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Wird Ian Smith „überleben”?

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Ein Urteil über die Wirksamkeit von Wirtschaftssanktionen gegen Rhodesien muß von einer gründlichen Analyse der Struktur von Produktion und Handel Rhodesiens ausgehen.

Stellt man in Rechnung, daß dieses Land ein relativ niedriges Ein kommensniveau hat — 1964 betrug das Jahreseinkommen pro Kopf nur 75 Pfund —, ist es erstaunlich, wie sehr die Struktur der rhodesischen Wirtschaft aufgefächert ist. Nur 21 Prozent des Volkseinkommens stammen aus der Landwirtschaft, ein Prozentsatz, der für ein Entwicklungsland verhältnismäßig niedrig ist, auch weit niedriger als vor zehn Jahren. 31 Prozent des Volkseinkommens wurden im industriellen Bereich produziert, davon allein 17 Prozent von der verarbeitenden Industrie. Dieser scheinbare Widerspruch zwischen der Armut der Bevölkerung und der produktiven Vielfalt des Landes ist auf die strenge wirtschaftliche Trennung zwischen den (beiden sozialen Schichten zurückzuführen: auf der einen Seite, auf dem Existenzminimum lebend, die große Mehrheit der armen Bevölkerung, auf der anderen Seite die kleine, aber reiche und moderne Herrenschichte der weißen Minderheit. Während der Durchschnittslohn des Afrikaners pro Jahr 121 Pfund beträgt, erhalten Nichtafrikaner im Jahresdurchschnitt 1241 Pfund.

In den zehn Jahren der Föderation hatte die Industrialisierung stark zugenomimen, und das Land war von der Urproduktion immer weniger abhängig geworden. Dafür war aber weniger das Wachsen des Binnenmarktes für Fertigwaren bestimmend, als vielmehr die Auswirkungen der Föderation, das heißt der Zusammenschluß der drei Volks- wirtschaften, konzentrierter Kapitaleinsatz und die bevorzugte und geschützte Stellung der rhodesischen Fertigwaren auf den Märkten Sambias (Nordrhodesien) und Malawis (Njassaland). Während des Bestehens der Föderation stiegen die rhodesischen Exporte nach Sambia um das Vier- und nach Malawi um das Neunfache.

Die ausländischen Sanktionen

Die verhältnismäßig große Vielfalt der rhodesischen Produktion scheint auf eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber Wirt schaftssanktionen hinzudeuten. Die Struktur des rhodesischen Handels jedoch macht das Gegenteil klar. Die Importe erfassen 34 Prozent des rhodesischen Volkseinkommens gegenüber 38 Prozent bei den Exporten; wenige Länder der Welt haben eine derart extreme Außenhandelsverflechtung. Ein totales Handelsembargo würde demnach die rhodesische Wirtschaft schwerstens schädigen. Das Land würde von wichtigen Maschinen- und Rohstoffimporten (besonders öl) abgeschnitten werden; und die Einstellung der Exporte würde das Volkseinkommen auf beinahe die Hälfte reduzieren. Der damit verbundene Multiplikatoreffekt würde den wirtschaftlichen Niedergang beschleunigen, und der Sturz des Regimes Ian Smiths würde zur Gewißheit werden.

Ein derartiges totales Handelsembargo gehört aber ins Reich der Phantasie. Zunächst steht nämlich kaum ein Embargo auf rhodesische Importe zur Diskussion, und selbst wenn das der Fall wäre, könnte Rhodesien weiterhin von seinen Nachbarn, Südafrika und den portugiesischen Gebieten, alle notwendigen Güter erhalten. Südafrika w? zwar von der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens nicht begeistert, ist aber, nachdem der Fall eingetreten ist, bereit, Ian Smith zu unterstützen. Handelssanktionen müssen sich also darauf beschränken, den rhodesischen Exporten Schaden zuzufügen.

Exportsanktionen

Ein Viertel der rhodesischen Exporte geht nach Großbritannien (vornehmlich Tabak und andere Rohstoffe) und ein weiteres Viertel nach Sambia (hauptsächlich Fertig- i waren), in alle übrigen Ländei gehen im Einzelfall höchstens sechs Prozent des rhodesischen Exportvolumens. Das heißt, daß unabhängig davon, was andere Staaten tur mögen, die Hauptlast derartige Exportsanktionen von Großbritannien und Sambia zu tragen wäre Trotz der Schwierigkeiten, die sid bei Exportgütem hinsichtlich dei Feststellung des Ursprungslande! ergeben, könnten die rhodesischei Exporte um mindestens 40 Prozen und noch mehr gekürzt werden wenn die anderen Staaten dem Beispiel Großbritanniens und Sambia; zu folgen bereit wären.

Der drohende Importüberhang

Mit einer Defizitpolitik könnte Smith über die öffentlichen Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln versuchen, wodurch zwar der Druck auf den Arbeitsmarkt geschwächt würde, jedoch kaum jene Güter produziert würden, nach denen der Bedarf im Land steigen würde, sondern jene, die früher exportiert wurden und nun auf dem Lager liegen bleiben. Durch den Exportausfall entstünden aber auch ein Importüberhang und damit Zahlungsbilanzschwierigkeiten, so daß also eine derartige Politik der Beschäftigung brachliegender Exportindustrien nur eine geringe Erleichterung für die rhodesische Wirtschaft bedeuten würde.

Weiter könnte sich das Regime Smith nach neuen Absatzmärkten umsehen, wobei jedoch gerade hier die Aussichten nicht vielversprechend sind.

Das Problem Sambia

Die dritte Waffe Rhodesiens wären Gegenaktionen gegen Sambia. So könnte der gesamte Zugsverkehr von und nach Sambia, der durch Rhodesien läuft, eingestellt werden, was sich auf etwa 90 Prozent der Kupferexporte und der Mehrheit der sonstigen Exporte Sambias auswirken würde. Dafür könnten jedoch andere Linien eingesetzt werden, so die Benguella- Eisenbahn durch den Kongo und Angola für sambesische Kupferexporte; diese Route und jene durch Tansania und den Kongo über den Tanganjikasee für die Importe Sambias. Die freie Kapazität dieser Linien ist aber kaum groß genug, um die Bedürfnisse Sambias voll zu deoken. Die Sambia unterstützenden Staaten könnten jedoch ihre Kupfervorräte aufbrauchen und Kupfer von Sambia für Lieferungen nach Beendigung der Sanktionen kaufen.

Eine weitere Gegensanktion Rhodesiens bestünde darin, den Kupfergürtel von der Kohle- und Elektrizitätsversorgung abzuschneiden. Der Ausfall der Energieproduktion des Kariba-Werkes könnte jedoch durch Energieimporte aus Katanga wettgemacht werden. Verhängnisvoller wäre schon der Vertust der Versorgung mit Kohle. Aber schon einmal hat der Kupfergürtel den Ausfall rhodesischer Kohle durch Importe über die westliche Route und Ergänzung aus den heimischer: Ho’lzvorräten überstanden.

Alle diese Gegensanktionen hätten aber auch Rückwirkungen auf Rhodesien, besonders auf die Wanfcie-Kohlengruiben und die rhodesischen Eisenbahnen, die gewaltige Geschäftsverluste erleiden würden, und auf das Kariba-Werk, dessen Betriebskosten sich damit erhöhen würden. Auf jeden Fall nüßte aber Großbritannien das deine Sambia durch eine Luftbrücke und finanzielle Hilfe unter- tützen, sollte Rhodesien wirklich zu ill diesen Gegensanktionen schreien.

finanzielle Sanktionen

Großbritannien verfügt Rhodesien gegenüber auch über finanzielle, venn auch bescheidene Druckmittel. Dazu gehören ein Embargo auf hodesische Anleihen in London sowie die Zurückziehung der britischen Garantie für die Weltbank- mleihe, die Rhodesien zum Bau des Kariba-Werkes aufgenommen hatte. Diese Maßnahmen hätten jedoch lur eine geringe und kurzfristige schädigende Wirkung, selbst wenn dadurch langfristig gesehen die Verfügbarkeit ausländischen Kapitals n Rhodesien verringert würde. Am wirkungsvollsten würden noch ein Verbot der Konvertierbarkeit des rhodesischen Pfunds bei englischen Banken und das Einfrieren der rhodesischen Guthaben in London, sein, wie dies bespielsweise in der Suezkrise gegenüber Ägypten ge- handhabt worden war. Dadurch würde auf jeden Fall die Abwicklung des rhodesischen Handels nach einem Wirtschaftsboykott noch erschwert werden. Aber Rhodesien verfügt über Goldreserven von 3,5 Millionen Pfund, abgesehen von den noch nicht ausgebeuteten Vorkommen im Boden des Landes, und könnte außerdem auf eine großzügige Anleihe Südafrikas rechnen.

Die Erfolgschancen

Diese Sanktionen scheinen mächtige Waffen zu sein, sind in Wirklichkeit aber stumpf. Zunächst scheint nichts zu garantieren, daß die totale Durchführung aller Sanktionen zu den erwünschten Ergebnissen führt, nämlich dem Sturz der Regierung Smith.

Ein britischer Boykott der rhodesischen Exporte würde zunächst Arbeitslosigkeit und Depression in den ländlichen Gegenden hervorrufen; eine Ausdehnung dieser negativen Entwicklung auf die Städte würde bald folgen. Denn auf die Beschäftigung in den Städten hätte besonders ein Boykott rhodesischer Fertigwaren durch Sambia bestimmenden Einfluß; Europäer und Afrikaner würden gleicherweise arbeitslos. Einige Europäer würden Rhodesien verlassen, und einige Afrikaner die Städte in Richtung Land; der größte Teil bliebe aber unbeschäftigt in den Städten. Arbeitslose Europäer würden, meist sogar erfolgreich, die Posten noch beschäftigter Afrikaner besetzen wollen, was die Bitterkeit in der afrikanischen Bevölkerung noch verstärken würde.

Das Problematische an diesen Wirtschaftssanktionen bleibt also die offene Frage, ob das Regime Smith nicht doch derartige Maßnahmen überlebt und daß der Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen der schwarzen Mehrheit und der weißen Minderheit auf lange Sicht nicht unwahrscheinlich ist, gerade durch jene Schwierigkeiten, die sich auf dem Arbeitsmarkt durch derartige Sanktionen ergeben würden.

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