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Linksdiktatur nach Kairoer Muster

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Den Sudan erschütterte am Pfingst-sonntagmorgen, zum zweitenmal in seiner erst knapp 13jährigen Geschichte als unabhängiger Staat, ein geglückter Militärputsch. Arabische Armeen sind, wie dieses Beispiel erneut bestätigt, eine ständige Gefahr für die innere Entwicklung ihrer Länder. Als die Khartumer Bevölkerung nach einer drückend heißen Nacht aufwachte, rasselten Panzer über die im Nu menschenleere Corniche, umstellten Parlament, Regierungsgebäude und Universitätsgelände, Militärstreifen verhafteten die führenden Politiker und patrouillierten schwerbewaffnet durch die Straßen der Tropenmetro-pole am Zusammenfluß von Weißem und Blauem Nil und die brodelnden Eingeborenenquartiere der gegenüberliegenden Schwesterstadt Om-durman. Die Putschisten erließen, über den Rundfunk, ein zweitätiges Ausgehverbot und hüllten sich darüber hinaus in eisernes Schweigen. Ungewiß blieb das Schicksal der bisherigen regulären Führung. Den Staatsstreich leitete ein kaum bekannter Oberst Moneiri. Er stützt sich angeblich auf einen 99köpfigen Revolutionsrat, dessen Zusammensetzung jedoch erst später bekanntgegeben werden soll. Neuer Regierungschef und Außenminister ist bemerkenswerterweise ein Zivillist; der im Ausland bisher noch wenig beachtete Linkspolitiker Babifcir Awadallah.

die Verfassung wurde suspendiert, und die Partfeien sind' vorläufig verboten. Doch sitzen Repräsentanten sämtlicher politischer Gruppen in der neuen Regierung. Dabei handelt es sich allerdings nicht um deren Spitzenvertreter, sondern um durchwegs jüngere Kräfte. Man könnte sagen, durch den Staatsstreich habe die zweite die erste politische Garnitur abgelöst.

Schon die bisherige Regierung hatte erstmals sowjetische Waffen bezogen. Der gestürzte Kabinettschef Machgub vermied jedoch, sich in den Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen arabischen Lagern festzulegen. Er genoß erhebliches Ansehen in Ägypten wie in Saudisch-Arabien. Durch seine Vermittlung beendete man den siebenjährigen Bürgerkrieg im Jemen. Nach dem Sechstagefeldaug erreichte er die saudisch-kuweitisch-libyschen Devisenzusehüsse für Präsident Abdel Nasser und König Hussein von Jordanien. Er galt als aussichtsreicher Nachfolgekandidat für den amtsmüden mehr als 70jährigen Generalsekretär der Araberliga, Abdel Khalek Hassuna. Machgubs ausgleichendes Temperament verhalf ihm auch zu großer innerpolitischer Popularität. Doch verhinderte diese schließlich nicht seinen Sturz.

Nichts bekannt ist bis jetzt über

zwischen Offizierskorps und Linkspolitikern. Ministerpräsident Awadallah wirkte 1964 mit beim Sturz des Militärdiktators General Ibra-chim Abbud. Jetzt warf er den Zivilisten vor, sie hätten die Verfassung nicht beachtet und verbündete sich selber mit der Armee. Tiefere Ursache dieser Entwicklung sind die offenbar unüberwindlichen inneren Gegensätze des Sudans. Die 14-Millionen-Bevölkerung des Riesenlandes an der Schwelle zwischen arabischer Welt und Schwarzafrika zerfällt inffifeejtffqffp-raich unversöhnlich gegenüberstehende ethnische, religiöse und politische Lager. Der aratoisch-islamdsche Norden überzieht den teilweise christianisierten negroiden Süden seit zehn Jahren mit einem regelrechten Ausrottungs-kriag. Er kostete nach zuverlässigen Schätzungen rund vier Millionen Tote, und in den Nachbarländern Äthiopien, Kenia, Uganda, Kongo und Zentralafrikanische Republik leben mehrere Hunderttausend Flüchtlinge.

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