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Israel will verhandeln

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Name wurde geändert, und zwar einigte man sich auf „Union der Demokraten für die Fünfte Republik“. Die bisherigen Führungsorgane werden gestrafft. Wenige Mitglieder übernehmen die politische Generalstabsarbeit. Das Nationalkomitee umfaßt künftighin 300 Personen. Mehr als bisher sollen Experten herangezogen werden; das Zentralkomitee stellt die politische Synthese zusammen. Dort kommen die Politiker zu Wort. Die ausgleichende Hand des Politikers soll neben dem Fachwissen ausgewählter Persönlichkeiten die gestellten Aufgaben lösen. Die Partei lehnt es entschieden ab, den politisch denkenden und handelnden Menschen zugunsten des reinen Fachmannes zu opfern.

Diese organisatorischen Reformen bieten 'den Rahmen, um die Entwicklung des Gaullismus in den siebziger Jahren zu sichern. In breiten Kreisen setzten die Diskussionen der UNR

ein, um der Öffentlichkeit politische Theorien zu bieten, welche die Mehrheit der Nation als richtig anerkennt. Vier Themenkreise stehen zur Diskussion:

1. Die Außenpolitik.

2. Der Bestand der Einrichtungen in der V. Republik.

3. Die großen wirtschaftlichen und sozialen Mutationen.

4. Die Aufgaben der Jugend.

Die europäische Sendung

Nach Meinung maßgebender Persönlichkeiten der UNR beansprucht der Gaullismus historische Aufgaben in Europa. Die Bipolarität der Welt ist abzulehnen. Drei große Zentren bilden sich heraus: Die angelsächsische Welt, China und ein Europa vom Atlantik bis zum Ural. Das Kleineuropa von 1947 war ein Trabant der USA. Die Basis des neuen Europas bilden die unabhängigen Nationalstaaten. Ein versöhntes

Europa möge andern Kontinenten, wie Afrika, die Zusammenarbeit anbieten. Aber kann der Friede in der Welt bewahrt werden, wenn die Spaltung in der Mitte Europas Ewigkeitswert besitzt?

Man sieht deutlich, daß sich in der erneuerten UNR Elemente des Fortschritts sammeln und um eine Analyse der Gegenwart und der Zukunft ringen. Die Partei lehnt es ab, den Notabein zu dienen, und will eine Volksbewegung werden, in der erste Spuren einer europäischen Sendung zu Tage treten. Und wie definiert einer der Minister die Rolle seiner Partei im Staat und in Europa?:

„Wir wollen ein freies Frankreich mit Ziberoler Geisteshaltung und einer universalistischen Sendung. Frankreich ist es gegeben, die Politik der feindlichen ideologischen politischen Blöcke durch ein neues System der internationalen Beziehungen zu ersetzen, die auf einem neuen Gleichgewicht beruhen.“

Kurz nach den Kampfhandlungen erklärte die israelische Regierung, daß sie sofort bereit wäre, ihre Truppen auf die alten Grenzen, die bis vor dam 5. Juni 1967 existierten, zurückzuziehen, wenn die arabischen

Staaten bereit wären, einen Friedensvertrag mit Israel zu unterzeichnen. Dieser Standpunkt wurde auch innerhalb der Regierung nicht völlig akzeptiert. Bekanntlich sind außer den beiden kleinen komimi-nistisdhen, der Einmannpartei „Hao-lam Hasen“ sowie einer rechtsradikalen Splitterpartei alle Parteien in der Regierung vertreten. Im Parlament verfügt die Regierung über 112 von 120 Stimmen.

Am Anfang war man der Ansicht, daß die Zeit zugunsten Israels arbeite. In der Zwischenzeit setzte Israel einige Fachkoxninissionen ein, um eine Lösung des Flüchtiingspro-blems — sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich — zu finden. Jedenfialils ist Israel haute bereit, das Problem der arabischen Flüchtlinge, die sich in den von Israel besetzten Gebieten befinden, zu lösen, wobei die israelischen Stellen annehmen, daß die Länder, die heute Millionen zur Erhaltung der Flüchtlinge in ihren Lagern ausgelben (insbeson-

dere die USA) im Grunde genommen bereiit wären, einmal eine große Summe auszuzahlen, um der Misere ein Ende zu machen.

Israel gab sich der Illusion hin, daß das Friedensangebot, mit Rück-

zug verbunden, Anklang bei den Nachbarstaaten finden werde. Doch die Zeit verstrich, ohne daß sich die Situation in dieser Hinsicht änderte. Nun wurden immer mehr Stimmen in Israel laut, die sich dafür einsetzten, kein besetztes Gebiet zurückzugeben. Auch hier war das Nicht-reagieren der Regierung am leichtesten, insbesondere da sich dadurch KoiaäMonsschwierigkeilten vermeiden lassen.

Interne Direktiven

Die internen Direktiven der israelischen Stellen, die Israels neuen Standpunkt darstellen, können in folgenden Puntoten festgelegt werden:

1. Die alten Grenzen, wie sie vor dem 5. Juni 1967 bestanden hatten, werden auch bei Friedensverhandlungen nicht verpflichtend sein. Dabei handelt es sich nicht nur um Jerusalem, sondern auch um die anderen Grenzen.

2. Der arabische Staat, der innerhalb der Grenzen des Mandats Palästina errichtet werden sollte — laut UNO-Beschluß 1947 —, entstand niemals. Keiner, weder die UNO noch irgendeine andere Macht, hatte jemals Ägypten oder das Königreich Jordanien als die Erben des nicht entstandenen arabischen Staates Palästina auserkoren. Die einzigen Hechte, die diese beiden Staaten hatten, waren Rechte der Eroberer.

3. Die Invasion der sieben arabischen Staaten in das damalige Palästina wurde seinerzeit von der

UNO verurteilt. Trotzdem hielt Ägypten den Gazastreifen und Jordanien Cisjordanien besetzt. In Wirklichkeit hatten weder Ägypten noch Jordanien irgendwelche Ansprüche auf diese Gebiete.

4. Ägypten hatte offiziell den Gazastreifen nie annektiert. Dieses Territorium wurde von Ägypten als

besetztes Gebiet behandelt und die Einwohner des Gazaatreiifens den ägyptischen Bürgern gegenüber diskriminiert. Bin prinzipielles Urteil, das im Jahre 1955 im Kairo gefällt wurde, stellte fest, daß der Gaza-streifan kein Teil Ägyptens sei.

5. Jordanien annektierte CisJordanien offiziell am 24. April 1950, doch nur England und Pakistan haben diese Annexion anerkannt, und auch England nur teilweise. Die arabischen Staaten weigerten sich, diese Annexion anzuerkennen und droh-

ten, aus diesem Grunde Jordanien aus der arabischen Liga auszuschließen. Israel hat sich von dieser Annexion immer distanziert.

6. Die Sinaihalbinsel war ursprünglich ein Teil des Ottomanischen Kaiserreiches. Im Jahre 1906 wurde diese Halbinsel unter britischem Druck auf die Türkei Ägypten überlassen. Während vieler Jahre saß in der SiinaihMIbinsel ein britischer Gouverneur, auch dann noch, als Ägypten bereits unabhängig war.

Waffenstillstandsverträge — nicht ewig

7. Die Grenzen zwischen Israel und den arabischen Staaten wurden durch dia Waffenstillstandsverträge im Jahre 1949 festgelegt. Im Paragraph 2 des israelisch-syrischen Waffenstillstandsvertrages hieß es: Dieser Vertrag wurde ausschließlich im Hinblick auf militärische und nicht auf politische Erwägungen diktiert. Im Vertrag mit Ägypten wurde gesaigt: die Waffensitällstands-linie ist in keinem Falle als eine politische oder territoriale Grenze anzusehen.

8. Am 31. Mai 1967, fünf Tage vor Ausbruch des Sechstaigekrieges, als die Tiranmeerenge von Ägypten abgeschlossen wurde, erklärte der Vertreter Jordaniens im Sicherheitsrat der UNO: „Es gibt einen Waffen-staistandsvertrag. Dieser Vertrag legte keine Grenzen fest, sondern nur Demarkationslinien. Dieser Vertrag nimmt sich weder politische noch militärische Rechte heraus.

Deshalb kann ich kein Territorium noch Grenzen anerkennen, sondern nur eine durch das Waffenstillstandsabkommen eingefrorene Situation.“

9. Während fast 20 Jahren haben die arabischen Staaten den Kriegszustand mit Israel aufrechterhalten. Auch wenn kein offener Krieg geführt wurde, kam es fast ständig zu Grenzzwischenfällen, der Suezkanai wurde für die israelische Schifffahrt gesperrt, ein wirtschaftlicher Boykott gegen Israel wurde von den arabischen Staaten organisiert, und während all der Jahre drohten die arabischen Staaten, „Israel von der Landkarte auszuradieren''.

Der neue Regierungsbesohluß lautet daher: direkte Verhandlungen zu führen, um einen Rückzug der israelischen Truppen bei Unterzeichnung eines Friedensvertrages auf neu festzulegende Grenzen zu ermöglichen.

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