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Waldheim und kein Ende? Ja — weil das Ende nicht der gegenwärtige Zustand unversöhnlicher Polarisierung und Simplifizierung sein darf. Und weil es endlich Zeichen einer Aufweichung der „Fronten“ und einer wachsenden Bereitschaft zur Differenzierung gibt.

Der Erzbischof von Lyon, Kardinal Henry Decourtray, der zusammen mit dem Pariser Kardinal Jean-Marie Lustiger die Waldheim-Visite beim Papst kritisierte, hat klargestellt: Es ging gerade in den Tagen des Barbie- Prozesses um ein Zeichen der „Verbundenheit mit den jüdischen Mitbrüdern“ — nicht um mehr. Danke.

Auch eine Pressestimme aus Frankreich ließ dieser Tage Vernunft anklingen. „Le Monde“, seit Jahr und Tag wahrhaftig nicht zimperlich im Anschwärzen Österreichs, ließ Joseph Ro- van verkünden: „Europa braucht Österreich“ — ungeachtet von „la stupide affaire Waldheim.“ Auch das tönt neu.

Dann die amerikanische Medienszene: Da tat ein Artikel des konservativen New Yorker Publizisten William F. Buckley wohl, der die Hysterie um den Waldheim-Besuch im Vatikan durchstieß: Daß damit der Papst nicht die Nazi-Scheußlichkeiten billigte, „sollte einem der Instinkt auf der Stelle eingeben.“ Erstaunlich sei die „Unsicherheit“ einiger Mitglieder der jüdischen US- Gemeinde.

Ähnliches Erstaunen befiel öffenbar den Europäischen Jüdischen Kongreß, der sich als Europa-Sektion des Weltkongresses versteht, aber zu dessen amerikanischen Praktiken Distanz hält:

Für Europas Juden, ließ man Bundeskanzler Franz Vranitzky wissen, „gilt das Rechtsprinzip, daß eine Person solange nichtschuldig bleibt, bis ein rechtmäßiges Urteil zu einem anderen Schluß kommt.“ Deshalb setze man auf eine „völlig unabhängige und fachkundig besetzte Kommission.“ Eine solche wird nun hoffentlich bald ans Werk gehen.

Besondere Genugtuung darf Österreich auch über eine Stellungnahme des einstigen Generalsekretärs im israelischen Außenministerium, Shlomo Avineri, empfinden. Der heutige Politologe an der Hebräischen Universität Jerusalem fand einige der amerikanischen Weltkongreßvertreter „maßlos, schlecht vorbereitet, schlagzeilensüchtig, unverantwortlich“. Die nicht konsultierten Juden Österreichs und Israels müßten den Preis dafür zahlen.

Unser Preis für solche Stimmen der Vernunft müßte respektvolle Zurückhaltung sein , und auch ÖVP- Generalsekretär Michael Graff sollte ihn zahlen.

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