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Um die Jahreswende war in der ägyptischen Hauptstadt eine politische Aktivität zu verzeichnen, wie sie das ganze Jahr 1971 hindurch nicht geherrscht hatte. Den Auftakt bot das Dreiertreffen der Präsidenten Ägyptens, Syriens und Libyens, dem die Konferenz der Außenminister der 18 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga auf dem Fuß folgte. Schließlich hielten der Parteivorstand der ägyptischen Einheitspartei „Arabische Sozialistische Union“ (ASU) und das Kairoer Parlament eine gemeinsame Sitzung ab, auf der Präsident Sadat außerordentliche Vollmachten für die weitere Handhabung der Nahostkrise übertragen wurden. Die vorausgegangenen Tagungen hatten den drei Föderationsstaaten Ägypten, Syrien und Libyen eine gemeinsame Bundesregierung und der Mehrzahl der arabischen Regierungen die Wiederherstellung der 1965 abgebrochenen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland gebracht.

Die Empfehlung der Außenministerkonferenz der Arabischen Liga zur Beendigung der vor sechs Jahren als Vergeltungsmaßnahme für Bonns Botschafterwechsel mit Tel Aviv verhängten Beschränkung in den diplomatischen Beziehungen zu Bundesdeutschland hatte in Kairo schon vor Weihnachten in der Luft gelegen. Algerien und der Sudan hatten ungeachtet des letzten Ligabeschlusses vom November, der die Neuentsendung arabischer Botschafter nach Bonn auf März 1972 vertagte, auf eigene Faust die vollen Beziehungen erneuert. Das war um so wirkungsvoller, als diese beiden Staaten bisher zu den radikalsten Kritikern Westdeutschlands im arabischen Raum gehört hatten und nicht einmal mehr Goethe-Institute auf ihrem Territorium duldeten.

Die neue ägyptisch-syrisch-libysche Bundesregierung, die am Vorabend der Normalisierung mit der Bundesrepublik gebildet wurde, ist durch dualistische Vorherrschaft von Kairo und Damaskus gekennzeichnet. Libyen, das sich bei der Ressortverteilung nur am.,, „Rande . einschalten konnte, spielt in der neuen arabischen Dreierkonstellation bei weitem nicht mehr die Rolle, die ihm 1970 in der Tripolis-Charta neben Ägypten und dem Sudan zugekommen war. Die Bestellung des früheren syrischen Präsidenten Khatib zum Bundeskanzler der Dreiergemeinschaft beweist hingegen die enge Zusammenarbeit zwischen Ägyptern und Syrern, die an die Stelle der fast zehnjährigen Rivalität zwischen der ehemaligen VAR und dem von ihr abgesprungenen Syrien der Baath-Sozialisten getreten ist. Der neue Bundesministerpräsident Khatib ist zwar auch ein alter baathistischer Parteigenosse, der sich aber bereits in Syrien um den Übergang vom doktrinären, antiägyptischen Atassi zum flexibleren Regim Hafez Assads verdient gemacht hat.

Die zum Unterschied von der Deutschlanderklärung und dem Appell für eine allarabische Gipfelkonferenz geheimen Beschlüsse der arabischen Außenminister sind dann auf der Kairoer Plenarsitzung von Partei und Abgeordnetenhaus in ihren Auswirkungen für Ägypten überprüft worden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß Präsident Sadat vorerst das Anlaufen der neuen Jar-ring-Verhandlungsrunde mit Israel abwarten will, ehe er von den ihm dabei erteilten Sonderbefugnissen in Richtung eines „Siegfriedens“ Gebrauch macht.

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