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Kein arabischer „Imperialismus”

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Die Araber zeigen sich erstaunt über das ihrer Ansicht nach weit übertriebene Echo auf ihre jüngsten Aktienkäufe und die von der arabischen Liga eingeleitete politische Offensive in Europa. In Beirut wies ein Sprecher großer arabischer Kapitalgeber unlängst darauf hin, daß unter den arabischen Olprodu- zenten niemand von einem „Wirtschaftsimperialismus” träume. In Kairo vertrat der zuständige Ligasprecher vorher die Ansicht, die angekündigte Auseinandersetzung mit der „zionistischen Lobby in der öffentlichen Meinung der westlichen Welt” richte sich lediglich gegen die verzerrte Darstellung der berechtigten arabischen Interessen im Nahostkonflikt durch einen großen Teil der westeuropäischen Massenmedien.

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Die Araber zeigen sich erstaunt über das ihrer Ansicht nach weit übertriebene Echo auf ihre jüngsten Aktienkäufe und die von der arabischen Liga eingeleitete politische Offensive in Europa. In Beirut wies ein Sprecher großer arabischer Kapitalgeber unlängst darauf hin, daß unter den arabischen Olprodu- zenten niemand von einem „Wirtschaftsimperialismus” träume. In Kairo vertrat der zuständige Ligasprecher vorher die Ansicht, die angekündigte Auseinandersetzung mit der „zionistischen Lobby in der öffentlichen Meinung der westlichen Welt” richte sich lediglich gegen die verzerrte Darstellung der berechtigten arabischen Interessen im Nahostkonflikt durch einen großen Teil der westeuropäischen Massenmedien.

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Nachdem das Scheichtum Kuweit einen etwa vierzehnprozentigen Aktienanteil an dem bundesdeutschen Renommierunternehmen Daimler- Benz-AG in Stuttgart erworben hat und sich das Generalsekretariat der Arabischen Liga in Zukunft energisch gegen die angeblich teilweise prozionistische Berichterstattung der Massenmedien vor allem in den Niederlanden und der Schweiz zur Wehr setzen will, bemüht man sich auf arabischer Seite jetzt um eine beruhigende Darstellung dieser Entwicklung. Der Stuttgarter Aktienkauf sei alles andere als der Beginn eines europäischen Ausverkaufes. Die Luxemburger Holdinggesellschaft

„Compagnie Arabe et Internationale d’Investissement”, die den Aktienverkauf der Quandt-Gruppe vermittelte, unter anderem europäische Konsortien, ein saudisches Bankin stitut, und für den Eigentumswechsel zehn Millionen Deutsche Mark Provision erhalten haben soll, habe erst zugegriffen, nachdem sich kein deutscher oder europäischer Käufer gefunden habe. Wenn es den Europäern ernst sei mit ihren wiederholten Partnerschaftsangeboten an die arabischen Erdölproduzenten, müßten sie solche Investitionen doch begrüßen.

In diesem Zusammenhang macht man auf arabischer Seite, besonders in Saudi-Arabien, allerdings kein Hehl aus der Absicht, die westlichen Erdölfördergesellschaften in allerkürzester Frist ganz in arabische Regie zu übernehmen. Doch auch hier gibt man die beruhigende Versicherung ab, niemand denke an Enteignungen.

Nach Ansicht gewöhnlich gut informierter politischer Beobachter lassen sich allerdings gewisse Verbindungslinien ziehen zwischen der offensiver werdenden Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen durch die Araber in Europa und gewissen Einflußversuchen der Arabischen Liga auf die „veröffentlichte politische Meinung” der Massenmedien in einigen europäischen Ländern. Bevorzugtes Ziel und möglicherweise auch vorläufig letzter Testfall ist dabei die Schweiz. Die Schweizer hätten, wie man arabischerseits argumentiert, massive wirtschaftliche Interessen in der arabischen Welt zu ‘verlieren. Folglich müßten sie von dem Doppelspiel ablassen, zwar arabische Erdölmilliarden anzunehmen und mit den Araberstaaten lukrative Geschäfte zu machen, anderseits aber in ihren Massenmedien den israelischen Standpunkt im Nahostkonflikt zu bevorzugen. Der Tropfen, der hierbei das Pulverfaß zum Überlaufen gebracht zu haben scheint, ist der Beschluß des schweizerischen Nationalrates, als Antwort auf den Ausschluß Israels aus den Regionalorganisatio nen der UNESCO den schweizerischen Beitrag für diese Organisation um ein Zehntel zu kürzen. In der Kairoer Ligazentrale macht man dafür die Israelfreundlichkeit der schweizerischen Massenmedien verantwortlich.

Selbstverständlich sollten auch Journalisten auf die wohlverstandenen wirtschaftlichen Interessen ihres Landes Rücksicht nehmen. Es widerspräche aber dem journalistischen Selbstverständnis in einer westlichen Demokratie, wollten Presse, Rundfunk und Fernsehen deshalb nicht mehr ihre wirkliche Meinung sagen, genau dieser Umstand ist aber arabischen Partnern nur schwer klarzumachen. Das liegt an der unterschiedlichen Struktur der Presse in den arabischen Ländern und in Westeuropa. Eine unabhängige Presse im europäischen Sinn kennt man in der arabischen Welt lediglich im Libanon, und auch dort nur mit gewissen Einschränkungen.

Die Araberliga verfolgt mit ihrer Kampagne gegen die Massenmedien vor allem in Holland und der ^Schweiz das Ziel, die proisraelische Berichterstattung zurückzudrängen und der Darstellung des arabischen Standpunktes in der öffentlichen Meinung breiteren Raum zu erkämpfen. Das ist eine legitime Absicht. Nur scheint man sich auf arabischer Seite dabei gewissen Illusionen hinzugeben. Man unterschätzt offenkundig den Umstand, daß es noch immer eine Vielzahl abendländisch geschulter jüdischer Publizisten, auch im diplomatischen Dienst Israels, gibt, die ihre Sache den Europäern leichter verständlich machen können als die aus anderen Denkschulen hervorgegangenen Araber. Die Araber dürften also noch lange auf die Interpretationskünste europäischer Journalisten in den arabischen Hauptstädten angewiesen sein, wenn sie ihrer Stimme Geltung verschaffen wollen. Dazu bedürfte es vor allem größeren Vertrauens und größerer Bereitschaft zu wahrheitsgetreuer Information. Propaganda ist Sache der zuständigen politischen Vertretungen. Berichterstattung ist Sache der Journalisten. Diese kann nur korrekt sein, solange sie sich auf Informationen stützen kann und nicht auf Vermutungen stützen muß. Hier sollte man in Kairo den Hebel ansetzen. Der Berichterstatter kennt sowohl die meisten Araberstaaten, als auch Israel. Was ihm bei seinen Reisen in beide Teile der nahöstlichen Welt immer wieder aufgefallen ist, ist der Umstand, wie groß die Bereitschaft der Israelis und wie gering die der Araber ausgebildet ist, ihn mit nachprüfbaren und daher verwertbaren Informationen zu versorgen.

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