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Blaue oder rote Donau?

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Der kurze Hinweis im Kommunique über die österreichisch-sowjetischen Gespräche, „die beiden Staaten haben der Ueberzeugung Ausdruck verliehen, daß die gegenseitig vorteilhafte Ausnützung der Donau für die Warendurchfuhr und die Ausweitung des Fremdenverkehrs den Interessen beider Staaten entsprechen. In diesem Sinne erklärte die österreichische Regierungsdelegation, die österreichische Bundesregierung beabsichtige, zu diesem Zweck der Donaukonvention betreffend dal Regime der Schiffahrt auf der Donau (genannt Belgrader Dcnaukonvention) beizutreten“, hat in der österreichischen Presse nicht allzuviel Echo gefunden. Schon lebhafter wurde diese Frage bei der ersten Pressekonferenz des Bundeskanzlers nach seiner Rückkehr aus Moskau behandelt. Bundeskanzler Raab erklärte dabei: „Eine wesentliche Voraussetzung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Oesterreich - und d?r Sowjetunion ist die Ausnützung der Donau als Verkehrsweg Oesterreich als einer der bedeutendsten Donaustaaten kann es sich auf die Dauer nicht versagen und es sich auch nicht untersagen lassen, seine Interessen gleichberechtigt zu wahren, zumal die Donau als ein sehr wichtiger und einziger Zugang Oesterreichs zum Meer zur Verfügung steht. Wir tragen uns daher schon seit langem mit dem Gedanken und mit der Absicht, der. Bundesregierung den Beitritt zur Belgrader Donaukonvention zu empfehlen. Wir würden es auch begrüßen, wenn die noch fehlenden Anrainerstaaten (es ist dies nur die deutsche Bundesrepublik! Die Redaktion) diesen real-politischen Schritt ihrerseits vollziehen würden.“ Diese Erklärung ist an sich nichts Sensationelles und entspricht nur Punkt 1 der Zusatzbestimmungen der Belgrader Donaukonvention vom 18. August 1948. in dem es heißt: „Der Vertreter Oesterreichs wird in die Donaukommission aufgenommen, sobald die Frage des österreichischen Staatsvertrages geregelt ist.“ Man wird trotzdem nicht fehlgehen, anzunehmen, daß Oesterreichs Beitritt, der nach der grundsätzlichen Zustimmung der Sowjetunion im Osten auf keinerlei Schwierigkeiten stößt, im Westen auf ein weniger erfreuliches Echo stoßen wird, haben doch die westlichen Vertreter bei der Belgrader Donaukonferenz vom Jahre 1948, die USA, England und Frankreich, sofort gegen diese Konvention protestiert. Sie haben ein Jahr später, im November 1949, nochmals die Sowjetregierung davon in Kenntnis gesetzt, daß sie weder diese Konvention noch die auf Grund dieser Konvention geschaffenen Befugnisse der Donaukommission anerkennen, sondern fortfahren, die Konvention vom 23. Juli 1921 weiterhin als gültig anzusehen; die Donaukonvention vom Jahre 1948 verletze die seit hundert Jahren bestehende Regelung der internationalen Flußschiffahrt sowie die Friedensverträge mit Rumänien,' Bulgarien und Ungarn. Dieser Stellungnahme Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten schlössen sich Belgien, Italien und Griechenland in entsprechenden Noten an die Sowjetunion an.

Oesterreich wird es nicht schwer haben, vor allem auf die geographischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten seines Landes hinzuweisen, und vielleicht ist auch die Bemerkung Raabs, „Oesterreich kann es sich... auch nicht untersagen lassen, seine Interessen gleichberechtigt zu wahren“, mehr nach dem Westen als nach dem Osten gerichtet.

Man wird darüber hinaus aber mit weiteren Schwierigkeiten Oesterreichs in der Donaukommission selbst rechnen müssen — wie ja übrigens auch die Zusammenarbeit in den europäischen Gremien nicht immer ohne Differenzen vor sich geht. Die Schwierigkeiten werden nicht so sehr grundsätzlicher Art sein -denn der Wortlaut der Donaukonvention steht in keinerlei Widerspruch zu der Neutralitätserklärung Oesterreichs —, sie werden mehr auf praktischem Gebiet liegen und hier wieder nicht so sehr in den Gedankengängen und im Wortlaut der Konvention vom Jahre 1948, als in den Ausführungsbestimmungen der „General-

Schiffahrts-Regelung“ und in der praktischen Handhabung. Die Donaukonvention vom 18. August 1948 stellt vor allem die Rechte der Donauuferstaaten in den Vordergrund — seinerzeit weniger aus grundsätzlichen Erwägungen, als um die bisherigen Mitglieder der historischen Donaukommissionen („Europäische Donaukommission“ mit Oesterreich, Frankreich, England, Preußen, Rußland, Sardinien bzw. später Italien, der Türkei und Rumänien; die „Internationale Donaukommission“ mit Frankreich, England, Italien und den Uferstaaten), soweit sie nicht selbst Uferstaaten sind, herauszudrängen. Die einschlägige völkerrechtliche Literatur der Sowjetunion und der Satelliten (Durdenevskij, Korovin, Fandikov, Pockajewa,

Molotov, der. Slowake Cüth, der Pole Gasio-rowski) sieht darin vor allem eine Ueberwin-dung des bourgeoisen Völkerrechts, während das neue fortschrittliche Völkerrecht ausschließlich die Rechte der direkt Beteiligten, im Falle der Donau also der Uferstaaten, in den Mittelpunkt stelle.

Es zeigte sich jedoch bald, daß diese an sich schöne Theorie mit der Praxis nicht ganz in Einklang gebracht werden konnte. Der einzige Interpret dieser Praxis war bisher der Vertreter Jugoslawiens, der sich sehr oft in einer wenig beneidenswerten . Situation befand. Hatten die drei Westmächte 1948 in Belgrad wenig gewichtige Argumente vorbringen können (der amerikanische Vertreter, der Belgrader Botschafter Cavendish Cannon, verwies etwa darauf, daß

derzeit - 1948 - von den Vereinigten Staaten über 250 Meilen des Stromlaufs eine militärische Kontrolle ausgeübt würde; die Vertreter Englands, der Belgrader Botschafter Sir Charles Peake, und Frankreichs, der Vorsitzende der Internationalen Rheinkommission, Andrien Thierry, verwiesen darauf, daß ihre Staaten seinerzeit im Rahmen der Donaukommission jeweils etwa 60 bis 70 Millionen Pfund Sterling investiert hätten)„ nützte die Sowjetunion die sich bietende Gelegenheit sehr intensiv aus: die Sowjetunion, die mit etwas mehr als 1 DO Kilometer Donauanrainer geworden war, stellt' nämlich in der neuen Donaukommission zwei Vertreter, einen Vertreter der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken und einen Vertreter der ukrainischen Sowjetrepublik, während sämtliche anderen Uferstaaten, auch Jugoslawien, dessen Donauufer etwa sechsmal so lang ist wie das der Sowjetunion, einen Vertreter entsenden.

Ueber die bisherigen praktischen Schwierigkeiten, vor allem die Handhabung der „General-Schiffahrts-Regelung“, machte sich der jugoslawische Vertreter, Dragoje Djuric, Luft. Im Juni 1951 berichtete die jugoslawische Agentur „Tanjug“, „auf der Tagung sei die Tendenz der Sowjetunion eindeutig bestätigt worden, die Donaukommission zu einem Werkzeug ihrer hegemonistischen Politik zu machen, statt sie den wirtschaftlichen Interessen der kleinen Uferstaaten dienlich zu machen. Die Beschlüsse der Belgrader Donaukonferenz und der Konvention seien keineswegs beachtet worden“. Ein Jahr später, im Juni 1952, erklärte der Belgrader Delegierte Djuric, „der Sowjetblock verhindere ein auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller Uferstaaten beruhendes demokratisches Verfahren“; üblich geworden sei eine „automatische Ueberstimmung' Jugoslawiens“. Inzwischen ist doch ein Wandel eingetreten. Der Sitz der Donaukommission wird von Galatz sehr weit westlich, nach Budapest, verlegt, die Sowjetunion geht aber auch so weit, den jahrelangen sowjetischen Generalsekretär, der ebenfalls ein Stein des Anstoßes war, durch den jugoslawischen Delegierten Djuric ersetzen zu lassen.

Immer mehr setzen sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Donau und des Donauraumes durch, die politischen Aspekte stehen nicht mehr allein im Vordergrund. In diesem Maße wird auch die Arbeit der Donaukommission sachlicher und ruhiger, auch wenn hier

Differenzen nicht völlig verschwinden. So soll etwa die Donau nach sowjetischen Interventionen eine Art „Autobahn zu Wasser“ sein, Lastkähne, Flöße und Fährbetriebe quer zum Strom sollen dabei überhaupt nicht gestattet werden, eine Maßnahme, die keineswegs im Interesse der kleinen Uferstaaten liegt und auch einen leichten politischen Beigeschmack hat, da dadurch manche Staaten leicht in zwei Teile gerissen werden können.

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