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Pulverfaß Ostafrika

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Das Militärregime General Idi Amins in Uganda scheint sich nur durch immer größeren Terror an der Macht halten zu können. Die Beden und Träume des Generals sowie die Ubergriffe seiner Armee, die aus dem Fundus des usurpierten asiatischen Vermögens großzügig für ihre Treue entlohnt wurde, machen seit Monaten Schlagzeilen in der ostafrikanischen Presse. Nach dem Exodus der Asiaten und der Verstaatlichung britischer Firmen verlassen nun auch Hunderte von Schwarzen fluchtartig das Land. Weit mehr jedoch sind inzwischen spurlos verschwunden, darunter auch hohe Beamte der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Aus diesem Grund begann die Gemeinschaft Anfang Februar, ihre Beamten aus Uganda abzuziehen. Die Generaldirektion der E. A. Post & Telecommunications Corporation und die Zentrale der E. A. Development Bank befinden sich in Kam-pala. Wie die Gemeinschaft und deren gemeinsame Dienste, wie Post oder Bahn, in Zukunft funktionieren sollen, ist schwer vorstellbar.

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Das Militärregime General Idi Amins in Uganda scheint sich nur durch immer größeren Terror an der Macht halten zu können. Die Beden und Träume des Generals sowie die Ubergriffe seiner Armee, die aus dem Fundus des usurpierten asiatischen Vermögens großzügig für ihre Treue entlohnt wurde, machen seit Monaten Schlagzeilen in der ostafrikanischen Presse. Nach dem Exodus der Asiaten und der Verstaatlichung britischer Firmen verlassen nun auch Hunderte von Schwarzen fluchtartig das Land. Weit mehr jedoch sind inzwischen spurlos verschwunden, darunter auch hohe Beamte der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Aus diesem Grund begann die Gemeinschaft Anfang Februar, ihre Beamten aus Uganda abzuziehen. Die Generaldirektion der E. A. Post & Telecommunications Corporation und die Zentrale der E. A. Development Bank befinden sich in Kam-pala. Wie die Gemeinschaft und deren gemeinsame Dienste, wie Post oder Bahn, in Zukunft funktionieren sollen, ist schwer vorstellbar.

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Das Amin-Regime feierte vor wenigen Wochen seinen zweiten Geburtstag. Die ursprünglich geplanten Mammutfeiern wurden allerdings abgesagt. „Wir haben keine Zeit dafür“, erklärte Präsident Amin, „denn wir arbeiten Tag und Nacht für die Entwicklung des Landes“. Der wahre Grund für die auf Sparflamme gesetzten Feierlichkeiten mag einerseits in den angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage zu hohen Kosten solcher Feste gelegen sein, anderseits aber auch in der Furcht des Generals vor einem Attentat, dem die Turbulenz solcher Massenveranstaltungen Deckung geben könnte. Das Image des Generals erscheint nämlich immer mehr als angeschlagen, und die Zahl seiner Feinde wächst sowohl im eigenen Land wie im benachbarten Ausland. Deshalb auch die wachsende Guerilla-Hysterie Amins, die zu einer ständigen Verschärfung der Spannungen zwischen Uganda und dem benachbarten Tansanien führt.

Im Vorjahr war es zu einem Grenzkrieg zwischen den beiden Staaten gekommen, als Anhänger Expräsident Obotes von Tansanien aus eine Invasion Ugandas versucht hatten. Über Vermittlung Somaliens konnte damals eine weitere Eskalation der Feindseligkeiten verhindert werden. In den letzten Wochen nahm jedoch die Guerilla-Angst und Guerilla-Hetze in Uganda immer mehr zu. Anfang Februar gab es im ganzen Land öffentliche Hinrichtungen angeblicher Guerilleros.

In einer Rundfunk- und Fernsehrede an die Nation erklärte Amin, daß die „Feinde Ugandas“ ihn zu ermorden planten. Die Verschwörer hätten vor, nach seiner Beseitigung auch alle ihm nahestehenden Offiziere zu liquidieren. „Aber mir stehen alle Soldaten nahe“, erklärte der General. „Deshalb gebe ich euch folgenden Rat: Wenn ihr hört, daß mir etwas zugestoßen sei, denkt daran, daß ihr nur einen guten Freund habt, nämlich eure Waffe. Sie ist euer Vater, eure Mutter, euer Bruder und eure Schwester.“ Diejenigen, die ihm nach dem Leben trachteten, würden „zerschmettert“ werden.

Für viele Afrikaner ist Amin nach wie vor ein Idol. Ein in der Märznummer des Nachrichtenmagazins „Africa“ abgedruckter Leserbrief spricht das aus, was der Mann auf der Straße von Lagos bis Nairobi, von Fort Lamy bis Lusaka, über den ugandischen Staatschef denkt. Amin wird darin als der einzige wahre Panafrikanist bezeichnet, der über die Ideale des Panafrikanismus nicht nur große Worte mache, sondern sie auch verwirkliche. Indem er etwa die Söhne Afrikas in der Diaspora, in Westindien und in den USA sammle, um ihre Fähigkeiten in den Dienst Afrikas zu stellen, anstatt weiße Entwicklungshelfer ins Land zu holen, demonstriere er seinen Glauben an die Fähigkeiten der Afrikaner, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln.

In den Regierungen der beiden benachbarten Staaten Kenia und Tan-sanien wächst hingegen die Besorgnis über die Entwicklung in Uganda. Präsident Nyerere von Tansanien, der seinem Freund, dem gestürzten ugandischen Präsidenten Obote, in Dar-essalam Asyl gewährt, hatte sieh von Anfang an scharf gegen die, wie er sagte, „barbarische Rassenpolitik“ Amins gewandt. Aber auch zwischen Kampala und Nairobi wächst die Entfremdung, und das Verhältnis zwischen den beiden Staaten hat sich merklich abgekühlt, seitdem mehrere kenianische Staatsbürger — unter ihnen der Direktor und der Personalchef der ostafrikanischen Eisenbahnen und einige weitere Beamte von Bahn und Post — in Uganda spurlos verschwanden.

Inzwischen wird Ugandas Bevölkerung weiter von Amins Soldaten terrorisiert; täglich kommen Menschen abends von ihrer Arbeit nicht mehr nach Hause, werden entführt und verschwinden auf Nimmerwiedersehen in Armeelagern.

Der Rechtsapparat des Landes ist völlig unglaubwürdig geworden. Nachdem im Vorjahr der oberste Richter des Landes, Benedikt Kiwa-nuka, der es gewagt hatte, an der Art und Weise der Verhaftung eines Europäers Kritik zu üben, in Handschellen aus seinen Amtsräumen abgeführt und nie mehr wiedergesehen worden war, kehrte nun vor einigen Wochen auch der oberste Richter der Hauptstadt Kampala von seiner Arbeit nicht mehr nach Hause zurück. Verläßliche Quellen wissen zu berichten, daß Kiwanuka kurz nach seiner Verhaftung geköpft worden sei.

Seit einiger Zeit machen sich Zeichen dafür bemerkbar, daß der Stern des Boxer-Generals im Sinken ist. Vor allem gibt es deutliche Auflösungserscheinungen im Kabinett.

Ugandas Erziehungsminister Edward Ragumayo setzte sich ins Ausland ab. Seine Demission gab er dann telegraphisch bekannt und motivierte sie mit persönlichen und moralischen Gründen. Bei der gegenwärtig in seiner Heimat gegebenen Situation könne er seine Pflichten nicht mehr erfüllen. Dieser Tage wurde auch der Bautenministeir entlassen.

Sensationeller ist die Tatsache, daß sich Ugandas Außenminister Wanume-Kibedi bereits seit Mitte Februar in Kenia aufhält und sich dort auf unbefristete Dauer in Spitalspflege begeben hat. Kibedi, ein Schwager Amins, galt als der Initiator der Aminschen Asiatenpolitik und als der einflußreichste Mann im Kabinett des Generals. Man hielt den Intellektuellen und versierten Diplomaten für weitaus gefährlicher als den naiven Präsidenten.

Ist nun die graue Eminenz des Generals abgesprungen? Vieles deutet darauf hin. Radio Uganda selbst erklärte, Kibedi hätte an Amin telegraphiert, daß er „auf ärztlichen Rat weder Besuche empfangen noch Anrufe entgegennehmen dürfe“. Wenn dem so ist, könnte das darauf hinweisen, daß die tatsächliche Macht in Uganda nicht mehr in den Händen Amins, sondern in jenen der Offiziere liegt, die den Günstling Amins, dessen Einfluß zu groß geworden war, auf ihre Abschußliste gesetzt haben.

Ostafrika gleicht einem Pulverfaß, und in einer solchen Atmosphäre gedeihen die abenteuerlichsten Gerüchte. Ein solches ist die kürzlich in dem in Johannesburg erscheinenden Nachrichtenmagazin „To the Point“ gemeldete angebliche Absicht Amins und des libysohen Präsidenten Gha-dafl, das Sultanat auf der Insel Sansibar wieder zu errichten. Der durch die blutige Revolution von 1964 gestürzte Sultan Seyyid Jamshid Abdullah ist nämlich Ghadafls Schwager. Mit militärischer und finanzieller Unterstützung durch Libyen und Saudi-Arabien plane Amin angeblich die Invasion Tansanians und den Marsch auf Sansibar. Ziel dieser Aktion sei es, den arabischen und islamischen Einfluß an der Ostküste Afrikas zu stärken.

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