6582803-1951_27_15.jpg
Digital In Arbeit

Randhemerkungen zur woche

Werbung
Werbung
Werbung

DER TAG DES AMTSANTRITTES DES NEUEN BUNDESPRÄSIDENTEN verlief so, wie es dieses hohe Amt in einem kleinen Staat verlangt: in Würde und Einfachheit. Vor der Bundesversammlung sprach Theodor Körner die Eidesformel. Die ersten Empfänge folgten im Parlament. Der Generalmarsch klang auf und mischte sich mit den Tönen der offiziellen Hymne. Die Ehrenkompagnie präsentierte. Doch auf den alten General wartete noch eine Uber-raschung. Der Stabstrompeter trat vor und schmetterte die altösterreichischen Signale: „Avertissement. Paradeanfang!“ Wo mochte sie der Offizier Körner zum letztenmal gehört haben? In Galizien, am Isonzo, in den Sieben Gemeinden? In strammem Stechschritt defilierten die Offiziere und Männschaften der Gendarmerie und der Polizei, das Eichenlaub nach altem Brauch am Stahlhelm und an der Fahne. War er nicht auch einmal ein junger Offizier gewesen? Viel, unermeßlich viel lag zwischen dem Damals und dem Heute. Und vielleicht kam in dieser Stunde dem heutigen Staatsoberhaupt Österreichs jene Zeit in den Sinn, da der junge Offizier sein ganzes Hab und Gut in drei Kisten erblickte, die seine Garderobe, seinen Bücherschrank, sein Bett und seinen Tisch darstellten, seine Begleiter auf vielen Kreuz- und Querfahrten durch die Herzegowina und Bosnien. Das war die Schule spartanischer Anspruchslosigkeit, die seiner Lebensweise bis heute den Stempel aufgedrückt hat. Was werden die kleinen Geschäftsleute und Marktfrauen sagen, daß ihr alter Kunde nicht mehr zu seinen Einkäufen bei ihnen erscheint, wie er es noch als Bürgermeister gewohnt war! Das Amt des Bundespräsidenten legt dem „alten Wojak“, wie ihn seine Freunde heißen, lästige Behinderungen auf. Der Nachmittag des ersten Tages als Staatsoberhaupt gehörte den Geschäften des neuen Amtes, am Abend meldeten sich die Parteifreunde. Bei einem Ständchen freuten sich — gerne sei dos sozialistische Zentralorgan zitiert — toüsende Arbeiter, „daß der W ahrer echter österreichischer Tradition zugleich auch ein Weiser in die Zukunft, ein Sozialist ist“. Später dann konnte man einen alten Herrn sehen, gefolgt von einer großen Schar in Respektsabstand, der durch den Volksgarten, vorbei on blühenden Rosensträuchern, hinüber zu seiner Wohnung in das Rathausviertel ging...

EIN ANSCHAULICHES DIAGRAMM veröffentlicht im Junihelft der „Zukunft“ Vizekanzler Adolf Schärf, um die nicht überall klar erkannte Tatsache deutlich zu machen, daß der sozialistische Präsidentschaftskandidat keineswegs durch die Stimmen der Kommunisten gewählt wurde; er wäre mit deren Zuwachs allein in der Minderheit geblieben.

Der untere Teil des Diagramms, der die Bewerber mit Anfangsbuchstaben andeutet, zeigt das Zahlenbild der ersten, der ohere Teil das Bild der Stichwahl an; zwischen K und G die ungültigen Stimmen. — Von den kommunistischen Stimmen allein unterstützt, wäre die Kandidatur Körners mit 44,3 Prozent gegen die 46,7 Prozent Gleiß-ners zurückgeblieben. Das Rechenexempel ist der deutlichen Darstellung wert.

DAS B. B. SCHATTET NOCH ÜBER DIE VERGANGENEN WAHLWOCHEN HINAUS. Im Kreise des „überparteilichen Komitees“ glaubt man wahrzunehmen, daß man nun doch selbst zur Bildung einer Partei berufen sei, einer Partei, die Auffangsstation sein soll aller jener, die keiner der bestehenden politischen Fraktionen, auch dem VdU nicht„ dem Verbündeten aus der Wahlzeit, angehören wollen. Der Mangel einer sachlichen tragfähigen Plattform bereitet allerdings Schwierigkeiten. Im Führungslager des VdU verfolgt man die in den BB-Bereichen auftretenden Selbständigkeitsregungen mit unverhohlener übler Laune; in seinem Salzburger Parteiblatt verspottet recht ungnädig Viktor Reimann diese angehenden Gründer einer „35-Mann-Partei“, die hoffen, „nun im Schatten Burghardt Breitners die Welt erobern zu können“. Eindringlich wird dem „Komitee“ empfohlen, „die gesammelten Kräfte und Faktoren zur Verfügung zu stellen, um die vom VdU ins Leben gerufene politische Bewegung auf eine noch breitere Basis zu stellen“. Der Sinn des Eifers, mit dem man sich während der Wahlzeit des mit den politischen Praktiken wenig vertrauten Komitees annahm, ist hier mit erfrischender Offenheit dargetan. Man möchte jetzt nicht gerne, wie zu verstehen ist, Abschied nehmen von der gehegten Erwartung, „Komitee“ und alles, was am BB drum und dran war, für den VdV inkamerieren zu können. In diesen Porzellanladen platzte die häßliche Affäre Stüber, in die sich zu allem Überfluß dann noch sein Freund Hartleb stürzte.

DIE ROTEN, DIE GRÜNEN, DIE WEISSEN. Über die Deportierungen aus der Budapester Bürgerschaft liegen uns nun authentische Mitteilung en vor: Die Aktion wurde durch einen Moskauer Befehl veranlaßt, der von einer s ow } e tru s si s che n Kommission überbracht wurde. Die Kommission ist mit außerordentlichen Vollmachten für die Durchführung des Befehles ausgerüstet, nicht untergeordnet den ungarischen Behörden; sie trifft selbständig ihre Verfügungen nach keinem deutlich ersichtlichen Gesichtspunkt. Die Deportationsbefehle sind entweder rot oder grün oder weiß, je nach ihrer Bestimmung. Die von dem roten Befehl Betroffenen werden sofort abtransportiert, ohne Erlaubnis, Gepäck mitzunehmen, und ohne Angabe ihres Schicksals. Man nimmt an, daß diese Unglücklichen für die Verbringung nach Rußland bestimmt sind. Der grüne Befehl erlaubt den Betroffenen 24 Stunden Frist bis zum Abtransport und die Mitnahme bis zu 50 Kilo Gepäck. Die weiße Karte bedeutet Aufschub, vielleicht auch ein bestimmtes Quartier in dem künftigen Aufenthaltsort. Auch den „Grünen“ wird Verbringung in ein Heim verheißen. In Wirklichkeit werden sie häufig frei irgendwo auf der Heide ausgesetzt; man hört, daß in manchen Gegenden sich die Bauern der Opfer freundlich angenommen, ihnen freiwillig Quartier gewährt haben; in anderen Landschaften trifft die wie ein Tier im Walde ausgesetzten Menschen ein viel härteres Schicksal.— Die Haltung der behördlichen Organe, die bei diesen Deportierungen irgendwie in Aktion zu treten haben, verrät nicht selten, daß sie unterscheiden zwischen einem Befehl der ungarischen Regierung und einem von außen kommenden Eingriff in die letzten Freiheiten des ungarischen Menschen. Die Aktion verbreitet Schrecken, aber sie stärkt den unter der Decke wirkenden Geist des Widerstandes.

IM PERSISCH-ENGLISCHEN ÖLKON-TLIKT geht es längst nicht mehr allein um die Besitzrechte der Anglo-lranian OH Company, deren gigantisches Unternehmen die Investition von 300 Millionen Pfund englischen Kapitals erfordert hat. Es geht um Englands Geltung, die Gefahr läuft, einen neuen und auch wirtschaftlich verhängnisvollen Schlag zu erleiden. Und es geht darum, ob es gelingen wird, die ölzufuhren aus dem persischen Golf, auf die England selbst nur zum Teil, aber der Mittlere Osten einschließlich Indiens und Pakistans und weite Gebiete Afrikas bis hinunter nach Kapstadt fast ganz angewiesen sind, auch weiterhin sicherzustellen. Wenn das nicht gelingt, wären die Folgen aber auch in strategischer Hinsicht sehr ernster Natur. Abadan ist das Versorgungszentrum für den Brenn- und Treibstoff bedarf nicht nur der britischen See- und Luftstreitkräfte, sondern des gesamten Verteidigung s s y st e m s im Mittleren Osten; fällt Abadan aus, so wird es schon aus geographischen Gründen vorderhand unmöglich sein, einen vollwertigen Ersatz zu schaffen. Man schätzt die Zeit, die erforderlich wäre, um die Ausbeute der öl-felder im Irak und auf Bahrein entsprechend zu erhöhen, auf zwei bis drei Jahre. Andererseits naht auch den Persern, falls es zu keiner Verständigung mit England kommt, eine wirtschaftliche Katastrophe. Persien braucht nicht das öl, um so notwendiger aber das Geld, das seinem Staatsschatz aus der Tätigkeit der anglo-iranischen ölgesellschaft zufloß. Die Gesellschaft, deren Produktion sich seit Kriegsende sprunghaft erhöhte und im vorigen Jahr 32 Millionen Tonnen betrug, war Persiens weitaus größter Steuerträger; sie beschäftigte ständig 175.000 persische Arbeiter und Angestellte zum Dreifachen der landesüblichen Löhne. Nun droht diese Goldquelle zu versiegen, selbst tuenn die Ölquellen, was fraglich ist, in persischer Hand ergiebig bleiben sollten. Denn der Abtransport des Öls ist nur auf dem Seeweg möglich, und auf diesem kreuzen die Schiffe der Royal Navy. Das alles weiß man in Teheran, aber das Prinzip der Verstaatlichung ist zum Schlachtruf,von Terroristen geworden, denen Persiens Regierung und Parlament nicht mehr zu widerstehen wagen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung