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Am Grabe des Bundespräsidenten I

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Die Nachricht vom Ableben des Bundespräsidenten Dr. h. c. Theodor Körner hat überall tiefste Anteilnahme ausgelöst. Es ist aber nicht bloß eine Anteilnahme, wie sie üblicherweise von den Staatsbürgern ihrem Staatsoberhaupt entgegengebracht wird: Immer wieder wird in bewegten Worten zum Ausdruck gebracht, daß man den Tod eines Menschen beklage, mit dem man sich persönlich verbunden fühlte. Der Tod Theodor Körners hat neuerdings und in besonderer Weise seine allgemeine Volkstümlichkeit unter Beweis gestellt.

Nicht mit Unrecht wurde in einem Nachruf eine Parallele zur Popularität des verstorbenen Kardinals Innitzer gezogen. Der tiefste Grund für diese außergewöhnliche Volkstümlichkeit lag bei beiden offenkundig in ihrer aus einem gütigen Herzen kommenden Liebenswürdigkeit. Das verstorbene Staatsoberhaupt und der verstorbene Kardinal waren gütige Menschen. Das erfuhr jeder, der mit ihnen in Berührung kam. Sie bewiesen immer wieder durch ihre Taten, daß sie nur das Beste der ihnen Anvertrauten wollten. Vielleicht ist es typisch österreichisch, daß sich bei uns oft Autoritätspersonen weniger durch ihre amtliche Autorität als vielmehr durch ihre persönliche Liebenswürdigkeit und Güte durchsetzen. So ist der Mensch, der das Amt verwaltet, noch stärker als dieses selbst.

Dabei hatten es beide, das Staatsoberhaupt und der Kardinal, nicht leicht, sich die Liebe des ganzen Volkes zu erwerben. Viele mißtrauten dem einen wegen seines nach dem ersten Weltkrieg eingeschlagenen Weges, dem anderen wegen seines Verhaltens im Frühjahr 1938. In dem Maße jedoch, in dem die gütige, lautere Gesinnung der beiden erkannt wurde, verstummten die Vorwürfe. Man wurde immer mehr davon überzeugt, daß beide aus edelsten Motiven handelten und sicher nur das Beste wollten.

Wer gütig ist, hat in der Regel auch Humor, der alles Starre auflockert. Auch Theodor Körner war die Gabe des feinen Humors geschenkt. Wie oft leuchtete einem aus seinen frohen, lichten Augen ein kleiner Schalk entgegen. Auch dieser Humor hat viel zur Volkstümlichkeit Theodor Körners beigetragen. Zahlreiche Anekdoten erzählen davon; eine der köstlichsten ist ziemlich bekannt: Anläßlich des letzten gesamtösterreichischen Katholikentages begrüßte Bundespräsident Körner als Staatsoberhaupt offiziell den als päpstlichen Legaten in Wien eingetroffenen Kardinal Innitzer. Kaum war die offizielle Begrüßungszeremonie vorbei, meinte der in schwarzer Kleidung erschienene Bundespräsident Körner zu dem hn Kardinalrot prangenden Kirchenfürsten: „Wir heißen zwar beide Theodor; es ist aber doch ein großer Unterschied zwischen uns beiden: Sie, Herr Kardinal, sind außen rot und innen schwarz, ich aber bin außen schwarz und innen rot.“ Niemand nahm dem Herrn Bundespräsidenten diese Aeußerung übel, sondern man freute sich vielmehr allgemein über das in dieser humorvollen Aeußerung zum Ausdruck gebrachte gute persönliche Verhältnis zwischen dem Staatsoberhaupt und dem Kardinal.

Die persönliche Anspruchslosigkeit des verstorbenen Bundespräsidenten ist allgemein bekannt: Auch im Winter und bei schlechtem Wetter sah man ihn fast nie mit Mantel und Hut. Es ist bekannt, daß Körner nicht nur als Bürgermeister, sondern auch noch als Bundespräsident das, was er als Junggeselle in seinem bescheidenen Haushalt benötigte, selbst einkaufte und sich oft zumindest das einfache Abendmahl - eine Suppe oder eine Kartoffelspeise — selbst zubereitete. Hier machte sich der alte Soldat bemerkbar. Obwohl seine Umgebung keine Freude daran hatte, wenn sie feststellen mußte, daß der Bundespräsident wieder einmal verschwunden war, um Einkäufe zu besorgen, und wenn auch da oder dort jemand darüber die Nase rümpfte, so hatte das einfache Volk über das Verhalten des Bundespräsidenten doch seine Freude. Es war überzeugt, daß diese „Extratouren" nicht „gemacht“ waren, sondern der einfachen Lebensführung des ehemaligen Soldaten entsprachen.

Neben der Liebenswürdigkeit und Güte, neben dem Humor, der Anspruchslosigkeit und der einfachen Bescheidenheit trug vor allem zur großen Volkstümlichkeit des verstorbenen Bundespräsidenten sehr die Tatsache bei, daß viele in dem bewegten Lebensschicksal des Verstorbenen ein Stück österreichischer Geschichte oder zumindest .ihres eigenen Schicksals erblickten. All das Auf und Ab in der Geschichte des letzten halben Jahrhunderts kommt im Leben des verstorbenen Bundespräsidenten zum Ausdruck :

Als Offizierssohn ist er in der österreichischungarischen Monarchie ein tüchtiger, vielfach ausgezeichneter Offizier, der den ganzen ersten Weltkrieg an der vordersten Front mitmacht, größte Verantwortung trägt und den strengsten Maßstab der Pflichterfüllung vor 'allem auch an sich selbst anlegt.

Der als Oberst aus dem Weltkrieg Zurückgekommene und später General Gewordene schließt sich dann der sozialistischen Arbeiterbewegung an, weil er überzeugt ist, man müsse vor allem der Arbeiterschaft helfen. In dieser Zeit bekleidet er verschiedene Funktionen bei der Schaffung des neuen Heeres pnd der Organisierung des Republikanischen Schutzbundes. Seit 1924 wird er vom Wiener Landtag immer wieder in den Bundesrat entsandt, in dem er vom 1. Dezember 1933 bis zu den Februarereignissen 1934 die Funktion des Vorsitzenden ausiibt.

In den Jahren von 1934 bis 1938 und von 193 8 bis 1945 bleibt er als politisch Untragbarer von allen öffentlichen Funktionen ausgeschaltet und wird zeitweise in politische Haft genommen.

1945 wird er zum Bürgermeister der Stadt Wien berufen, welches Amt er in schwerster Zeit mit großem Eifer und viel Erfolg bekleidet, ln dieser Zeit der Besetzung durch militärische Formationen wirkt sich immer wieder überaus günstig aus, daß das Stadtoberhaupt ein ehemaliger General ist, der mit den Russen sogar in ihrer eigenen Sprache verhandeln kann. Seit den Wahlen vom November 1945 bis zur Wahl als Bundespräsident gehört er auch dem Nationalrat an.

In der Stichwahl vom 27. Mai 1951 zum Bundespräsidenten gewählt, hält er sich in den folgenden Jahren streng an das, was er bei seiner Angelobung vor der Bundesversammlung versprach: Allen guten Oesterreichern ohne Unterschied und Ausnahme Freund und Helfer zu sein, der willigen Zusammenarbeit aller Kräfte den Weg zu bereiten, den demokratischen Wettstreit der Meinungen und Ueberzeugungen nicht Zu hindern, sondern mitzuhelfen, daß er niemals zur Ursache ernsten Zwiespalts, wohl aber zum befruchtenden Quell des Fortschrittes werde.

Diese wenigen Daten aus dem Leben des verstorbenen Bundespräsidenten zeigen, wie aus dem Militärmann und dem Parteimann Körner schließlich der allgemein anerkannte Volksmann Körner wurde, dem das Volk schon bei Lebzeiten Achtung und Verehrung zollte.

Mit Körner sinkt die letzte der großen politischen Gestalten aus der Zwischenkriegszeit in das Grab. Auch bei ihm kam nachhaltigst zum Ausdruck, wie diese Generation immer mehr zur Erkenntnis gelangte, daß für das Wohl des Volkes vor allem einträchtige Zusammenarbeit dringend notwendig ist. So erklärte Bundespräsident Körner noch in seiner letzten Neujahrsansprache wenige Tage vor seinem,Tode: „Eintracht, Verständigungsbereitschaft und Zusammenarbeit waren die Vorbedingungen für alles das, was Oesterreich bisher erreicht hat. So wollen wir denn in das neue Jahr mit dem festen Vorsatz schreiten, das mit so viel Glück und Erfolg begonnene Werk mit Hilfe der gleichen bewährten Methoden zu vollenden.“ Mit Recht nennt der ehrende Nachruf der Oesterreichi- schen Volkspartei Bundespräsident Dr. h. c. Theodor Körner einen „Mahner zur Eintracht und zur Zusammenarbeit".

Wir alle, die wir im politischen Leben stehen, sollen von der Weisheit dieser Männer und ihrer Erfahrung eines langen Lebens lernen. Die Politik unseres Landes seit 1945 war ja vor allem deshalb so erfolgreich, weil die jüngere Generation vollstes Verständnis für den Appell der in der Politik ergrauten Männer zur einträchtigen Zusammenarbeit hatte. Diese einträchtige Zusammenarbeit führte zu glückhafter Erstarkung des österreichischen Staatsbewußtseins, das heute in wirklich allen Schichten des österreichischen Volkes lebendig ist und manche Schwierigkeit überwinden hilft. Theodor Körner gehört mit zu den Großen, die dazu beigetragen haben, das neue Oesterreich erstehen zu lassen. Mit diesem Verdienst wird er in die Geschichte eingehen.

Wenn bei den Trauerfeierlichkeiten am Donnerstag der Erzbischof die Gebete für den verstorbenen Bundespräsidenten Dr. h. c. Theodor Körner sprechen wird, dann werden nicht nur die vielen Tausende, die an dieser Feier teilnehmen, ihr Haupt entblößen, sondern das ganze österreichische Volk wird trauernd an der Bahre dieses einfachen und doch großen Mannes stehen, der stets bestrebt war, nur das Beste zu wirken.

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