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Messianischer Exboxer

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In einer Rede über Radio Uganda gab der ugandische Staatschef, General Idi Amin, bekannt, daß 80.000 in Uganda lebende Asiaten britischer Nationalität genau drei Monate Zeit hätten, ihr Hab und Gut zu packen, ihre Geschäfte und Arbeitsplätze zu räumen und das Land zu verlassen.

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In einer Rede über Radio Uganda gab der ugandische Staatschef, General Idi Amin, bekannt, daß 80.000 in Uganda lebende Asiaten britischer Nationalität genau drei Monate Zeit hätten, ihr Hab und Gut zu packen, ihre Geschäfte und Arbeitsplätze zu räumen und das Land zu verlassen.

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Diese jüngste Order des impulsiven ugandischen Staatschefs schlug wie eine Bombe ein. Verzweiflung und Kopflosigkeit herrscht unter den Indern und Pakistanis in Uganda, aber auch in asiatischen Kreisen Kenias und Tansanias brach Panik aus.

In seiner Rundfunkrede übte der General heftige Kritik an der Tatsache, daß „praktisch der gesamte Handel Ugandas in asiatischen Händen liege“ und forderte vor allem die „schwarzen Ugander“ auf, die asiatischen Geschäfte zu übernehmen.

Die Inder und Pakistanis Ostafrikas sind zumeist Nachkommen der um die Jahrhundertwende von den Engländern in dieses Gebiet gebrachten „Kulis“ und Handwerker, die von den Briten damals für den Bau der ostafrikanischen Eisenbahn gebraucht wurden. Fleißig und geschickt, bildeten sie dann während der Kolonialzeit den Mittelstand in Ostafrika, beherrschten den Detailhandel, doch bald auch das big bu-siness. Von den weißen Herren als Farbige eher verachtet, und von den Schwarzen zum Teil zu Recht wegen ihrer ausbeuterischen Geschäftsmethoden verhaßt, bildeten sie und bilden sie nach wie vor einen Fremdkörper in den heute unabhängigen Staaten dieses Raumes. Als ihnen nach Erlangung der Unabhängigkeit von den afrikanischen Regierungen die Staatsbürgerschaft des jeweiligen neuen Staates angeboten wurde, zogen es die meisten von ihnen vor, ihre britischen Pässe zu behalten. Eine Haltung, zu der sie damals von den Engländern ermuntert wurden, die ihnen aber von den jungen afr:kanischen Staaten verständlicherweise übelgenommen wurde.

Heute könnte England, das selbst in einer schweren wirtschaftlichen Krise steckt, eine Masseneinwanderung von zum Teil mittellosen Asiaten kaum verkraften. Auch erscheint es praktisch nicht durchführbar, 80.000 Menschen innerhalb von drei Monaten zu repatriieren. Um Amins Forderung zu erfüllen, müßten drei Monate lang täglich drei Jumbo-Jets mit 300 Passagieren von Entebbe nach London fliegen. Und wer sollte die astronomischen Kosten für eine solche Luftbrücke tragen? Viele der betroffenen Familien sind nicht in der Lage, ihre Flugtickets selbst zu bezahlen.

Sieht man von der Tragik des Schicksals dieser Menschen ab, so muß man sich vor allem die Frage stellen, welche Folgen ein solcher Massenexodus auf die ohnedies mehr als prekäre Lage der Wirtschaft Ugandas haben wird.

Die verschwenderische Haushaltsführung Präsident Obotes, der Unsummen für Prestigeprojekte ausgab (wie etwa für den Bau eines internationalen Konferenzzentrums in Kampala, für das Uganda 7 Millionen Pfund an Jugoslawien bezahlte und das nun leersteht), dann der Militärputsch, durch den Obote im Jänner 1971 gestürzt wurde und in der Folge davon die überdimensional hohen Ausgaben für Sicherheit und Landesverteidigung der Militärregierung sowie die Unsicherheit im Privatsektor der Wirtschaft, durch die der lebenswichtige Investitionsfluß fast völlig zum Stillstand kam — all diese Faktoren stürzten Uganda in eine Wirtschaftskrise, deren Ausmaß von der Majorität der Ugandesen erst langsam erkannt wird. Dazu kommt noch ein großer Importzuwachs im Jahre 1971 — die Importe lagen um 49 Prozent über den Werten des Jahres 1970 —, der die Devisenreserven des Landes auf ein absolutes Minimum zusammenschmelzen ließ.

Um das Defizit der ugandischen Zahlungsbilanz zu verringern, verhängte Amins Regierung im Dezember 1971 rigorose Importrestriktionen. Das Ergebnis ist ein immer drückender spürbarer Warenmangel in den Geschäften Ugandas und eine enorme Teuerung für den Konsumenten.

Noch dazu hat Amin nun offensichtlich endgültig die Sympathien der Engländer verspielt, die noch vor wenigen Monaten bereit waren, dem

Land mit einem Kredit von 10 Millionen Pfund über die schlimmste Krise hinwegzuhelfen.

London reagierte auf die jüngste Herausforderung durch das ugandische Militärregime mit der Drohung, jede Hilfe an Uganda einzustellen und sämtliche britische Berater, Lehrer und Offiziere abzuziehen. Die britische Entwicklungshilfe an Uganda beträgt jährlich zirka 4,5 Millionen Pfund. Außerdem ist das Vereinigte Königreich der bedeutendste Handelspartner Ugandas.

Doch Amin hofft offensichtlich, daß seine neuen Freunde in der ölrei-chen arabischen Welt durch massive finanzielle Unterstützung den Verlust britischer Hilfe wettmachen werden.

Diese Hoffnung scheint nicht ganz unbegründet zu sein. Eine soeben von einer Reise durch mehrere arabische Länder zurückgekehrte ugandische Wirtschaftsdelegation brachte aus Libyen einen Kredit in der Höhe von 1,4 Millionen Pfund mit nach Hause. Außerdem wird Libyen zur Entwicklung und Förderung der ugandischen Wirtschaft in Kampala eine Bank eröffnen, deren Grundkapital 3,4 Millionen Pfund betragen soll. Schließlich will die Regierung in Tripolis Uganda bei der Erweiterung seiner Tee- und Tabakindustrie helfen. In seiner aufsehenerregenden Rundfunkansprache gab General Amin auch bekannt, daß die Fabriken der „British American Tabacco Company“ (B. A. T.) in Uganda verstaatlicht werden sollen, da auch dieser „imperialistische Konzern die Wirtschaft Ugandas sabotiert“.

Libyen hat sich auch bereit erklärt, einen guten Teil des Kaffeeüberschusses, auf dem Uganda seit Monaten sitzt, zu kaufen (11,8 Millionen Pfund). Von Saudiarabien wurde Uganda ein zinsenfreies Darlehen in der Höhe von 6,1 Millionen Pfund zugesagt.

Dennoch, bei Beantwortung der Frage, welchen Weg Ugandas Wirtschaft unter der Führung des Exbox-champions und selbsternannten Messias, Dada Idi Amin, nun nach eipsm Bruch mit Großbritannien gehen wird, ist Pessimismus durchaus berechtigt.

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