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Auftakt

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Am vergangenen Dienstag fiel der offizielle Startschuß zu den Bundespräsidentenwahlen 1965. Der Kandidat der ersten Regierungspartei, Altkanzler Dr. Gorbach, wurde, aus dem heimatlichen Wörschach kommend, in der Bundeshauptstadt von seiner Partei spektakulär empfangen. Am selben Tag nahm sein Widerpart, Bürgermeister — oder wie man jetzt gerne schreibt — Landeshauptmann Jonas, in der Wiener Stadthalle Abschied, um in den Bundesländern um Sympathien und Stimmen zu werben.

Zwei Männer stehen am Start. Und sie werden es bleiben. Der Entschluß der KPÖ, bei Präsidentschaftswahlen ungeschaut für den sozialistischen Kandidaten zu notieren, brachte keine Überraschung. Einiges Kopfzerbrechen gab es bei der FPÖ. Der Versuch einiger Wiener Kreise, den Vertreter Österreichs beim Europarat und ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Dr. Gredler beim Portepee zu nehmen, wurde nicht zur offiziellen Parteilinie erhoben, sondern den Parteifreunden die Wahl freigegeben. Die FPÖ erspart sich so nicht nur Geld, sondern auch Vorwürfe — von beiden Seiten. Und den zu erwartenden Betoeis eines weiteren Wählerschwundes obendrein. Die „Europäischen Föderalisten“ schauen diesmal ein, hat doch Otto Molden für sie die Parole einer „zweijährigen schöpferischen Pause“ ausgegeben. Und Franz Olah? Eine Zeitlang schien es, als ob er die Präsidentschaftswahlen zu einem Test für den ihm verbliebenen Anhang innerhalb und außerhalb der SPÖ benützen würde. Doch daraus ist nichts geworden. Gerüchte, die von einem „kleinen Frieden“ zwischen ihm und seinen ehemaligen Parteifreunden wissen wollten, erhalten dadurch neuen Auftrieb.

Es wird also keine Stichwahl notwendig sein. Am Abend des 23. Mai werden wir wissen, ob der neue Bundespräsident Alfons Gorbach oder Franz Jonas heißen wird.

Franz Jonas hat auf seiner Seite „die Tradition“ — eine ungebrochene Ahnenkette sozialistischer Bundespräsidenten seit 1945. Und die alte „Gleichgewichtstheorie“. Ob die Sozialisten sich nicht auf beide zuviel verlassen? Fast scheint es so. Schon die Auswahl ihres Kandidaten weist darauf hin. Der Wiener Bürgermeister ist bestimmt ein redlicher Mann, ihm mangelt aber jede stärkere persönliche Ausstrahlungskraft. Auch ist sein politisches Appeal in den Bundesländern bisher gering. Ganz zu schweigen davon, daß man auf die Gefühle der Katholiken keine Rücksicht nahm oder nehmen zu müssen glaubte. So darf man es ihnen nicht verübeln, wenn sie auch dieses Mal zu dem „arideren Stimmzettel“ greifen werden.

Dr. Gorbachs Ausgangsposition Ist nicht schlecht. Sie ist in der gegenwärtigen Situation auf jeden Fall besser als die aller anderen von der Volkspartei auf den Schild gehobenen Präsidentschaftskandidaten. Die VP-Propaganda ist gut in Form. Der Devise „Wie Renner, Körner, Schärf“ der Sozialisten hat sie mit dem Kampfruf „Einen Staatsmann wie Renner, einen Soldaten wie Körner, einen Juristen wie Schärf“ recht geschickt Paroli zu bieten verstanden.

Die Entscheidung aber — das Ist unsere feste Überzeugung — wird nicht, wie viele glauben, das Votum des Stammkaders der FPÖ bringen, sondern jene demokratische Mitte, die sich heute zwischen ÖVP und SPÖ aufgebaut hat. Zu starke Verbeugungen Dr. Gorbachs oder seiner Wahlhelfer nach rechts könnten diese, wenn auch unter Widerstreben, in die Abstinenz oder gar in Richtung Jonas drängen. Das gilt es zu bedenken.

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