6760382-1968_13_07.jpg
Digital In Arbeit

Der alte insulare Stil

Werbung
Werbung
Werbung

Dagegen lebt und floriert im guten wie im schlechten Sinne mit seinen Tugenden und Einseitigkeiten, das alte insulare „Angelsachsentum“ noch weiter in Australien, in Neuseeland und gewiß auch in Rhodesien. Dies sollte man bei jeder Beurteilung der Frage Rhodesiens in P.etracht ziehen, sonst kommt man dem Verständnis nicht näher. An diesem insularen Engländertum gibt es reichlich Dinge, die der Achtung und sogar der Bewunderung wert sind. Engländer dieses alten Stils mögen monoton in ihrer Konversation sein, trocken und kühl in ihrer geschäftlichen Korrektheit, steif in ihrem konventionellen Benehmen, sie sind indes actsharrend und unternehmungslustig, kühn und unabhängig in ihrem Denken und Handeln, stolz in ihrem Rechtssinn, sie wären der leider einst so verbreiteten deutschen Unterwürfigkeit unfähig, sie würden einen Tyrannen weder mit Schmeicheln noch mit kritikloser Begeisterung folgen, sie sind nüchtern und reif in ihren Urteilen — mit einem Wort; diese Engländer sind jene, die zu Hause, in England, die Freiheit einst geschaffen und durch Jahrhunderte bewahrt haben, manchmal um den Preis beträchtlicher Opfer. Natürlich gehört zu jenem Engländertum, das Ian Smith geradezu verkörpert, eine gewisse Schroffheit der Überzeugung. Mördertaten mit Galgen zu beantworten, mag ihm selbstverständlich erscheinen, im Verbrechen wird er nie psychologische und soziologische Probleme suchen, sondern einen Rechtsbruch erblicken, der mit stren ger Strafe zu ahnden ist. Das ist nun einmal seine Meinung.

Weiß und Schwarz

Freilich ließe sich darüber noch viel sagen. Wenn Demagogen seit Jahren verkünden, daß sie Mörder, Brandstifter und Saboteure für die Befreiung Rhodesiens rekrutieren und ausbilden wollen, so mag Rhodesien immerhin das Recht haben, sich zu verteidigen. Rhodesien unterscheidet sich von marxistischen Ländern dadurch, daß es Übervölkerung durch weitere Zuwanderung von Afrikanern befürchten muß, während bekanntlich einige marxistische Staaten Entvölkerung durch Auswanderung befürchten. Reichtum und Prosperität sind in Rhodesien ohne jedweden Zweifel das Werk der „weißen“ Minderheit, von etwa 300.000 Europäern, deren Mehrzahl bereits in Rhodesien geboren ist und in Europa, im Falle einer Massenvertreibung, keine Heimat mehr finden würde. Am Anfang dieses Jahrhunderts wohnten 600.000 Afrikaner in Rhodesien, heute sind es vier Millionen; das bedeutet, daß beinahe zwei Millionen in der letzten Generation zugewandert sind, weil die Europäer ihnen besseren Lebensunterhalt geschaffen haben.

Das Problem der Todesstrafe

Jedenfalls hätte man gewünscht, daß die Regierung Ian Smith ihre Existenz anderswie kundtut, als durch Galgen. Uber die Todesstrafe hat man seit der Zeit von Sonnenfels und Beccaria unendlich gestritten und es ließe sich noch unendlich darüber weitenstreiten. Es ist beinahe ein halbes Jahrhundert her, daß ich im „Studentenführer“ der Universität Budapest gelesen habe, daß „weitere Dissertationen über die Todesstrafe der Fakultät un- frwünscht sind“, da „dieses Thema bereits überbelastet und keiner weiteren Literatur bedürftig scheint“. Allerdings wollte dem Marchese Beccaria einst kein geringerer Denker als Immanuel Kant widersprechen.

Vielleicht ist Herr Ian Smith ein Kantianer ohne es zu wissen An das moralische Gesetz glaubt er bestimmt, an den Sternenhimmel wahrscheinlich auch. Immerhin,

wenn auch die Todesstrafe in gewissen Fällen unvermeidlich erscheinen mag, so sollte man ihre Voll streckung nicht mehr als zwei volle Jahre aufschieben, wie das in Rhodesien geschehen ist. Wo es eine Nichtigkeitsbeschwerde gibt, die man so lange diskutieren muß, dort gibt es vermutlich auch Zweifel. Und ein Zweifel sollte immer dem Verurteilten Zustatten kommen.

Übrig bleibt das Pathetische jeder Hinrichtung, ein Pathos der Gerechtigkeit. Galgenhumor mag man hier und da noch genießen, dem Galgenpathos aber sollte man besser jede andere Form des Pathos vorziehen.

Ohne Zweifel sind die altmodischen Engländer in Rhodesien überzeugte Royalisten und sie haben das schon des öfteren erklärt. Herr Wilson wollte sie auf die Probe stellen; er ließ die Verurteilten von Rhodesien durch Königin Elizabeth begnadigen. Auch wenn die Unab- häragigkeitserkläruing Rhodesiens aus dem Jahre 1965 ungültig und gesetzwidrig sein sollte, wie es die Londoner Regierung behauptet, ist es begreiflich, daß Elizabeth II., in ihrer Eigenschaft als Königin von Rhodesien, in einer rein rhodesi- schen Angelegenheit, dem Rate ihres rhodesischen Ministers und nicht dem Rate ihres britischen Ministers verfassungsmäßig folgen sollte. Die Regierung Wilson hatte den geschmacklosen Galgenhumor, in einem politischen Machtspiel und in einer Art von Rugbymatch unter Verfassungsjuristen, die drei Köpfe der Verurteilten als Bä lle zu verwenden. Cicero war bekanntlich bereit, zu schwören, daß er die Republik von Catalinia gerettet, nicht aber, daß er alle Gesetze dieser Republik dabei beachtet habe.

Wahre Humanität, in diesem Fall von Papst Paul VI. in Worte gefaßt, wird den Tag der Galgen von Salisbury als einen Trauertag an- sehen. Es gibt aber in diesem Fall, Wie immer, auch falsche Humanität. Manche Londoner Zeitungen meldeten, daß in Salisbury, Rhodesien, „drei Afrikaner“ gehängt worden seien, als ob man sie wegen ihrer Hautfarbe und nicht wegen ihrer Mordtaten hingerichtet hätte! Und Studenten (und solche, die es sein könnten) marschierten, um eine „Aktion gegen Rhodesien!“ auf Plakaten zu verlangen. Womöglich mit nicht vorhandenen Waffen, da dieselben Herren und Damen fast gleichzeitig auch in Cambridge gegen den Verteidigungsminister Healey demonstrierten, der für ihren Geschmack noch immer zu viele Waffen in der Hand Großbritanniens behalten möchte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung