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Ersatzkaiser gewünscht?

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Voraussichtlich am 24. April 1971 werden die Österreicher zur Wahl des Bundespräsidenten gerufen. Sollte die FPÖ — was sich erst im nächsten Frühjahr entscheidet — einen eigenen Kandidaten nominieren, dann kommt es, aller Wahrscheinlichkeit nach, zwei Wochen später zu einem zweiten Wahlgang, wenn nicht einer der Kandidaten die absolute Stimmenmehrheit erhält.

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Voraussichtlich am 24. April 1971 werden die Österreicher zur Wahl des Bundespräsidenten gerufen. Sollte die FPÖ — was sich erst im nächsten Frühjahr entscheidet — einen eigenen Kandidaten nominieren, dann kommt es, aller Wahrscheinlichkeit nach, zwei Wochen später zu einem zweiten Wahlgang, wenn nicht einer der Kandidaten die absolute Stimmenmehrheit erhält.

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Bei den Großparteien sind die Würfel gefallen: Die SPÖ zieht mit dem amtierenden Bundespräsidenten Jonas in die Wahlkampagne, und die Volkspartei hat nach langem Überlegen den Diplomaten Dr. Waldheim erkoren. „Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ meint dazu, daß „Kaisergläubigkeit“ den Sozialisten helfen werde: „Seit 1951 die direkte Wahl des Staatsoberhauptes eingeführt worden ist,1 hat noch jeder österreichische Präsident, der zum zweitenmal kandidiert, die Wahl gewonnen. Man sagt, das Residieren eines Bundespräsidenten in der traditionsschweren Wiener Hofburg erhebe bei der noch immor nachwirkenden Kaisergläubigkeit in der Masse der Österreicher die Person eines Staatsoberhauptes zum politischen Tabu.“

Welche Chancen hat nun Dr. Waldheim wirklich, wenn er sich der Wahl stellt? Zweifellos sind Bundespräsident Franz Jonas und Dr. Kurt Waldheim durchaus gegensätzliche Kandidaten: Franz Jonas, dessen politischer Aufstieg etwas an die amerikanische Story des kleinen Zeitungsjungen, der Millionär wird, erinnert, bemüht sich — nicht ohne Erfolg —, das Image des weltgewandten Staatsmannes zur Schau zu stellen; doch für den „kleinen Österreicher“ bleibt er ein Mann des Volkes, der er einmal als Setzer aus Floridsdorf war. Dr. Waldheim hingegen, der den Eindruck des unnahbaren und gewandten Diplomaten erweckt, ist ein Weltmann, der sich bemühen muß, den Kontakt zum „kleinen Mann“ erst zu finden.

Den Wahlstrategen der Parteien ist bereits klar: Beide Wahlkampagnen werden im Ausmerzen der jeweiligen Schwächen liegen. Jonas wird sich nicht nur an seine bescheidene Herkunft erinnern, sondern vor allem an seine staatsmännische Repräsentation, die er etwa beim Besuch der Königin von England oder anderer gekrönter und ungekrönter Häupter dieser Erde erfüllt hat. Ganz anders Waldheim: Der Diplomat wird sich — so plant die ÖVP — in die Gesellschaft von Arbeitern und Bauern begeben, wird freundliche Worte wechseln und soll sich einer einfachen Sprache bedienen. Besonders mit der Jugend soll er ins Gespräch kommen — sein 22jähriger Sohn Gerhard soll ein eigenes „Kontaktforum“ für Papa schaffen.

Was die Österreicher von einem Bundespräsidenten- erwarten, ist einfach zusammenzufassen: Er muß ein Mann sein, der sich vir Österreich einsetzt, ein erfahrener und gereifter Politiker, aber auch ein Diplomat. Keinesfalls legt man Wert darauf, daß er Alrademiker ist oder nicht. Zum objektiven Urteil aufgerufen, sehen die Österreicher sowohl Franz Jonas als auch Kurt Waldheim für gleich fähig an — ergibt eine (geheimgehaltene) Meinungsforschung der ÖVP.

Interessant ist — der Meinungsforschung zufolge — das Verhalten der freiheitlichen Wählerschichten, die, gleichgültig, ob nun ein eigener Kandidat nominiert wird oder nicht, vielleicht dem einen oder dem anderen die Stimme geben werden: Jonas würden 36 Prozent der FP-Wähler ihre Stimme geben, Waldheim 20 Prozent (18 Prozent hätten sich im Falle einer Kandidatur für Klaus entschieden). Noch ist kein Wahlkampf gekämpft. Derzeit allerdings würden — könnte man das Ergebnis der Umfrage bereits als gegebene Tatsache annehmen — sich 65 Prozent der Österreicher für Jonas und nur 28 Prozent für Waldheim entscheiden.

Noch besteht die Möglichkeit, daß sich zur „Kaisergläubigkeit“ das Gleichgewichtsdenken gesellt, das die Situation noch unübersichtlicher gestalten könnte, war es doch bisher immer der Ruf der Sozialisten, daß zu einem „schwarzen“ Bundeskanzler ein „roter“ Bundespräsident gehöre.

Fest steht im ÖVP-Wahlkomitee für Waldheim jedenfalls, daß man ihn „überparteilich“ verkaufen will. Das bedeutet: eigenes Büro, eigener Sekretär, kein Hinweis auf die ÖVP in allen Werbemitteln. Aber auch für Bundespräsident Franz Jonas soll Ähnliches vorbereitet werden. Auch er soll von einem „Komitee“ in Vorschlag kommen, die SPÖ will nur „organisatorische“ Hilfe leisten. Ein unpolitischer Wahlkampf also? Bis jetzt hat Waldheim erklärt, daß er seinen Gegenkandidaten nicht einmal angreifen will...

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