6624786-1956_01_09.jpg
Digital In Arbeit

RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

Werbung
Werbung
Werbung

ES WAR EIN FEST, dieses ersfe Weihnachtsfesl Im freien Oesterreich, wie wir es lange nicht gehabt. (Wir werden auch, meinen einzelne Wirtschaftsskeptiker, .nimmer seinesgleichen sehn“.) Innenpolitisch ruhig, außenpolitisch von keinen ernsteren Schatten bedacht, wirtschaftlich konsolidiert, von fast sinnbildlich schönem Früh-lingshimmer beleuchtet, gingen die Tage still und ohne Aufregung vorüber. Die vollen Kirchen in der Wienersfadf mögen diesmal weniger rouiine-fromme, als vielmehr aufrichtig dankbare Beter beherbergt haben. Wir hatten allan Grund dazu. So haben auch die Festausgaben der österreichischen Presse keine Sensationen, sondern ruhigere, gehaltvolle Tnemen: Koexistenz, Konjunktur, Mensch und Materie. Aber auch die „Kafaslrophenpanik“, die sonsf die ersten Blätter nach den Feiertagen erfüllt, hielt sich diesmal in mafjvollen Grenzen. Der Familienfragö-dien, Verkehrskatastrophen Bombenanschläge gab es diesmal weniger als sonst, man hatte Mühe, aus dem grotesken Zusammentreffen kleinerer Unruhen in Marokko mit einem österreichischen Fufjballgastspiel Schlagzeilen für die-erst Seite zu finden. Im Heiliger Land war Ruhe, und vom Papst aus Rom kamen klare, feste, richtungweisende Worfe für Gegenwart und Zukunft. Wir werden, da das Fest nun vorüber ist und der Alltag von uns Bewährung fordert, Gelegenheit haben, ihnen zu folgen.

DIE ATOUTS BLIEBEN IM BLATT. In der vergangenen Woche hat der britische Premier sein gesamtes „ministerielles Karlenpaket“ mit überraschender und, wie auch manche konservative Kritiker meinen, vielleicht überflüssiger Gründlichkeit durcheinandergemischt und frisch ausgeteilt. Ein Wechsel an der Spitze zweier der wichtigsten Ministerien war allerdings schon seif längerem erwartet worden. Man wufjte um die Amtsmüdigkeif R. A. Butlers, des Schatzkanzlers, der sich frofz der unleugbar hervorragenden Verdienste, die er sich als Retter der unter der Labour-Regierung in schwerste Nöte geratenen Währung erworben hatte, einer wachsenden Opposition in den Reihen seiner eigenen Parteifreunde gegenübergestellt sah; er wollte und konnte sich nichf länger dem Vorwurf aussetzen, durch seine im höchsten Grade unpopulären deflationistischen Maßnahmen, von deren Notwendigkeit für die Gesundung der englischen Wirtschaft er überzeugt blieb, die Stellung der Konservativen im Lande zu gefährden. Und man wufjte auch von dem einigermafjen gespannten Verhältnis, welches zwischen dem Premier und dem Chef des von ihm selbst durch so viele Jahr geführten Ressorfs herrschte; dem in geschäftlichen Dingen erfahrenen und auch sonst ideenreichen, aber auch sehr eigenwilligen Aufjenminister Harold Macmillan, der schon im Kriege, als Vertreter des Aufjenamtes auf den südöstlichen Kriegsschauplätzen, nicht immer den Weg ging, der den Absichten des damaligen Außenministers Anthony Eden entsprach, und zudem seit seinem Einzug in die Downing Sfreef keine sehr glückliche Hand bei der Führung der britischen Außenpolitik, namentlich hinsichtlich Zyperns, Jordaniens und der übrigen arabischen Staaten, gezeigt hat. Nun sind sowohl Butler wie Macmillan neuerdings auf höchsf verantwortungsvolle Posten berufen' worden; ersterer als Lordsiegelbewahrer und „Leader“ des Unterhauses, womit praktisch die Leitung der gesamten Innenpolitik verbunden ist, und letzterer als Schatzkanzler, womit ihm Gelegenheit geboten ist, seine Geschäffsfüchtigkeit auch unter den schwierigsten Verhältnissen zu beweisen. Mit diesen Berufungen und besonders auch mit der Ernennung des jungen Mr. Aubrey Jones, eines hochbegabten Bergarbeifersohnes, zum Minister für Heizstoffe und Kraftwerke, zum Chef also eines der dornenvollsten Ressorts, hat Sir Anthony Eden gezeigt, daß er bestrebt ist, sich mit ausgesucht fähigen Milarbeitern zu umgeben. Eine andere Frage freilich ist die, ob er gut beraten war, als er sich entschloß, im Zuge der erwähnten Aenderungen nicht weniger als dreizehn Minisferposfen und elf Staatssekretäre neu zu besetzen. Der Eindruck der Unsicherheit in der obersten Sfaafsführung, der sich daraus ergeben könnte, wäre besser vermieden worden. •

ZWEIPARTEIENSYSTEM IN JAPAN. Die Fusion der zwei konservativen Parteien, der Demokraten und Liberalen, fand — wie der „Furche“ aus Tokio berichtet wird — die Zustimmung weiter Kreise des Inselreiches. Erstmalig v/erden nur zwei Parteien im Parlament vertreten sein, die Konservativen, offiziell „liberal-demokrafi sehe Partei“ genannt, und die Sozialisten. Auch die neue sozialistische Partei ist das Ergebnis einer kürzlich erfolgten Verschmelzung von Links- und Rechtssozialisten. Nun werden sie eine echte Opposition bilden, was bisher auf Grund ihrer Zersplitterung nicht der Fall war. Trotz dieser gesunden parlamentarischen Plalt-form gibt es Bedenken, denn hinter der schein bar glatten Fassade des Zweiparteienparlamenfs zeigen sich Risse. Dem zahlenmäßigen Bild entsprechend, scheint freilich alles eitel Wonne. Im Oberhaus nimmt die neue Partei 229 Sitze (62 Prozent) von 467 ein, die Sozialisten haben 154 (33 Prozent). Im Unterhaus liegen die Verhältnisse ähnlich. Von 717 Sitzen gehören den Konservativen 405, den Sozialisten 222. Die ersfe Aufgabe der neuen „konservativen Partei“ wird die Wahl eines Präsidenten sein. Vorläufig ist ein Quadrumvirat mit der Führung beauftragt, das sich aus den beiden Präsidenten der beiden früheren Parteien und zwei führenden Politikern zusammensetzt. Dieser augenblicklichen Führung mangelt es aber an einem aktiven, klaren Konzept. Schon bei der Fusion machten Splittergruppen nicht mit, die> Bereitwilligen, fanatische Anhänger des Exministerpräsidenlen Yoshida, dachten keineswegs uneigennützig. Sie werden wohl die erste Gelegenheit zur Sezession benützen und die alte liberale Partei wieder aufleben lassen. Der Grund dafür ist einleuchtend, denn Hatoyama, der jefzige Ministerpräsident, war der Mann, der Yoshida stürzte. Ein offenes Geheimnis ist auch die alte Gegnerschaft zwischen Taketora Ogata, dem Präsidenten der alten Liberalen, und Mamoru Shigemifsu, dem zweiten Mann der Demokraten. Seit dem Ende des Weltkrieges befinden sie und ihre zahlreiche Anhängerschaft sich '.n einer Arf „kaltem Krieg“. Was sich also bis zur Präsidentenwahl im April noch alles ereignen wird, kann man nur ahnen. Als Spitzenkandidat gilt Hafoyama, dann Ogata. An dritter Stelle rangiert erst der gegenwärtige Außenminister Shigemifsu, auch der Generalsekretär der ehemaligen Liberalparfei Nobusuke Kishi wird genannt. Ob also die scheinbar stabile politisch-parlamentarische Lage, das Zweiparteiensystem, wirklich der Anfang einer fruchtbaren Arbeit sein wird, wird sich erst erweisen müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung