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Die Donaukonferenz

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Das Problem der Regelung der Donau-schiffahrt, das vier Monate nach Abschluß der Friedensverträge eine Konferenz der vier Großmächte unter Zuziehung der kleinen Donauuferstaaten beschäftigen wird, blickt auf eine lange und bewegte Gesdiichte zurück. Die Wiener Kongreßakte von 1815 legten zuerst die Grundsätze der Schiffahrt auf „internationalen“ Strömen und Flüssen fest, nachdem ihr bereits ältere zweiseitige Abmachungen über gemeinsame Benützung des Flußlaufes der Donau — unter anderem zwischen Österreich und Bayern im Frieden von Teschen (1779) — vorangegangen waren. Im Pariser Frieden (1856), der den Krimkrieg beendete, wurden die auf dem Wiener Kongreß besdilossenen Grundsätze für internationale Ströme auf die Donau angewandt und zwei internationale Kommissionen eingesetzt, eine für die technische und betriebliche Instandhaltung der unteren Donau von Galatz (später Braila) an bis zum Schwarzen Meer bestimmte, und „Europäische Donaukommission“ genannte, sowie eine „Kommission“ der Donauuferstaaten“ zur Regelung des Flußverkehrs von Ulm bis Braila. Von diesem Zeitpunkt an unterlag der Donauverkehr bis zum zweiten Weltkrieg einem internationalen Regime.

Während es der aus Österreich, Frankreich, England, Preußen, Rußland, Sardinien (später Italien), der Türkei und — nach dem Berliner Kongreß — Rumänien gebildeten „Europäischen Kommission“ gelang, im Jahre 1865 ein Schiffahrtsreglement für die untere Donau und das Donaudelta auszuarbeiten und eine der Souveränität Rumäniens entzogene, wahrhaft internationale Verwaltung auf diesem Teile des Stromes zu sichern, stieß die von der Uferstaatenkommission (Österreich, Bayern, Württemberg, Türkei sowie Kommissare der Moldau, Walachei und Serbiens) ausgearbeitete Schiffahrtsakt von 1857 auf den Widerspruch der in der Kommission nicht vertretenen Mächte (Frankreich, England, Rußland, Italien), die insbesondere daran Anstoß nahmen, daß die Kabotageschiffahrt, das heißt der Verkehr von einem Donauhafen zm anderen, auf die Staatsbürger der Uferstaaten beschränkt war. Die hierüber entstandene Kontroverse erfuhr keine Lösung, bis schließlich die Pariser Vororteverträge von 1919, nach Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Monarchie und Ausschaltung Sowjetrußlands, die „Com-mission Internationale du Danube“ (CID) schufen, der Frankreich, Großbritannien, Italien und die Uferstaaten Württemberg, Bayern, Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien angehörten. Dieser Kommission wurde die Ausarbeitung eines Donaustatuts übertragen, das im Jaihre 1921 das Licht der Welt erblickte und sich gemäß Artikel 331 des Versailler Friedensvertrages auf sämtliche schiffbaren Teile der Nebenflüsse und Kanäle des Donaustromgebietes — für Österreich also auch auf den Inn und einen Teil der S a 1 z a c h — erstreckte. Dieses sogenannte „definitive Statut“, das zwar den abgabenfreien internationalen Flußverkehr unter Aufrechterhaltung der vollen Souveränität der Uferstaaten statuierte und deren Rechte sowie Pflichten (unter anderem Instandhaltung der Fahrrinne und Anlegeplätze) regelte, hat sich in der Praxis — trotz mehrfacher, späterer Verbesserungsversuche — nicht bewährt. Es schließt — wie einem unlängst in den „Berichten und Informationen“ des Salzburger Forschungsinstituts für Wirtschaft und Politik erschienenen Aufsatz zu entnehmen ist — bürokratische Schikanen mancher Uferstaaten gegenüber fremder Konkurrenz nicht aus und konnte daher auch den Verkehr auf dieser wichtigen Arterie des europäischen Kontinents nicht annähernd auf die Dichte bringen, die er bis zum ersten Weltkrieg unter dem fast allein ausschlaggebenden Einfluß der österreichisch-ungarischen Monarchie aufgewiesen hatte (1911; 6,7 Millionen Tonnen; 1927: 3,7 Millionen Tonnen!). Dieser Tiefstand des Donauverkehrs nach der Zerschlagung Österreich-Ungarns ist um so bemerkenswerter, als in der Zeitperiode zwischen den beiden Weltkriegen die technische Ausrüstung des Donauverkehrs durch Einsatz von Motorschiffen, Vermehrung des Schiffsparks, Neugründung von Gesellschaften usw. einen beachtlichen Aufschwung genommen hat. Der zweite Weltkrieg begrub zwangsläufig die zuletzt in Wien residierende CID sowie das in den Versailler Verträgen geschaffene Dpnauregime.

Heute' herrscht als Nachwirkung der Kriegshandlungen, die — nach Höchstleistungen des Donauverkehrs während der Kriegsjahre — einen Großteil der Betriebsmittel und Anlagen vernichtet und den Hauptteil des flußaufwärts geretteten Schiffsparks dem Verkehr für lange Zeit entzogen haben, ein völliges Chaos, auf rechtlichem wie auch auf technisch-betrieblichem Gebiet. Bekanndich ist die Rückgabe der bisher in den USA-Zonen Österreichs und Deutschlands zurückbehaltenen Fahrzeuge an die einzelnen Uferstaaten sowie die Freilegung der an mehreren Stellen verlegten Fahrrinne derzeit im Zuge. Die Grundfrage des künftigen Donauregimes ist noch offen. Es ist ohne Zweifel als ein beachtlicher Fortschritt zu begrüßen, daß in den letzten Tagen die Sowjetunion — angeblich als Kompensation für die Nichtaufnahme des Grundsatzes der freien Donauschiffahrt in die Friedensverträge — sich zur Abhaltung einer Donaukonferenz nach Fertigstellung der Friedensverträge mit den Satellitenstaaten bereit erklärt und das Prinzip der freien Schiffahrt sowie der „Gleichberechtigung hinsichtlich der Hafen-und Navigationsgebühren und Bedingungen der Handelsschiffahrt innerhalb der Grenzen der gebräuchlichen Handelsbeziehungen“ für alle Angehörigen, Fahrzeuge und Güter aller Staaten angenommen hat. An der Donaukonferenz sollen nach dem Wunsche der Sowjetunion außer den vier Großmächten die Ukraine and die Uferstaaten — Österreich erst nach Abschluß des seine Existenz begründenden Staatsvertrages — teilnehmen, es ist zu hoffen, daß Österreich diese neuerliche, wohl ausschließlich aw formalrechtlichen Argumenten entspringende Z -rficksetzung im Vergleiche mit den besiegten ehemaligen Feindstaaten — seinen gewiß nicht in höherem Maße an der Regelung des Donauverkehrs interessierten Nachbarn — letzten Endes erspart bleiben wird.

Von wesentlichem und allgemeinem Interesse für die Uferstaaten wie auch für den Handelsverkehr Europas überhaupt ist die Frage, welches Rechtsstatut der Donaodampfschiffahrt nunmehr zugrunde gelegt werden wird, wobei die Tragweite dieser grundsätzlichen Entscheidung noch durch die Tatsache erhöht werden muß, daß mit der hoffentlich im Laufe der nächsten Jahre bevorstehenden Fertigstellung des Donau— Weichsel-Kanals und des Donau—Elbe-Kanals — wodurch erst ein den künftigen Anforderungen entsprechendes, das nördliche und östliche Hinterland mit dem Donaustrom verbindendes europäisches Wasserstraßensystem gechaffen werden kann — dem zu beschließenden Statut ein weit über die Donau und den Donau verkehr allein hinausreichender wirtschaftlicher und politischer Wirkungsbereich zukommen dürfte. Die oben angedeutete sowjetrussische Formulierung läßt darauf schließen, daß die Absicht besteht, es bei einer Rc-aktivierung und allenfalls Verbesserung des „definitiven Statuts“ von 1921 bewenden zu lassen. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß von fachmänischer Seite unter anderem auch einer Lösung des Donauproblems durch Unterordnung des gesamten internationalen Flußsdiiffahrt'sver-kchrs unter eine überstaatliche Stelle — ähnlich etwa der 1856 geschaffenen Europäisdien Kommission für die untere Donau und das Stromdelta — das Wort geredet wird. Ein wirtschaftliches und zugleich politisches Problem erster Ordnung — für Österreich, die Donaustaaten und den gesamten, europäischen Kontinent — wird die Donaukonferenz zu lösen haben.

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