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Arabische Kommunistenjagd

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Offiziellen Angaben aus Kairo zufolge stand die innerpolitische Szene in Ägypten in den letzten Tagen im Zeichen der Verhaftung von Kommunisten. Das Regime des Präsidenten Mohammed Anwar Es-Sadat versucht den Eindruck zu erwecken, bei diesen Aktionen handle es sich um einen Racheakt und einen Pressionsversuch gegenüber der Sowjetunion. Der Kreml hatte sich jetzt erneut geweigert, einige Rubelmilliarden nicht zurückgezahlter Kredite an das Nilland „umzuschulden“. Politische Beobachter sehen in den Festnahmen angeblicher Kommunisten jedoch eher ein ernst zu nehmendes Anzeichen für die zunehmende innerpolitische Nervosität in Kairo.

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Offiziellen Angaben aus Kairo zufolge stand die innerpolitische Szene in Ägypten in den letzten Tagen im Zeichen der Verhaftung von Kommunisten. Das Regime des Präsidenten Mohammed Anwar Es-Sadat versucht den Eindruck zu erwecken, bei diesen Aktionen handle es sich um einen Racheakt und einen Pressionsversuch gegenüber der Sowjetunion. Der Kreml hatte sich jetzt erneut geweigert, einige Rubelmilliarden nicht zurückgezahlter Kredite an das Nilland „umzuschulden“. Politische Beobachter sehen in den Festnahmen angeblicher Kommunisten jedoch eher ein ernst zu nehmendes Anzeichen für die zunehmende innerpolitische Nervosität in Kairo.

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In Ägypten gab es schon immer nicht nur eine, sondern zeitweise bis zu fünf verschiedene kommunistische Parteien und dazu zahllose überraschend auftauchende und ebenso überraschend wieder verschwindende Splittergruppen mit wechselnder und sich überschneidender Mitgliedschaft. Hierbei handelte es sich ausschließlich um Intellektuelle aus dem bürgerlichen Milieu. Unter Gamal Abdel Nasser blieben die Kommunisten, wie schon unter der Monarchie, stets verboten. Dem Einfluß Chruschtschows und der enger werdenden ägyptisch-sowjetischen Zusammenarbeit war es zuzuschreiben, daß die Kommunisten nach 1964 individuell der Einheitspartei „Arabische Sozialistische Union“ (ASU) beitreten durften. In ihr bildeten die geschulten Doktrinäre bald regelrechte Kader, infiltrierten die Staatspresse, Studenten- und Arbeiterzirkel und gewannen immer größeren Einfluß auf den Gang der Innenpolitik. Ihr theoretisches Organ wurde das von dem einflußreichen Redakteur der offiziösen Tageszeitung „El-Achram“ („die Pyramiden“) herausgegebene Monatsblatt „Et-Talia“ („die Avantgarde“). Dessen Redaktionschef Lutfi El-Choli wagte sich jedoch schon unter dem Verstorbenen „Rais“ manchmal zu weit vor und geriet häufig in die Mühlen der Konzenjustiz, in die berüchtigten Folterkeller der Geheimpolizei oder ins Konzentrationslager.

Unter Mohammed Anwar Es-Sadat verlor El-Choli seinen öffentlichen Einfluß, wenngleich das theoretische Organ „Et-Talia“ noch immer erscheint, und das Regime entwand den Kommunisten sanft, aber bestimmt den öffentlichen Einfluß.

Heute sind die noch existierenden oder auf dem Universitätscampus zuweilen mehr oder weniger als Eintagsfliegen entstehenden kommunistischen Gruppen ziemlich gut unter Kontrolle, und die Sicherheitspolizei verunsichert sie mehr oder weniger regelmäßig durch überraschende Kontrollen oder vorübergehende Festnahmen.

Die Verhaftungen in Kairo übersteigen ! diesmal jedoch das übliche Maß. Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den rund zwanzig Festgenommenen, unter ihnen fünf junge Mädchen, um. Mitglieder der am Nil bislang unbekannten Organisation „Revolutionäre Welle“. Sie soll der sogenannten „Internationalen Kommunistischen Liga“ angehören. Zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gehört unter anderem die Vorbereitung des Sturzes von Präsident Es-Sadat.

Es ist fraglich, ob die Kairoer Aktion in Zusammenhang mit den vorausgegangenen Maßnahmen gegen

Kommunisten in Kuweit und Syrien steht. Sicher ist allerdings, daß die Sowjets als eine der Gegenmaßnahmen gegen den wachsenden westlichen Einfluß in einigen arabischen Schlüsselländern ihre ideologischen Sympathisanten zur Verunsicherung der dortigen Regimes und zum Schutz ihrer eigenen außenstrategischen Interessen einzusetzen versuchen. In Syrien hatte das, obwohl Damaskus nach wie vor eng mit Moskau verbündet ist, einigen jugendlichen roten Idealisten sogar den Kopf gekostet. Auch in diesem Fall munkeln manche von einem Zusammenhang mit Finanzproblemen. Der Kreml habe syrische Kreditgesuche abgelehnt und Präsident Hafis El-Assad an westliche Geldquellen verwiesen. Solche Zusammenhänge lassen sich jedoch, wie auch in dem Kairoer Fall, bestenfalls vermuten. Die Verhaftungen sind daher in erster Linie ein weiteres Indiz für die andauernde und zunehmende innerpolitische Instabilität in der arabischen Welt.

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