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Die Gefahr wächst

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Gamal Abdel Nasser ist tot. Mit ihm ist eine Epoche des arabischen Nationalismus zu Ende gegangen — wie die neue aussieht, kann niemand sagen. Die Welt — auch die westliche — hält dem toten Rais lobenden Nachruf. Denn das Leben Gamal Abdel Nassers hat den Beweis dafür erbracht, daß die Menschheit bereit ist, nach Worten — und nicht nach Taten zu urteilen. Es genügt, einen Nationalsozialismus „Sozialismus“ zu nennen, um der Unterstützung fast aller Fropagandaapparate dieser Erde sicher zu sein. Auf den Wortfluten der Massenmedien thronend, kann man von Mißerfolg zu Mißerfolg schreiten und wird dennoch als säkulare Erscheinung in die Geschichte eingehen.

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Gamal Abdel Nasser ist tot. Mit ihm ist eine Epoche des arabischen Nationalismus zu Ende gegangen — wie die neue aussieht, kann niemand sagen. Die Welt — auch die westliche — hält dem toten Rais lobenden Nachruf. Denn das Leben Gamal Abdel Nassers hat den Beweis dafür erbracht, daß die Menschheit bereit ist, nach Worten — und nicht nach Taten zu urteilen. Es genügt, einen Nationalsozialismus „Sozialismus“ zu nennen, um der Unterstützung fast aller Fropagandaapparate dieser Erde sicher zu sein. Auf den Wortfluten der Massenmedien thronend, kann man von Mißerfolg zu Mißerfolg schreiten und wird dennoch als säkulare Erscheinung in die Geschichte eingehen.

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Soviel zum Phänomen. Als Mensch hatte Nasser jenes undefinierbare und unerklärliche Charisma, das notwendig ist, um Massen zu bewegen und zu begeistern. Dieses Charisma und das Spiel mit Worten (den stärksten Waffen dieses Jahrhunderts) machten ihn zum großen Staatsmann.

Die größte Schwäche autoritärer Systeme liegt in der Nachfolgefrage. Franco und Tito glaubten nicht an ihre Unsterblichkeit und lösten diese Frage bei Lebzeiten. In Ägypten ist die Nachfolge ungelöst — und die Gefahren für die gesamte Menschheit wachsen.

Nassers Tod fiel in die Endphase der Auseinandersetzung in Jordanien. Ob sein Tod den „Friedensschluß“ zwischen Hussein und den Freischärlern besiegeln kann?

Auch darüber scheint man sich im Westen, etwa auch in Österreich, erheblich falsche Vorstellungen zu machen. Wie überhaupt die jordanischen Ereignisse die Köpfe einiger heimischer Gazettenschreiber verwirrten.

König Hussein ist gewiß nicht immer ein Paragon aufrechter Friedensliebe gegen seine israelischen Nachbarn und auch nicht aufgeklärt-sozialen Verhaltens gegen die zu seinen Untertanen gewordenen Bewohner des von ihm 1948 okkupierten Teils Palästinas gewesen. Dennoch hat er in der vergangenen Woche nicht nur versucht, seinen Thron zu retten, sondern er hat durch die Niederschlagung des Aufstandes der Fedajin weitere Bemühungen um Frieden im Nahen Osten ermöglicht und vielleicht noch viel mehr; hatte doch der Initiator des Aufstands, George Habash, erklärt, es läge ihm gar nichts daran, wenn es über einen neuen Krieg mit Israel auch zu einem dritten Weltkrieg kommen sollte.

Welch ein Ausmaß von Verworrenheit muß jedoch in den Köpfen jener Funktionäre des Verbandes sozialistischer Studenten Österreichs und sogar auch derjenigen Redakteure der „Arbeiter-Zeitung“ bestehen, die sich anläßlich der jüngsten Vorkommnisse mit den palästinensischen Terroristen solidarisierten, mit denselben Leuten, über deren Kidnapper- und Gangstermethoden die ganze zivilisierte Welt noch vor wenigen Wochen ihr Entsetzen geäußert hat! Zudem hat die Grausamkeit und Wildheit, mit der dieser Bürgerkrieg von zwei arabischen Seiten geführt worden ist, nunmehr einiges Verständnis selbst bei den besten Freunden der arabischen Sache für das Bestreben der Israelis seit 1967 hervorgerufen, sich die Araber so weit als möglich vom Leibe zu halten, da die Israelis nur zu gut wissen, was sie erst an Nächten und Tagen der langen Messer im Falle eines arabischen Durchbruches zu erwarten hätten. Zu allen Zeiten der Geschichte hat geschlagen zu werden nicht immer bedeutet, daß der Unterlegene für die bessere Sache gekämpft, noch daß er sich humanerer Methoden als der Sieger bedient hätte. Eines hat sich des weiteren klar erwiesen, was freilich immer schon ersichtlich war — wenn auch nicht für jene jungen Leute, die am Vorabend des letzten 1. Mai mit El-Fatah-Plakaten über die Ringstraße gezogen sind (und wofür sie weitaus weniger verzeihende Nachsicht von seiten ihres Parteivorstandes verdient hätten, als ihnen zuteil geworden ist) —, nämlich, daß das Problem der palästinensischen Flüchtlinge weder um den Preis eines neuen Krieges im Nahen Osten und der Vernichtung Israels, noch gar um den eines Weltkrieges gelöst werden kann. Diese Lehre geht die am nächsten Beteiligten: die arabischen Staaten, die Palästinenser und den Staat Israel, am meisten an. Sie gilt aber auch für die UNO, deren Generalsekretär die ganzen Jahre hindurch den Terror der Fedajin toleriert und stillschweigend als ein politisches Mittel anerkannt hat. Noch herrscht keine Ruhe im Nahen Osten, und die Aufforderung König Husseins an die Terroristen, sich aus dem Inneren des Landes wieder an die israelische Grenze zurückzuziehen, um dort ihren verzweifelten Haß mit Kat-juscha-Raketen gegen die Kinder und Frauen der jüdischen Grenzbauern zu entladen, zeigt, wie weit man noch vom Frieden entfernt ist. Um so überlegter sollten daher Manifestationen zum Geschehen im Nahen Osten sein, wenn sie so weit vom Schuß wie hier in Österreich unternommen werden.

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