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Wird sich osterreich UNO-wurdig erweisen?

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Direktor des Verbindungsamtes der Internationalen Arbeitsorganisation mit den Vereinigten Nationen, New York

In einem interessanten Aufsatz in der „Furche* (1. Jänner 1956, Nr. 1, S. 3) hat E. von Hofmannsthal in seiner treffenden, pointierten Art festgestellt, daß Oesterreich UNO-würdig ist. Wie so oft, bin ich auch diesmal mit den Ausführungen meines verehrten Freundes im wesentlichen durchaus einverstanden. Aber — und dies ist eigentlich kein „Aber“, sondern eher ein „Ueberdies“ — die Feststellung der UNO-Würdigkeit Oesterreichs wirft weiter Fragen auf, von deren Lösung die Rolle abhängen wird, die Oesterreich in den Vereinigten Nationen zufallen sollte. (Nebenbei bemerkt: Es wäre hoch an der Zeit, endlich die sprachlich und sachlich gleichermaßen falsche Uebersetzung „Vereinte Nationen“ durch die auch in der Schweiz übliche, richtige Verdeutschung „Vereinigte Nationen“ zu ersetzen.)

Die Vereinigten Nationen sind — leider — nicht als eine Organisation aufgebaut worden, deren Hauptaufgabe in Rechtsfunktionen bestünde; die seit Jahren von einem der größten lebenden Oesterreicher — Hans Kelsen — geforderte Vervölkerrechtlichung der politischen Staatengemeinschaft ist nur zu geringem Teil in der Satzung der Vereinigten Nationen durchgeführt worden, die damit so manche Uebel des Völkerbundpaktes geerbt hat. Die Vereinigten Nationen sind wie der Völkerbund in allererster Linie eine politische Organisation. Dies bedeutet nun nicht notwendigerweise, daß in den Vereinigten Nationen nur Machtpolitik und Blockpolitik getrieben werden. Wenn man von den Vereinigten Nationen als wesentlich politischer Organisation spricht, ist das Wort Politik im weitesten Sinn zu verstehen. Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Kulturpolitik haben in der internationalen Staatengemeinschaft seit mehr ali einem Menschenalter eine gesteigerte Rolle gespielt, in einem Ausmaß, das bisweilen di „Politik“ kurzerhand überschattet oder doch wesentlich beeinflußt. Das Werk der publizi-stisch nicht genügend gewürdigten Sonderorganisationen der Vereinigten Nationen ist ein überzeugender Beweis. Was die International Arbeitsorganisation seit 1919, was die Welt* gesundheitsorganisation oder die UNESCO seit dem Ende des zweiten Weltkrieges geleistet haben, was ferner in Ergänzung dieser inter nationalen Organisationen, in denen Oesterreich schon lange vor seiner Zulassung zu den Vereinigten Nationen voll vertreten war, von den Vereinigten Nationen selbst getan oder zumindest zu tun versucht wurde, ist für di internationale friedliche Zusammenarbeit von größter Bedeutung.

Gerade auf diesem Gebiet der im üblichen Sinn unpolitischen völkerverbindenden Zusammenarbeit könnte und sollte Oesterreich als ein von der Machtpolitik aus eigenem Willen und im eigenen Interesse sich ausschließender neutraler Kleinstaat eine führend Rolle übernehmen. Wenn Oesterreichs Vertreter in der Generalversammlung der Vereinigten Nationen und nach seiner hoffentlich bald erfolgenden Wahl in die zahlreichen Hilfsorgan in den Räten, Ausschüssen und Unterausschüssen nicht nach dem Parteienproporz, sondern nach Fachkunde ausgesucht werden, wenn Oesterreichs Stimme nicht mit dem österreichischen Erbübel falscher Bescheidenheit, sondern in richtiger Erkenntnis des' Eigenwertes sich Gehör verschaffen wird, dann wird Oesterreich eine würdige Rolle in den Vereinigten Nationen spielen können.

Nicht bloß alte Tradition, nicht bloß unabhängige und unbestechliche Beobachtung des Rechtes kann Oesterreich in die Vereinigten Nationen einbringen. Oesterreichs Sozialpolitiki die neue Wege einschlägt, könnte im Wirtschafts- und Sozialrat, im Sozialausschuß, in der Gestaltung technischer Hilfe richtungweisend sein. Oesterreichs Kulturpolitik könnte beispielgebend wirken. Wenn neben erprobten Diplomaten auch Oesterreichs Sozialpolitiker, Oester reichs Wirtschaftsführer, Oesterreichs Repräsentanten der Wissenschaft und Kunst, die, der Notwendigkeit einer sich immer verjüngenden Tradition bewußt, unserem Land neue, moderne Wege der friedlichen, freien Entwicklung weisen, ihren Beitrag zu dem Werk der Vereinigten Nationen gewähren könnten, dann wird sich Oesterreich nicht nur UNO-würdig erwiesen haben, sondern darüber hinaus auch den Dank derer in der Heimat und im Ausland verdienen die die Vereinigten Nationen aus der Verstrik-kung in die Macht- und Blockpolitik zu entwinden und aus der nur politischen Organisation der UNO ein allgemein wirksames Friedenswerkzeug zu machen trachten.

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