USA sind zum Krieg entschlossen

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Als UN-Generalsekretär ist Kurt Waldheim oft als "Feuerwehrmann" bei internationalen Krisen aufgetreten. Als Bundespräsident hat er mit Saddam um das Leben österreichischer Geiseln gerungen. Ein Furche-Gespräch über den Irak-Krieg und das amerikanisch-europäische Verhältnis.

Die Furche: Wie kann man gegen den drohenden Irak-Krieg sein - ohne damit auf der Seite eines blutrünstigen Diktators zu stehen?

Kurt Waldheim: Das ist die Frage, die derzeit die ganze Welt beschäftigt. Natürlich wollen wir alle Despoten dieser Art entmachten; dass das nicht so einfach ist, erleben wir in der Irak-Krise wieder einmal. Aber gerade wir Europäer haben unter dem Krieg fürchterlich gelitten. Wir haben den Krieg, im Unterschied zu den Amerikanern, auf eigenem Boden erlebt. Das ist auch der Grund, warum wir bei diesem Thema sehr empfindlich sind.

Die Furche: Glauben Sie, dass sich die USA von den Bedenken Europas beeindrucken lassen werden?

Waldheim: Die Amerikaner haben sich entschlossen, militärisch vorzugehen, das können sie nicht ewig hinausschieben. Ich glaube nicht, dass der Entscheidungsprozess ewig weitergehen kann. Kein Land - auch nicht das mächtigste - kann es sich leisten, den dauernden Drohungen keine Aktionen folgen zu lassen.

Die Furche: Fürchten die USA, sie würden bei einem Rückzieher im Streit mit dem Irak das Gesicht verlieren?

Waldheim: Natürlich fürchten sie unglaubwürdig zu werden. Die ganze Zeit haben sie den Krieg gepredigt, den können sie jetzt nicht mehr so einfach abblasen.

Die Furche: Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass Bush & Co. durch die Aufrechterhaltung des militärischen Drucks ans Ziel kommen?

Waldheim: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Lösung für das erklärte Ziel der USA bringt, Saddam los zu werden. Die Naivität zu glauben, Saddam werde angesichts des amerikanischen Aufmarsches in ein fremdes Land flüchten, ist ein Unsinn. Der wird das Land nicht verlassen, der gibt nicht auf.

Die Furche: Warum wird eigentlich beim Irak und bei Nordkorea mit so unterschiedlichem Maß gemessen?

Waldheim: Eine groteske Situation, dass dieser bis an die Zähne bewaffnete asiatische Kleinstaat der Supermacht droht. Doch die Amerikaner wollen jetzt keine zweite Front aufmachen. Das Problem mit Nordkorea ist einfach zum falschen Augenblick für die Amerikaner gekommen. Aber auch Kim Jong Il hat nicht unbeschränkt Narrenfreiheit.

Die Furche: Ein Präventivschlag wäre ein Bruch des Völkerrechts. Kann es dafür Ihrer Ansicht nach eine Legitimation geben?

Waldheim: Da scheiden sich die Geister. Wir erleben hier eine Konfrontation zwischen zwei Modellen des Völkerrechts: auf der einen Seite die europäische, traditionelle Variante, die jeden Präventivschlag ablehnt; dagegen steht die amerikanische Position, die sich bemüht, das Völkerrecht zu "adaptieren" und bereits den Terrorismusverdacht als Begründung für einen Präventivkrieg zu akzeptieren.

Die Furche: Wie sehen Sie selbst die Sache: Handelt es sich um eine Weiterentwicklung, Aktualisierung des Völkerrechts - oder um dessen scheibchenweise Demontage?

Waldheim: Für mich ist es Zweiteres. Neben dem Terrorismusargument kommt auch noch eine kräftige Portion US-Machtpolitik dazu. So etwas war früher, zu Zeiten der Bipolarität zwischen Ost und West, undenkbar. Heute aber sind die USA nun einmal die einzige verbliebene Supermacht.

Die Furche: Zeigen die Demonstrationen gegen den Irak-Krieg nicht auch noch eine zweite Supermacht: die Weltöffentlichkeit?

Waldheim: Die Menschen, die gegen den Krieg auf die Straße gehen, üben gewiss einen ungeheuren Einfluss aus - keinen praktischen, aber einen psychologischen. Doch de facto werden die Großmächte jene Entscheidung treffen, die ihnen richtig scheint.

Die Furche: Unterstützen die Demonstrationen auch die UNO?

Waldheim: Meine Erfahrung ist: Regierungen lassen sich auch von solchen eindrucksvollen Manifestationen nicht von ihrer Position abbringen.

Die Furche: Würden die Vereinten Nationen im Fall eines Kriegs ohne UN-Mandat geschwächt dastehen?

Waldheim: Kommt es zu einem Irak-Krieg ohne entsprechende UN-Resolution, dann ist das natürlich eine Schwächung der UNO. Aber die Vereinten Nationen haben sich in dieser kritischen Situation bislang sehr gut gehalten. Wieder einmal erweist sich, wie wichtig die Vereinten Nationen als ruhender Pol sind. Die Leute sind falsch beraten, wenn sie denken, dieser Verein redet nur, kann aber nichts ausrichten.

Die Furche: Sie sprechen da ja auch aus persönlicher Erfahrung ...

Waldheim: Ich habe immer wieder erlebt, dass auch Großmächte daran interessiert sind, ein Mandat von den Vereinten Nationen zu bekommen. Auch Großmächte sind empfindlich gegenüber Kritik seitens der internationalen Gemeinschaft und wollen, so wie die Amerikaner in dieser Kardinalsfrage jetzt, dass die UNO, wenn irgend möglich, auf ihrer Seite steht.

Die Furche: Die Beziehungen zwischen Europa und den USA sind in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Wird sich diese Kluft wieder schließen lassen?

Waldheim: Zweifellos steckt dieses Verhältnis in einer großen Krise. Es wäre sicher falsch, die Augen vor den Schwierigkeiten zu verschließen und so zu tun, als ob das keine Gefahr wäre. Andererseits soll man die momentanen Differenzen nicht übertreiben. Solche Krisen im transatlantischen Verhältnis hat es immer wieder gegeben.

Die Furche: Gibt es Ihrer Meinung nach auch tiefer sitzende, historisch weiter zurück reichende Ursachen für dieses Zerwürfnis?

Waldheim: Solange noch die Bipolarität zwischen West und Ost bestanden hat, war die Gegner-Partnerschaft von vornherein eine ganz andere. Diese Balance gibt es nicht mehr. Allein aus diesem Grund sind ideologische oder machtpolitische Differenzen heute leichter möglich. Aber nochmals: Solche Krisen gehen vorüber. Es ist keine Katastrophe, nur weil es einmal ein wenig schwieriger läuft.

Die Furche: Wie kommen wir aus der Krise wieder heraus?

Waldheim: Wir Europäer sollten uns auch selbst an die Brust klopfen, denn wir "glänzen" durch Uneinigkeit, Rivalitäten, Eifersüchteleien. Ich meine, beide Seiten müssen aufpassen und in ihren Ausdrucksweisen vorsichtiger sein. Wichtig wäre auch zu überlegen: Was ist dem Anderen zumutbar? Oft sind es ja nicht nur hehre Ziele, sondern nationale Interessen, die eine Rolle spielen.

Die Furche: Es treten auch innerhalb Europas deutliche Bruchlinien hervor - Stichwort: "altes" und "neues" Europa ...

Waldheim: Für die Reformländer Osteuropas ist Amerika der Hort der Freiheit schlechthin, während mit manchen europäischen Mächten historische Belastungen bestehen. Die Osteuropäer fragen sich: Wer ist der wirkungsvollste Freund? Und da haben die Amerikaner halt ein großes Plus.

Das Gespräch führten Wolfgang Machreich und Rudolf Mitlöhner.

Donau-Wasserratte, UN-Generalsekretär, Bundespräsident

In seiner Jugend sei er, 1918 in St. Andrä-Wördern an der Donau geboren, eine "richtige Wasserratte" gewesen, erzählt Alt-Bundespräsident Kurt Waldheim im Gespräch mit den Furche-Redakteuren. Gemeinsam mit seinem Bruder sei es ihm sogar gelungen, die Donau stromaufwärts zu segeln... Mit starken Gegenströmungen fertig zu werden, diese Fähigkeit konnte Waldheim sein Leben lang nutzen - er, der wie kaum ein anderer die Höhen und Tiefen nationaler wie internationaler Politik erfuhr: Waldheim war von 1972 bis 1981 unumstrittener UNO-Generalsekretär, die Bekanntgabe seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten im November 1985 löste dann die "Affäre Waldheim" aus - jene mit kaum für möglich gehaltener Heftigkeit auch international geführte Debatte über Waldheims Kriegsvergangenheit, die Österreich nachhaltig verändern sollte. In seiner Abschiedsrede als Bundespräsident sagte Waldheim, dass es zu Beginn seiner Amtszeit "zu einer Form der politischen Auseinandersetzung gekommen ist, die in diesem Land nie wieder passieren darf". Er bedauerte, "unter dem Druck massiver und für mich vielfach verletzender Angriffe nicht immer jene Worte gefunden zu haben, die meinem Leben und meinen Gefühlen, dem Schicksal meiner Generation und meiner Heimat, aber auch der Größe der Verbrechen von damals gerecht wurden". Als größtes Erfolgserlebnis seiner Amtszeit bezeichnet Waldheim - und damit schließt sich der Kreis zur Gegenwart - seine Initiative vom August 1990, durch einen persönlichen Besuch bei Saddam Hussein in Bagdad die Befreiung österreichischer Geiseln erwirkt zu haben.

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