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Luftbrücke gestoppt

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Die Kämpfe in Uganda, die sich offenbar zwischen Regierungstruppen und Anhängern des gestürzten Präsidenten Obote abspielen, halten an. Noch ist nicht ersichtlich, inwieweit der Nachbarstaat Tansania in die Auseinandersetzungen verwickelt ist. Schon in der Vergangenheit hatte es ja zwischen Tansania und Uganda mehrfach Grenzgefechte gegeben. Bemerkenswert ist, daß die britische Regierung angeordnet hat, die Luftbrücke für die von Amin aus seinem Land ausgewiesenen Asiaten, deren neue Heimat Großbritannien werden sollte, vorerst angesichts der Spannungen in Uganda zu unterbrechen.

Es ist jetzt einige Wochen her, daß der ugandische Staatschef verfügte, 50.000 Bewohner seines Landes zu vertreiben, nur weil sie braun, nicht „schwarz“, also „Asiaten“ indischen Ursprungs sind.

Die Empörung in England über dieses Vorgehen war groß. Sie' wurde in einigen Kreisen des Volkes noch größer, als sich herausstellte, daß die britische Regierung nach kaum merklichem Zögern ihre moralische Verpflichtung für diese Flüchtlinge mit britischer Staatsbürgerschaft (für die sie 1962 nach Ugandas Unabhängigkeit optiert hatten) anerkannte. Der genial demagogisch agierende Gegner jeglicher Einwanderung von Farbigen nach Großbritannien, der konservative Abgeordnete Enoch Powell (von dessen „Lehre“ die Regierung Heath schon seit einiger Zeit völlig abgerückt ist), und die zwei semifaschistischen Organisationen „National Front“ und „Union Movement“ sowie „klassenbewußte Proletarier“ wie die Dockarbeiter und die Bediensteten am Zentralen Fleischmarkt Smithfield, sind außer sich, weil England sich als Zufluchtsort für die Vertriebenen angeboten hat. Dieses Zusammenspiel ist sehr bemerkenswert.

Was die sogenannten „Linksliberalen“ angeht: Tausende von leidenschaftlichen Predigern für die Unabhängigkeit der ehemaligen afrikanischen Kolonien, die sich gegen jede weitere „Ausbeutung“ der endlich „befreiten“ jungen Staaten unter deren nationalistischer Führerschaft wandten, haben angesichts der Aminschen Aktionen hinsichtlich der Vertreibung der Uganda-Inder geschwiegen. Sie schienen verlegen zu sein.

Labour-Führer Wilson ließ sich in seiner Sommerfrische auf den Seilly-Inseln angesichts der Maßnahmen Amins und deren weitreichender Folgen beim Golfspiel nicht stören. Er schwieg so lange, daß es des Sarkasmus konservativer Kommentatoren bedurfte, bis er sich zu einer Erklärung des Bedauerns entschloß. Nie um Worte verlegen, wenn es sich um die „Rassendiskriminierung“ in Südafrika oder Rhodesien handelt, konnten der Oppositionsführer und viele seiner Parteifreunde jetzt offenbar nicht erkennen, daß eine schwarze (oder braune) Hautfarbe nicht unbedingt immun macht gegen eine Anstek-kung durch den faschistischen Bazillus.

Was die teilweise „doppelte Moral“ bei bestimmten englischen Kreisen angeht: Manche Leute erinnern an den kommunistischen Putsch in Prag im Februar des Jahres 1948 und an die blutige Unterdrückung des Ungarnaufstands im Jahre 1956. Damals sei den Opfern des Kommunismus Gastfreundschaft gewährt worden. Ebenso sei es nach der sowjetischen Invasion in der Tschechoslowakei gewesen. Heute aber, so stellen hesonnene Engländer fest, sei im Fall der Uganda-Inder vielfach leider nicht von Gastfreundschaft die Rede.

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