Amtsantritt und Rücktrittsangebot

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Am 8. Juli wurde Bundespräsident Thomas Klestil für seine zweite Amtsperiode angelobt. Als kleine Nachlese dazu einige historische Anmerkungen zu den Ritualen rund um die Angelobungszeremonie.

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Am 8. Juli wurde Bundespräsident Thomas Klestil für seine zweite Amtsperiode angelobt. Als kleine Nachlese dazu einige historische Anmerkungen zu den Ritualen rund um die Angelobungszeremonie.

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Mit der Kundmachung des Wahlergebnisses hat der gewählte Bundespräsident das Recht auf das Amt erworben. Das Recht aus dem Amt und die Funktionsperiode beginnen erst mit der Angelobung vor der Bundesversammlung.

Die Gelöbnisformel ist schlicht und einfach: "Ich gelobe, daß ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde." Damit verspricht der Bundespräsident feierlich alle Gesetze einzuhalten, obwohl er nur wegen Verletzung der Bundesverfassung in Ausübung seiner Zuständigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof verantwortlich gemacht werden kann.

Von der durch die Novelle von 1929 ermöglichten Beifügung einer religiösen Beteuerung wurde von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger 1974 und 1980 Gebrauch gemacht. Er wählte die Worte "so wahr mir Gott helfe". Kurt Waldheim (1986) und Thomas Klestil (1992 und 1998) folgten seinem Beispiel.

Die Angelobung folgt einem seit der ersten Volkswahl 1951 ziemlich gleichbleibenden Ritual. Es beginnt mit der Festfanfare, darauf eröffnet der Vorsitzende der Bundesversammlung die Sitzung, begrüßt, bestimmt die Schriftführer und verliest die Gelöbnisformel. Der Bundespräsident spricht die Gelöbnisformel wörtlich nach und fügt eventuell eine religiöse Beteuerung bei. Dann stellt der Vorsitzende fest, daß die Angelobung vollzogen ist, die Versammelten, die sich vor der Verlesung der Gelöbnisformel von den Sitzen erhoben haben, nehmen die Plätze wieder ein, und daraufhin folgt eine Ansprache des Vorsitzenden. Erst dann hält der neue Bundespräsident seine Ansprache. Weder diese Antrittsrede noch die Ansprache des Vorsitzenden der Bundesversammlung sind in der Bundesverfassung vorgesehen. Die Konstitution wurde durch eine Konvention ergänzt.

Die Rede des Bundespräsidenten ist weder eine Inaugurationsrede wie die des amerikanischen Präsidenten, noch eine Regierungserklärung. Die Ansprache ist die Erklärung der Absicht, wie der Bundespräsident sein Amt auszuüben gedenkt. Wie ein rot-weiß-roter Faden durchzieht die Antrittsreden ein Bekenntnis zu Österreich, zur Demokratie, zum Miteinander und zur Zusammenarbeit. Die kürzeste Ansprache hielt von den volksgewählten Bundespräsidenten Theodor Körner, die erste längere hielt Franz Jonas 1965. Die Ansprache dauert im langjährigen Durchschnitt dreißig Minuten; die Tendenz ist eher steigend.

Auf die Ansprache des Bundespräsidenten folgt Applaus, der Dank des Vorsitzenden, manchmal ein Hoch, soweit es nicht schon vorher ausgesprochen wurde, und dann trägt ein Trompeterchor oder Bläserensemble die Bundeshymne vor. Sie wird, wie die Protokolle vermerken, "von den Anwesenden stehend mitgesungen". Dann erklärt der Vorsitzende die Sitzung der Bundesversammlung für geschlossen.

Das Ritual setzt sich dann am Heldenplatz und später in der Hofburg fort. Dort bietet nämlich die Regierung dem Bundespräsidenten aus Courtoisie ihren Rücktritt an. Das ist deshalb bemerkenswert, weil nach der Verfassung Wahlen auf die Regierung keine rechtliche Wirkung haben. Die Verfassung legt für die Regierung keine Funktionsperiode fest. Ihre Mitglieder amtieren so lange, bis ein rechtlicher Endigungsgrund eintritt. Wahlen des Nationalrates und des Bundespräsidenten sind kein solcher Grund. Wohl aber ist es der Wunsch, des Amtes enthoben zu werden. Der Bundespräsident ist dann nach der Verfassung verpflichtet, unverzüglich die Betreffenden zu entheben. Die erklärte Bereitschaft zum Rücktritt im Anschluß an den Amtsantritt ist in der Regel kein Wunsch im Sinne der Konstitution, sondern eine Erklärung im Sinne einer Konvention.

Ihre Premiere fand am 21. Juni 1951 statt. Damals hat die Regierung dem erstmals vom Volk gewählten Bundespräsidenten "ihre Absicht mitgeteilt, an ihn die Bitte zu stellen, sie ihres Amtes zu entheben, um ihn so in die Lage zu versetzen, von seinem verfassungsgesetzlich festgelegten Recht, die Bundesregierung zu ernennen, Gebrauch machen zu können". Der Bundespräsident versicherte daraufhin die im Amt befindliche Bundesregierung, "die nach seiner Kenntnis das Vertrauen des Nationalrats genießt, seines vollen Vertrauens". In diesem Sinne äußern sich seitdem Regierung und Präsident.

1971 wurde die Frage aufgeworfen, ob die Regierung einem neugewählten Präsidenten ihren Rücktritt anbieten muß. Die Regierung Kreisky war 1970 als Minderheitsregierung von Jonas ernannt worden. Man spekulierte damals mit einem Wahlsieg Waldheims. Immerhin erhielt dieser 47,21 Prozent der Stimmen, Jonas 52,79 Prozent. Kreisky teilte Jonas den Beschluß der Regierung mit, auf eigenen Wunsch des Amtes enthoben zu werden, falls Jonas der Meinung wäre, daß eine neue Regierung geboten sei. Nach seiner Angelobung am 9. Juni 1971 sagte Jonas: "Ich bin der Meinung, daß seit dem 21. April 1970, an dem ich die gegenwärtige Bundesregierung ernannt habe, keine Tatsachen eingetreten sind, welche die Entlassung der im Amt befindlichen Bundesregierung und die Ernennung einer neuen Regierung rechtfertigen würden. Ich bitte Sie deshalb, Herr Bundeskanzler, die übrigen Mitglieder der Bundesregierung und die Staatssekretäre, in ihren Ämtern zu verbleiben."

Einmal wäre es vielleicht ernst geworden: Am 8. Juni 1986 wurde Kurt Waldheim gewählt. Noch vor dessen Angelobung teilte aber Bundeskanzler Fred Sinowatz dem noch amtierenden Bundespräsidenten Kirchschläger seinen Wunsch mit, des Amtes enthoben zu werden. Dieser ernannte am 16. Juni 1986 Franz Vranitzky zum Bundeskanzler. Es kam zu einer Regierungsumbildung; alle Vorschläge des Kanzlers wurden von Kirchschläger in Ernennungen umgesetzt. Nach der Angelobung Waldheims am 8. Juli 1986 bot Vranitzky entsprechend der Konvention den Rücktritt an. Dieses Angebot wurde vom Bundespräsidenten nicht angenommen.

Ebenso ging Bundespräsident Klestil nach den Angelobungen am 8. Juli 1992 und am 8. Juli 1998 vor. Er versicherte die Regierung seines Vertrauens.

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