekretär bestenfalls im Rang eines Außenministers; Entwicklungsländer aber feierten ihn wie den „König der Welt“.
Niemand wusste zum Zeitpunkt unserer Buch-Arbeit von der Schlamm-Lawine, die bald, im Präsidentschafts-Wahlkampf 1986, über Waldheim niedergehen würde. So fand sein Bilanzbuch („Im Glaspalast der Weltpolitik“) international Zustimmung. Auch von jenen, die sich als Ankläger melden sollten.
Abend für Abend ließen wir damals ein dramatisches Jahrzehnt wieder aufleben: Da waren noch der Ost-West-Konflikt und der Todeskampf des Kolonialismus. Auch die Kriege um Israel, den Libanon, um Zypern, den Golf und Afghanistan. Da waren Khomeinis islamische Revolution, Terror und Geiselnahmen, auch Millionen Hungernder und Flüchtender. Abrüstung war ein zentrales Thema, atomar und konventionell – vom Meeresboden bis in den Weltraum. Und überall war die UNO ein Teil des Ringens vor und hinter den Kulissen – politisch und humanitär.
Gemeinsames Interesse am Frieden
Ist die Weltorganisation solch gewaltigen Aufgaben längerfristig gewachsen, fragte sich Waldheim. Und war überzeugt: Wenn die Menschheit überleben wolle, müssten die Nationen lernen, innerhalb eines pluralistischen Weltsystems zu leben – verbunden durch ein gemeinsames Interesse am Frieden und an menschenwürdigen Lebensbedingungen für alle. Das aber würde die UNO zum wichtigsten Instrument unseres Überlebenswillens machen.
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