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Berner Sorgen

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Die Demonstrationen vor den Schweizer Botschaften in Kairo und Bagdad, sowie das offizielle Angebot der irakischen und algerischen Regierung, Kaution für die Freilassung der drei in der Schweiz festgehaltenen Attentäter vom Flughafen Klo-ten zu stellen, lassen nur zu deutlich die gefährliche Entwicklung erkennen, in die das traditionelle Freundschaftsverhältnis zwischen Bern und der arabischen Welt zu geraten droht. Erfreuten sich die palästinensischen Jugendlichen, die in den Garten der schweizerischen Botschaft in Kairo eindrangen, weder offizieller Unterstützung noch Billigung, so folgte schon der Überreichung eines auch von Drohungen Gebrauch machenden Memorandums der El-Faitah in Bagdad die vert>ind-liche Aufforderung der irakischen Regierung, die Attentäter gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Die Enthaiftumg des israelischen Fliuigzeugbegleiters durch die Schweizer Justizbehörden hat einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen, und die Folgen der Ablehnung des irakisch-algerischen Angebots durch die Schweiz sind noch gar nicht abzusehen.

In Ägypten, Jordanien, dem Libanon und anderen konsolidierten arabischen Staaten sind in diesem Fall zwar Proteste und Mißfallenskundgebungen, aber keine handgreiflichen Reaktionen zu erwarten. Im Irak, in Syrien und dem ziemlich radikal gewordenen Libyen müssen aber ernsthafte politische Konsequenzen und vielleicht sogar Repressalien gegen die Wirtschaftsinteressen der Schweiz einkalkuliert werden, die bisher auch in diesen Ländern tabu waren.

Einen so willkommenen Anlaß von Schweizer Seite auch die Freilassung des beteiligten Israelis den Forderungen der palästinensischen Organisationen gegeben haben mag, so scheinen sich hinter ihrer Kampagne doch auch andere Motive zu verbergen. Diesbezüglich 'ist es paradox,daß ausgerechnet die achtbare Justiz' der Eidgenossen unter permanentem Beschuß steht, während sich kein arabischer Partisan gegen die griechische Kriegsgerichtsfaairkeit rührt, die in Athen zwei andere Attentäter nun schon Monate ohne Rechtsbeistand gefangen hält, um sie standrechtlich abzuurteilen. Entweder spielt also tatsächlich das Motiv, die Hand auf den schweizerischen Besitz im Nahen Osten zu legen> bei den einseitigen Bemühungen um die Klotener Attentäter mit, oder die Athener El-Fatah-Leute, von denen seit ihrer Verhaftung jede Spur fehlt, sind von der griechischen Militärregierung schon längst in aller Stille freigelassen worden.

Auf die weitere Entwicklung der bundesdeutschen Nahostpolitik hat das triumphalische Auftreten des Pankower Außenministers Dr. Otto Winzer in der irakischen Hauptstadt Bagdad, wo das im Juli 1968 zur Macht gelangte Baath-Regime als erste nicht kommunistische Regierung die DDR diplomatisch anerkannt hat, lange Schatten geworfen. Kairoer Beobachter sind der Ansicht, daß es jetzt ganz entscheidend von den Reaktionen Bonns abhängen wird., ob das Beispiel des Irak in der gesamten arabischen Welt Nachahmiung findet. Man rechnet zwar von vornherein damit, daß Algerien und wohl auch Syrien in der nahen Zukunft Botschafter mit Ost-Berlin austauschen werden, doch sind eine ganze Reihe nahöstlicher Staaten, an ihrer Spitze die VAR, nicht unbedingt für Ulbricht engagiert. Allerdings legem sie auf ein gutes Verhältnis zum Deutschland diesseits und jenseits der Zonengrenze Wert und wollen der speziellen Bonner Sicht der deutschen Alleinvertretung so lange nicht mehr Verständnis entgegenbringen, als auch die Bundesrepublik nicht ihrerseits den arabischen AUeinverire-tungsanspruch für Palästina akzeptiert. Hier stoßen Hallsteindoktrin und Palastinadoktrin hart aufeinander. Da jedoch alle diese Staaten, die zur Zeit weder zu Bonn noch zu Pankow diplomatische Beziehungen unterhalten, nach wie vor an regem wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit der Bundesrepublik interessiert sind, bestehen gewisse Chancen, sie durch Entgegenkommen auf diesen Gebieten, aber auch durch Klarstellung über die Folgen einer Anerkennung der DDR von der Nachahmung des irakischen Beispiels abzuhalten.

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