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KURT WALDHEIM EIN MANN OHNE FEINDE

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Schon nach kurzer Zeit der Tätigkeit als österreichischer Botschafter bei den Vereinten Nationen stieg er zum Vorsitzenden des Weltraumausschusses auf, der als einziger lange Zeit konkrete Ergebnisse präsentieren konnte. Russen und Amerikaner lernten den Vollblutdiplomaten Waldheim nicht nur als fast perfekten Vermittler kennen, sondern fanden Waldheim auch durchaus befähigt, die Stelle des Generalsekretärs der UNO einzunehmen. Denn als U Thant Resignationsabsichten äußerte, gab es in New York eine echte Pro-Waldheim-Lobby, obwohl in Wien Exminister Dr. Kreisky von der inländischen Presse erheblich mehr Vorschußchancen zugesprochen erhielt.

Waldheims eher nüchternes, ja manchmal „unwienerisches" Wesen sagt nichts über seine Fähigkeit zum Ausgleich und zur Vermittlung aus. Aber nicht nur sein Wesen ist dem Klischee vom Österreicher nicht verhaftet, auch seine Karriere hatte durchaus unösterreichische Rasanz.

Der geborene Niederösterreicher schloß noch im Krieg sein juridisches Studium ab; 28jährig trat er in den auswärtigen Dienst ein und stieg auf der Stufenleiter der Diplomatie über Paris, New York, Ottawa und schließ- lich wieder New York nach oben. Unter Außenminister Figl leitet Waldheim zwischendurch auch die Personalabteilung im Bundeskanzleramt und war von 1960 bis 1965 Leiter der politischen Sektion des Außenamtes.

So hat auch der heutige Oppositionschef Dr. Kreisky an seinem früheren Beamten kaum etwas auszusetzen: Im Gegensatz zur Oppositionsstrategie begrüßte er den neuernannten ÖVP-Minister und hob sogar dessen Verdienste offen hervor. Es fällt auf, daß Waldheim auch im ersten halben Jahr seiner Ministerschaft weder von den Abgeordneten der Opposition noch von der sozialistischen Presse angegriffen wurde. Der Mann ohne Feinde hat sich aber auch im innerparteilichen Spiel der höchsten Ränge in der Volkspartei kaum Gegnerschaften zugezogen. Zwar fehlt es in der Volkspartei an präsumtiven Konkurrenten, weil es in der Parlamentsfraktion praktisch keinen einzigen versierten Außenpolitiker gibt, aber auch im Poker von Bünden und Ländern hat Waldheim noch nicht gepaßt. Und obwohl das geltende Kompetenzgesetz ihn nur mangelnden Spielraum läßt, fand er bei seinen Ministerkollegen auch in der gegenwärtigen unbefriedigenden Kompetenzverteilung Sachunterstützung.

Bei seinem Amtsantritt sprach Waldheim davon, daß für ihn die Fragen „EWG“ und „Südtirol" Vorrang hätten, daß aber auch die Beziehungen zum Osten ein echtes Anliegen seiner Ministerschaft wären. Zum „EWG-Mini- ster“ Mitterer fand Waldheim, so hört man, ein gutes Verhältnis. Und der „Greißlerpapst“ ist dankbar, wenn Waldheims geölte Diplomatenmaschinerie den Boden für konkrete Verhandlungserfolge pflügt.

So war Waldheims erster Kontakt zu einem EWG-Land nur ein vorsichtiger Abtastversuch; in Holland erkundete Waldheim das Klima der Sechsergemeinschaft.

Italiens neue Regierung wird Partner des nächsten Schachzuges des Wiener „Diplomatenministers“ sein. Man wird sehen, ob bei Leones Übergangskabinett mehr guter Wille vorhanden ist, als bei Moros „Linker Mitte“.

In Moskau hörte Waldheim freilich deutlich, daß sich an der Stellung des roten Riesen zu Wiens EWG-Bemühungen nichts geändert hat.

Aber aus Preßburg brachte Waldheim schon die ersten Früchte Wiener Zähigkeit nach Hause. Nach dem „Prager Frühling" wollen die Tschechen, trotz nachbarlicher Beziehungen nur mit einer Gesandtschaft in Wien vertreten, endlich über die strittigen Vermögensprobleme reden.

Aber der Mann ohne Feinde hat noch viele Pläne im Diplomatengepäck. Hoffentlich werden ihm diese Pläne nicht Feinde schaffen.

H.M.

Als am 18. Jänner 1968 ein schlanker, ja hagerer Mann das Haus Käntnerstraße 51 in Wien betrat, fragte der Portier, wohin der Herr denn wolle.

Eine Stunde später schon machte der von österreichischer Portiertradition Durchdrungene eine tiefe Referenzverbeugung: Der Hagere war gerade zum Außenminister der Republik vorgeschlagen worden.

Kurt Waldheim war aber nicht nur dem Dienstpersonal der Bundesparteileitung der ÖVP persönlich unbekannt, sondern auch den meisten „Alten Hasen“ der bürgerlichen Regierungspartei. Waldheim war für die Innenpolitik so etwas wie ein Märchenprinz, dessen Ruf über das weite Meer zur Legende geworden war.

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