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Die Republik und ihre Angsthasen

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Kein Kaiser und kein König hätte, wo immer, im Tode eine erhabenere Ehrung empfangen können als Erzherzog Eugen auf seinem Heimgang aus Meran zu der Gruft von St. Jakob in der Hauptstadt Tirols. Kein Mißton, kein aufgeblasenes Pathos, kein Theater, keine politische Demonstration. Aber eine ehrfürchtige Kundgebung der Anhänglichkeit und des Dankes an den, der eine Verkörperung der besten Eigenschaften seines Geschlechts gewesen war und Oesterreich im ersten Weltkrieg als Feldherr vor feindlicher Ueberflutung bewahrt hatte. An der Seite Maximilians, des „letzten Ritters“;, ruht nun sein Nachfahre, der Marschall der einstigen kaiserlichen Armee. — Stille ringsum — Friede ...

In Wien ist es stellenweise anders. Hier rumort es. Nervös, zornig, grob. Mit angeblichen geschichtlichen Reminiszenzen auf der literarischen Höhe eines Indianerbiichels, inspiriert von einer historischen Forschung, der zufolge „der Glanz des Herrscherhauses und der alten österreichischen Monarchie erkauft war um den Preis des Elends von Millionen, die Tradition bezahlt mit dem Blute, das in zahlreichen Kriegen vergossen wurde, und mit dem Unrecht, das durch Jahrhunderte an den entrechteten Massen des Volkes verübt wurde“----

Klio, du Muse der Geschichtsschreibung! Schließe dein Schreibheft, bemühe dich um das Pressehauptquartier der Sozialistischen Partei Oesterreichs und errichte einen Geschichfskurs für Hörer der Taferlklasse! Du wirst dort deiner bedürftige, wenn auch nicht immer dankbare Schüler finden. Augenblicklich herrscht dort große Aufregung, weil, wie aus dem Zeitungshauptquartier bewiesen wird, schon wieder gefährlich um eine monarchistische Restauration mit Worten herumgefackelt wird, obwohl, wie uns gleichzeitig authentisch erklärt wird, „die Monarchie und die monarchistische Frage tatsächlich tot sind“. Da dieser Totenschein tatsächlich schon gedruckt und signiert ist, wäre es dankbar für unsere Nachbarn, im Gespräch sich anderen Themen zuzuwenden, anstatt aus großem Kaliber ins Blinde herumzuböllern. Bestimmt gibt es aktuellere und größere Sorgen, die der Aufmerksamkeit der Zeitenwächter wert sind in einem Lande, das täglich schmerzlich genug erfahren muß, ein besetztes Land zu sein, nur in halber Freiheit zu leben, von dem Texte; eines Staatsvertrages bedroht, der, unverändert, mit vielen seiner Bestimmungen die. staatliche Existenz eines freien Oesterreichs in Frage zu stellen vermöchte. Zu diesen Aktualitäten gehört auch das Problem, wie wir Oesterreichcr uns in die Gesellschaft der freien Welt einfügen sollen, wenn wir fortfahren, gegen die Menschenrechte zu verstoßen, indem wir uns vorbehalten, eigene österreichische Staatsbürger außer Landes zu verschicken. Diese Errungenschaft, ein Ueberbleibsel aus der Zeit der tiefsten Erniedrigung unseres Volkes, geboren 1919 aus den Erlebnissen von St. Germain und mit der Berechnung, sich die Freundschaft der Regierung Bencsch zu sichern, war seit ihrem Entstehen im Widerspruch mit dem modernen Völkerrecht, einem Widerspruch, der noch unterstrichen wird durch die allgemein anerkannte völkerrechtliche Satzung, daß kein einziger Staat verpflichtet ist, ihres Landes verwiesene fremde Staatsbürger aufzunehmen. Das Grundrecht, daß kein Staat eigene Staatsangehörige gewaltsam außer Landes schicken kann, ist eine der primitivsten Regeln des heute noch geltenden Völkerrechtes, die schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts im gesatzten österreichischen Straf- und Verwaltungsrecht verankert waren. Selbst Sowjetrußland, eine Macht, die wahrlich keine Sentimentalitäten in ihrem Strafrechte kennt, erstreckt die Strafe der Deportation nicht über die Grenzen des eigenen Herrschaftsbereiches hinaus. Frankreich, Spanien, Portugal, Brasilien, frühere monarchistische Staaten, haben es mit der Würde ihrer gegenwärtigen republikanischen Verfassung für unvereinbar gehalten, Mitglieder früherer Regentenfamilien, selbst deren einstige Kronenträger noch weiter unter Landesverweisung zu halten, nicht zu reden von der großzügigen Freizügigkeit, welche den gewesenen Fürsten der Länder des Deutschen Reiches und ihren Familien durch die Gesetzgebung ihrer Heimatstaaten gewährt ist.

Am deutlichsten wird die. Entfernung von dem Rechtsbegriff und der Rechtsübung der zivilisierten Welt im Angesichte der Satzungen der Vereinten Nationen, die in ihrer am 10. Dezember 1948 erfolgten feierlichen Erklärung der Menschenrechte unter der Teilnahme von 48 Staaten der Erde ausdrücklich neben Sklaverei, willkürlicher Gefangensetzung, entschädigungsloser Vermögenskonfiskation jede Art von Landesverweisung als Verletzung der Möschen-rechte anprangern und völkerrechtlich bekämpfen. Auch wenn der österreichische Nationalrat am 26. Juni 1952 nicht rechtsverbindlich erklärt hätte, bei der angestrebten Aufnahme Oesterreichs in den Völkerbund dessen Satzungen, und damit auch seine Charta der Menschenrechte zu respektieren, so sind doch schon durch den erfolgten Beitritt Oesterreichs zur LINESCO, die Satzungen der Vereinten Nationen für die österreichische Republik als bindend anerkannt worden. Mehr als bedenklich wäre es, durch eine Nichteinlösung dieser Verpflichtungen zwischen Oesterreich und der übrigen Welt eine trennende Kluft aufgerissen zu halten. Das hieße, die Geltung der österreichischen Republik vor dem internationalen Urteil und die Einschätzung ihres Willens im Zeichen der Charta der Menschenrechte gleichberechtigt und gleichvcrpflichtet unter den Vereinten Nationen Platz nehmen zu wollen, aufs Spiel setzen.

Auf die Dauer wird es unmöglich sein, daß Oesterreich sich mit einem rückständigen Gesetz in Gegensatz stelle zu dem Rechtsempfinden der übrigen Menschheit, nur weil einige schlecht gelernte Republikaner von Schüttelfrost befallen werden bei dem Gedanken, Oesterreich könnte es machen wie alle übrigen Republiken, die ihre Verfassung für so gut und standfest halten, daß ihre Gesetzgeber nicht jeden Augenblick um sie in neue Aengste verfallen, i

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