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Der „Wiener Schmäh“ und die UNO

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Während Österreichs Karriere-Diplomat Nummer 1, Kurt Waldheim, mit seiner per acclamationem durch die UN-Generalversammlung bestätigten Wiederwahl zum Generalsekretär der Vereinten Nationen persönliche Triumphe feierte, hatten Österreichs Beamte im Außenministerium auch allen Grund, sich zu freuen und ihre Politik bestätigt zu sehen: Waldheims Erfolg ist zu einem guten Teil sicher auch darauf zurückzuführen, daß es dem kleinen Land Österreich mit bescheidenen Mitteln und aus einer bescheidenen Position heraus sehr wohl gelungen ist, innerhalb der - sicherlich oftmals kritisierten - Völkerrechtsgemeinschaft großes Vertrauen entgegengebracht zu bekommen.

Immer wieder wird die Frage gestellt, warum denn die Österreicher an New Yorks East River so gern gesehen werden, warum in der Chefetage, des UNO-Glaspalastes, wie die Frankfurter Allgemeine herb bemerkte, die deutsche Sprache eher in der Form des Wiener Dialektes gepflegt wird: Ist es Österreichs Neutralitätsstatus, der so oft die Aufgaben eines Schiedsrichters einträgt? Ist es die fundierte AusbiU dung der österreichischen Diplomaten? Oder ist es ganz einfach der Wiener Schmäh, gepaart mit improvisatorischem Geschick? Nach Meinung der Außenamts-Mannschaft am Ballhausplatz scheint das Geheimnis-wie so oft - in der guten Mischung aus all diesen Talenten und Kriterien zu liegen.

Österreichs Außenpolitik und damit auch Österreichs UN-Politik seit seiner Aufnahme in die Vereinten Nationen im Spätherbst 1955 haben ganz entscheidend das Gesicht gewandelt: War Österreichs UN-Diplomatie noch Ende der fünfziger Jahre gekennzeichnet durch zögerndes, vorsichtiges Abwarten und durch neutralitätspolitisch begründetes Fernbleiben vom Konflikt, so hat Österreich heute bereits einen nicht unwesentlichen Part im Rahmen der Diplomatie der „friedlichen Koexistenz“ übernommen. Seinen Neutralitätsstatus scheint Österreich neuerdings nicht als außenpolitischen Maulkorb, sondern im Gegenteil als völkerrechtlich fundierten Auftrag zu einer aktiven, friedenserhaltenden und friedensvermittelnden Außenpolitik zu verstehen.

Freilich ist es gerade für Österreich nicht leicht, angesichts einer bewußt aktiven Außenpolitik die durch die Neutralität gesetzten Grenzpfähle nicht zu überschreiten. Aktive Außenpolitik darf nämlich nicht heißen, den Streitteilen irgendwo in der Welt nachzulaufen, sich aufzudrängen. Die Maxime, Zwangsbeglückung der Konfliktspartner erst gar nicht zu versuchen, zählt zu den obersten Geboten österreichischer Vermittlungsdiplomatie.

Bereits am Rande der österreichischen Neutralitätspolitik bewegte sich die nach eingehender Überlegung erfolgte Zustimmung zu den Sanktionsmaßnahmen gegen Rhodesien. Österreichs Diplomatie hat zu diesen Sanktionen freilich nur generell zugestimmt, unter dem Vorbehalt, jede einzelne konkrete Sanktion noch prüfen zu wollen. Auch Südafrika ist ein ähnlicher Fall: Bei Resolutionen, die zu Gewaltmaßnahmen zur Beendigung der Apartheid-Politik aufrufen, glänzte Österreich durch Abwesenheit, um nicht zum Advokaten eines Rassenkrieges zu werden. Ansonsten versuchte man, keinen Zweifel daran zu lassen, daß auch aus österreichischer Sicht die Apartheid eine ungeeignete Politik ist, gegen die internationaler Druck mobilisiert werden sollte. i

Aufbauend auf den Gedanken der friedlichen Koexistenz, der übrigens als originärer Bestandteil sowjetischer Ideologie und Strategie stets mit Vorsicht zu genießen ist, ist nun Österreich auf dem Wege, sich nach New York und Genf zur dritten UN-Stadt zu mausern.

Was in den letzten Jahren für manche deftige Szene in Österreichs Parteien-Landschaft gesorgt hat. Bei aller Kritik und allen möglichen Fehlplanungen scheint aber die Hoffnung berech-, tigt, mit den wahrlich unwienerischen Bürotürmen an der Donau einen international stabilisierenden Faktor mehr in Österreich zu haben.

Wenn wir heute die Uhren auf das Jahr 1981 vordrehen, dann steht wieder eine Generalsekretärswahl vor der Tür. Und dann war dieses hohe Amt 26 Jahre in Händen von Europäern, zehn Jahre wird ein Asiate regiert haben. Daß dann fast hundertprozentig ein Afrikaner oder Südamerikaner zum Zug kommt, ist noch kein Anlaß zu Pessimismus. Wohl aber könnte man sich in Österreich und Europa eine von Waldheim konsequenter betriebene, eine um einen Strich mehr staatsmännisch - pardon: weltmännisch - betriebene UN-Politik erwarten. Die Zwangsjacke des Erfolges, der unbedingte Ehrgeiz zur Wiederwahl, sind vermutlich weggefallen. Und hoffentlich auch das Bestreben aus Gründen der Courtoisie selbst vor Idi Amin das diplomatische Buckerl zu machen.

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