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Süden Afrikas: Siegt Vernunft?

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Rhodesien (künftig Zimbabwe) hat nach 88jähriger Weißenherrschaft seinen ersten schwarzen Premierminister gewählt: Bischof Abel Muzorewa, 54. Die hohe Wahlbeteiligung (64 Prozent) hat allgemein überrascht und der „internen Lösung“ in Rhodesien, indirekt aber auch einer gemäßigten Lösung in Namibia (Südwestafrika), bescheidene Chancen verschafft. Südafrika träumt schon von einer neuen Staatenallianz, aber davon ist man noch meilenweit entfernt.

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Rhodesien (künftig Zimbabwe) hat nach 88jähriger Weißenherrschaft seinen ersten schwarzen Premierminister gewählt: Bischof Abel Muzorewa, 54. Die hohe Wahlbeteiligung (64 Prozent) hat allgemein überrascht und der „internen Lösung“ in Rhodesien, indirekt aber auch einer gemäßigten Lösung in Namibia (Südwestafrika), bescheidene Chancen verschafft. Südafrika träumt schon von einer neuen Staatenallianz, aber davon ist man noch meilenweit entfernt.

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„Kopf hoch!“ und „Ihr werdet es schaffen!“ stand in Eintragungen eines öffentlich auf dem Flugplatz von Salisbury aufliegenden Gästebuchs, als ich vor zweieinhalb Jahren Rhodesien verließ. Einer hatte auch hineingeschrieben: „Hofft nicht - ihr schafft es nie!“ Welche der Sinnsprüche im Flughafenbuch realistischer waren, wußte damals niemand zu sagen. Weiß man es heute?

Eines haben die Gemäßigten jetzt jedenfalls geschafft: Es hat durch allgemeine Wahlen vorerst einen gewaltlosen Ubergang zu einer schwarzdominierten Regierung gegeben. Die Prophezeiung der Radikalen, die Schwarzen würden den Wahlen fernbleiben oder für ihre Wahlteilnahme blutig büßen, hat sich vorerst als Bluff erwiesen.

Wie die gewiß skeptische „Neue Zürcher Zeitung“ zu berichten wußte, gingen die Wähler „in den meisten Fällen entspannt, oft sogar fröhlich“ zu den Urnen, kamen von weit her in alten Bussen, Lastwagen oder Fuhrwerken angereist, schwatzten und sangen. NZZ-Schluß: „Die Behauptung der Guerilla, wesentliche Teile des Landes zu kontrollieren, hat sich als unrichtig erwiesen.“

Sicher ist mit dem April-Wahlgang eine neue Etappe in der Geschichte Rhodesiens eingeleitet, das seit seiner einseitigen Unabhängigkeitserklärung 1965, vom früheren Mutterland Großbritannien verstoßen und von der UNO boykottiert, nach einer neuen Zukunft sucht.

Lange wehrte sich die weiße Minderheit, die von den Schwarzen im Verhältnis 23 : 1 numerisch erdrückt wird, gegen eine Machtteilung. Als Ministerpräsident Ian Smith keinen anderen Ausweg mehr sah, begann er Verhandlungen mit gemäßigten Vertretern der Schwarzen, Bischof Abel Muzorewa und Pfarrer Ndabaningi Sithole, die zwei verschiedenen protestantischen Kirchen angehören.

„Es ist kein Wunder, daß Kirchenführer auch unsere politischen Führer geworden sind“, erklärten mir im

„Die Behauptung der Guerilla, wesentliche Teile des Landes zu kontrollieren, hat sich als unrichtig erwiesen.“

Oktober 1976 mehrere dunkelhäutige Rhodesier übereinstimmend. „Sie sind am meisten gebildet und sie genießen das größte Vertrauen.“

Daß vor allem Muzorewa mehr Vertrauen genoß als die marxistischen Guerillaführer Joshua Nkomo und Robert Mugabe, konnte man damals mit eigenen Augen erleben, als Muzorewa in der Hauptstadt Salisbury gegen 100.000 begeisterte Zuhörer um sich scharen konnte, Nkomo kaum 1000. Dennoch verlangen die USA und Großbritannien seit Jahren eine Einbeziehung auch der von Nkomo und Mugabe geführten „Patriotischen Front“ in eine Gesamtregelung.

Das klingt theoretisch sehr vernünftig und gerecht, war aber praktisch nicht zu erreichen. Denn Nkomo und Mugabe wollen nicht eine schwarze Allparteienregierung, sondern die ganze Macht. Genau gesagt: Nkomo will die ganze Macht und Mugabe will die ganze Macht. Selbst im Fall einer Teilnahme der Patriotischen Front an den Wahlen wäre ein blutiger Machtkampf der beiden Radikalenführer zu erwarten gewesen.

Verständlich, daß sich Smith nie sehr um deren Einbeziehung riß, sondern mit Muzorewa, Sithole und Häuptling Chirau (letzterer wirklich eine Marionette der Weißen) die sogenannte interne Lösung aushandelte. Ihr Kern: allgemeine Wahlen in ein lOOköpfiges Parlament; an der 20köpfigen Regierung soll jede Partei teilnehmen, die mindestens fünf Abgeordnetensitze errungen hat.

Zuckerl für die Weißen: Ungeachtet ihrer zahlenmäßigen Stärke erhalten sie auf jeden Fall 28 der 100 Parlamentssitze und damit in allen wichtigen Fragen eine Sperrminorität. Außerdem besetzten sie in der Übergangsregierung die Ressorts Innen, Justiz und Verteidigung, um einen Bürgerkrieg verhindern zu können.

Die Stammesgegensätze sind in Rhodesien noch immer virulent. Die rund 60 Stämme mit 29 Dialekten und 250 rivalisierenden Häuptüngen gliedern sich vor allem in zwei große Stammesgruppen: die Schönas (zu denen Muzorewa, Sithole und Mugabe gehören) und die Matebeles (wie Nkomo). Daß jetzt Sithole „Wahlschwindel“ schreit und die Wahlen anfechten will, weil er nur zwölf Sitze (die dritte Schwarzenpartei in Mate-bele-Wahlkreisen neun) erhalten hat, Muzorewa aber 51, ist keine Überraschung. Die Rivalitäten unter den Schwarzen sind gigantisch. Außerdem ist Muzorewa der populärere, Sithole aber der brillantere Politiker.

Trotz mancher möglichen Mängel des Wahlverfahrens wird es aber auch von internationalen Beobachtern als überraschend korrekt bezeichnet. Gelingt die Bildung einer aus sechs Weißen und 14 Schwarzen bestehenden Allparteienregierung unter Ministerpräsident Muzorewa (54), dann bestünde trotz Terrordrohung eine echte Chance für eine schrittweise relativ gewaltfreie Machtübertragung in Rhodesien -falls die Vereinten Nationen (noch wichtiger: die westlichen Großmächte) die Wirtschaftssanktionen aufheben.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Wahlen in Großbritannien am 3. Mai zu: Gewinnen die Konservativen, wird eine Regierung Thatcher die neue Regierung Zimbabwes anerkennen und vielleicht auch die USA zu zumindest indirekter Förderung bewegen.

Erhält aber ein schwarz-weißes Kabinett Muzorewa in Salisbury eine Chance, müßte dies auch eine ähnliche Lösung in Namibia (Südafrika) begünstigen. Diese ehemalige deutsche Kolonie wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom Völkerbund, nach

„Gewinnen die Konservativen die britische Wähl, wird eine Regierung Thatcher die Regierung Zimbabwes anerkennen.“ dem Zweiten von der UNO als Treuhandgebiet betrachtet. Südafrika hatte als Treuhandmacht nach 1945 den Auftrag, das Land auf seine politische Unabhängigkeit vorzubereiten.

Daß es damit allzu lange wartete, kreidet ihm die Völkerfamilie zu Recht an. Daß daran auch die einseitige Exklusivunterstützung der linksradikalen SWAPO durch die UNO ihren Anteil hatte, ist ebenso unbestreitbar. Auch in Namibia hat Südafrika mittlerweile mit den gemäßigten Kräften der Demokratischen Turnhalle-Allianz (DTA) unter Dirk Mudge, die die „internen“ Wahlen im Dezember 1978 gewann, ein Arrangement getroffen. Unter UN-Aufsicht sollen nun nochmals Wahlen unter SWAPO-Einschluß stattfinden, aber man kann sich nicht auf die Bedingungen einigen.

Südafrika aber strebt nun ein Gesamtarrangement für das südliche Afrika unter Ausschluß der UNO, aber möglichst unter Einbeziehung auch schwarzafrikanischer Staaten, wie Botswana, Lesotho, Swasiland, möglichst auch Sambia oder gar Angola und Mocambique, an. Wirtschaftlich wäre dies mit Abstand das Vernünftigste. Aber politisch müßte sich in allen diesen Staaten (nicht zuletzt in Südafrika selbst) noch vieles ändern.

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