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Rabat und Tripolis

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Widersprüchlich sind die Ergebnisse der verschiedenen allarabischen und bilateralen Konferenzen, die in der zweiten Dezemberhälfte vor, neben und nach dem V. Gipfeltreffen von Rabat abgehalten wurden. Löste sich dieses in Differenzen auf, so haben das Nasser-Feyzal-Treffen in Kairo und vor allem der „Kleine Gipfel“ in Tripolis, der sich an Rabat anschloß, nach dem vergeblichen Ringen um panarabische Direktiven „kleinarabische“ Zwischenlösungen wie die Kooperation Libyen-VAR-Sudan und die Festigung der ägyptisch-saudischen Zusammenarbeit in den Vordergrund gerückt. Die Palästinensische Befreiungsorganisation unter Yasser Arafat schließlich hat von der ohne Schlußkommunique beendeten Gipfelkonferenz stillschweigend die Bestätigung erhalten, der einzige effektive und funktionsfähige Faktor in der bewaffneten Auseinandersetzung um Palästina zu sein, was der Partisanenführer auf seinem anschließenden Besuch in Algier auch dementsprechend herausstellte. Es wäre jedoch übertrieben, Rabat als einen kompletten Fehlschlag zu bezeichnen. Zwar war die Einsetzung der algerisch-irakischen Untersuchungskommission für den Konflikt in Südarabien, die zum Jahresende ihre Arbeiten in Aden aufgenommen hat, das einzige konkrete Ergebnis der dreitägigen Beratungen in der marokkanischen Hauptstadt, doch lag es hauptsächlich an ihrer ungenügenden Vorbereitung und der zu allgemein gefaßten Tagesordnung, daß keine wirksamen Beschlüsse gefaßt werden konnten. Man hatte das Programm bewußt nicht näher festgelegt, um zum Unterschied vom IV. Gipfel in Khartum die Teilnahme aller arabischen Regierungen zu sichern. Die Hoffnung, daß sich ihre Meinungsverschiedenheiten auf

höchster Ebene leichter auf einen Nenner bringen ließen als bei diplomatischen Vorgesprächen, erwies sich leider als trügerisch.

Die Beteiligung Syriens, das seit der Kairoer Außenministerkonferenz vom 8. Dezember 1967 die Einberufung des lange geplanten Rabater Gipfels blockiert hatte, war ihrerseits um den Preis der Wiederherstellung der in der Ben-Barka-Affäre abgebrochenen Beziehungen zu Marokko und von Seiten der Konferenz durch eine auf Krieg gestimmte Tagesordnung gesichert worden.

Nassers Auszug

Im Laufe der Beratungen, die bald von dem einen, bald von dem anderen Staatschef boykottiert wurden, weil er das zu allgemeine Rahmenprogramm anders interpretiert hatte und seine Anliegen vernachlässigt fühlte, wurden die Tagesordnungspunkte 1 und 2 bald zu Scheidewegen der Meinungen. Der erste sah die Mobilisierung aller arabischen Staaten gegen Israel vor, wozu Ägyptens Verteidigungsminister Fawzy sogar einen strategischen Detailplan vorlegte. Wie nicht anders zu erwarten, wenn militärische Projekte vor ein politisches Forum gebracht werden, gab es darüber keine Einigung, und ebensowenig

zum zweiten Tagesordnungspunkt, der die Position des palästinensischen Widerstandes in Israels Nachbarstaaten nach dem Vorbild des im Libanon erreichten Kompromisses legalisieren sollte. Der Emir von Kuweit versuchte durch seinen Antrag einer Verschmelzung der Punkte 2 und 3, der Frage des Widerstandes mit der Hilfe für die Bevölkerung der besetzten Gebiete, den toten Punkt zu überwinden, doch sorgte dann Präsident Nassers Auszug aus der Konferenz für deren Ende.

Die Art und Weise, wie die ägyptische Presse den Alleingang des VAR-Präsidenten, der schon während des ganzen „Gipfels“ auffallend zurückhaltend gewesen war, herausgestellt hat, läßt darauf schließen, daß Nasser die in Rabat offen gebliebenen Fragen nun in seinem Sinne zu lösen gedenkt. Vor allem reaktivierte er sofort den Plan des ägyptisch-libysch-sudanesischen Dreiergipfels in Tripolis. Dieses/ Projekt, das seit November . diskutiert wurde, war vor Rabat zweifelhaft geworden, da andere arabische Staaten in der geplanten Föderation zwischen Tripolis, Kairo und Khartum eine .kleinarabische Lösung“ erblickten und im Namen des Pan-arabismus nicht mit ihrer Kritik zurückhielten. Die Lücke, die Rabat offen ließ, war aber nun der gegebene Anlaß, an die Verwirklichung dieser Vorstufe einer neuen „Vereinigten Arabischen Republik“ zu gehen. Die Gespräche zwischen Nasser, Kazafy und Numeiry in Tripolis, denen Verbrüderungskundgebungen in Benghazi folgten, haben im kleineren Kreis das Rabater Programm verwirklicht und den Kern für eine neue arabische Gemeinschaft gebildet, nachdem sich die 1967 auf dem Gipfel von Khartum unter dem frischen Eindruck des Junikrieges zusammengeschmiedete Notgemeinschaft der arabischen Welt als zu schwerfällig erwiesen hat und ihre interarabische Ordnung seit der libyschen Revolution in Bewegung gekommen ist. Daß sich Präsident Nasser auf weitere Initiativen in dieser Richtung zu konzentrieren beginnt, beweist unter anderem die Ernennung des innenpolitisch profilierten Anwar El-Sadat zum Vizepräsidenten der VAR, der Nasser bereits seit geraumer Zeit einen großen Teil der Repräsentationsund Veranstaltungspflichten abgenommen hat.

Dieser Neuansatz im arabischen Sammlungsprozeß bedeutet natürlich eine Verlängerung der offiziellen Waffenruhe an der Suez- und Jordanfront. Militärische Aktivitäten bleiben nach wie vor dem palästinensischen Widerstand vorbehalten, der sich damit auch die in Rabat offen gebliebene Finanzhilfe der Arabischen Liga-Staaten sichern dürfte. Yasser Arafat und seine These vom „Volksbefreiungskrieg“ sind durch die Verlegenheit der arabischen Führer in Rabat in den Augen der nahöstlichen Welt nur bestätigt worden, was den politischen Einfluß der „Feddayin“ erhöht und den Weg zu weiteren revolutionären Entwicklungen nach libyschem Vorbild geebnet hat.

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