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Fata Morgana mit Jubel

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Ungeachtet der überwältigenden Zustimmung der Bevölkerung Ägyptens, Libyens und Syriens und des amtlich verordneten Jubels über diese „Verwirklichung des ersten Schrittes zur arabischen Einheit“ gibt man der neuen Araberföde- ration im Nahen Osten wenig Erfolgsaussichten. Von rund zehn Millionen Abstimmungsberechtigten, also etwa einem Viertel der 41-Millionen-Gesamtbevölkerung der drei Staaten hatten sich in Ägypten 99,9 Prozent, in Libyen 98,7 Prozent und in Syrien 94,4 Prozent für die von den Präsidenten Mohammed Anwar es-Sadat, Mo’ammer El-Gaddafl und Hafis el- Asad kürzlich in Damaskus gegründete „Union Arabischer Republiken“ ausgesprochen. Diese Mehrheit besagt allerdings nichts über die Legitimation der Föderationsgründer. In Kairo, Tripolis und Damaskus hatten die Staatschefs in Fernseh- und Rundfunkreden die Bevölkerung zu einmütiger Zustimmung aufgefordert. Araber sind leicht zu begeistern, die Föderation entspricht einer jahrhundertealten Sehnsucht und die

Menschen in diesen Ländern wissen sehr gut, was sie zu tun haben, um sich nicht dem Zorn der jeweiligen Machthaber auszusetzen. Es stand also von vornherein fest, daß es eine überwältigende Zustimmung geben werde. Trotzdem verzichtete man sicherheitshalber nicht auf massive Wahlmanipulationen. In allen drei Ländern wurden als politisch unzuverlässig eingestufte Wahlberechtigte von der Abstimmung ausgeschlossen. In Kairo und in den ägyptischen Dörfern sorgten die Ortsgruppen der sozialistischen Einheitspartei und die Dorfgendarmen für das richtige Stimmbild. In Libyen besahen sich die Wahlleiter jeden Stimmzettel, ehe sie ihn in der Wahlurne deponierten.

Das amtliche Endergebnis des Plebeszites will also unter solchen Umständen wenig besagen. Gäbe es nicht den üblichen Fahnenschmuck in den Straßen und die triumphierenden Kommentare in Fernsehen, Rundfunk und Presse, könnte man meinen, die Föderationsgründung sei an den Menschen spurlos vorübergegangen. Das gilt vor allem für

Ägypten, wo Skepsis und Desinteresse überwiegen. Hier erinnert man sich an die Enttäuschung mit der ersten „VAR“ von 1958 bis 1961.

Auch in Syrien stößt man eher auf Zurückhaltung. Man fühlt sich hier zwar als Angehöriger des Herzlandes der arabischen Welt, fürchtet aber den ägyptischen Machthunger.

Nur die Libyer geben sich zwie spältig. Die dünne städtische Intelligenzschicht, die den jugendlichen Militärdiktator verachtet, fürchtet, das Föderationsexperiment werde es Ägypten ermöglichen, die libyschen Erdölmilliarden für die Finanzierung militärischer Abenteuer gegen Israel zu verpulvern. Die Anwesenheit tausender ägyptischer Experten in Armee, Geheimdienst, Polizei, Erziehungswesen und Verwaltung sorgt für viel böses Blut, weil die Ägypter sich traditionell schlecht auf die Mentalität anderer Völker einstellen können. Interessant ist, daß man in politisch aufgeklärten und engagierten Kreisen eine ähnliche Anlehnung an den Maghreb vorgezogen hätte.

Nicht einmal gemeinsamer Markt

Ihre Bewährungsprobe dürfte die Föderation erleben, sobald der ehr geizige libysche Juntachef el- Gaddafl versucht, die „UAR“ in seine panarabischen Ziele einzuspannen, oder wenn eine ihrer drei Regierungen in innerpolitische Bedrängnis gerät und die anderen beiden ihr zu Hilfe kommen müssen. Eine Analyse der Föderationsverfassung erlaubt schon jetzt keine optimistische Zukunftsprognose. Die „UAR“ wird zwar einen Föderationspräsidenten und ein Bundesparlament bekommen, aber weder die Beschlüsse der Parlamentarier noch die Verordnungen der Präsidenten sind dem jeweiligen Landesrecht übergeordnet. Bis jetzt bestehen auch noch keine Pläne für eine militärische Koordination. Wichtiger noch sind die Unterschiede auf monetärem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet. Die Chance zu einem Zusammenwachsen der drei Landesteile bestünde nur, wenn man sich zu einer gemeinsamen Währung und einem gemeinsamen Staatshaushalt mit einem Lastenausgleich des reichen zugunsten der schwachen Partner entschließen könnte. Auch an einen gemeinsamen Markt ist kaum zu denken. Für ihn besäße zwar Ägypten die industriellen Voraussetzungen, Syrien und Libyen hätten das Aufnahmevolumen, doch in Damaskus und Tripolis kauft man für sein gutes Geld lieber europäische oder japanische Industrieerzeugnisse als die minderwertigen Produkte vom Nil Ein führender ägyptischer Wirtschaftsfachmann zog daraus den Schluß, die Föderation sei nichts als eine Fata Morgana, die ebenso schnell verschwinden werde wie sie aufgetaucht sei.

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