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Sieg der Vernunft?

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Südafrika mußte viele Jahre für die in sich und unter sich zerstrittenen und vielfach chaotisch dahinvegetierenden, kaum unabhängiger gewordenen schwarzen Staaten Afrikas dieselbe Rolle spielen wie Israel für die in ähnlichem Zustand befindlichen arabischen Staaten. Beide müssen den gemeinsam einenden „Erbfeind“ darstellen, dessen wirtschaftliche Überlegenheit und politische Ordnung allerdings auch durch noch so massive Schimpfkanonaden tönerner und inhaltsloser Worte nicht kaschiert werden können. Die jüngste Entwicklung im südlichen Afrika zeigt nun eine deutliche Tendenz zur Umkehr in der Haltung der schwarzen Staaten. Trotz eifrigster Aktivität sowjetischer und prochinesischer „Helfer“, die in gleicher Weise ideologische und echte Munition liefern, um die schwarze Bevölkerung Afrikas für ihre durchsichtigen Manöver einzuspannen, beginnt bei den einsichtigen Führern Schwarzafrikas eine deutliche Ernüchterung Platz zu greifen.

Prosperität wichtiger als Ideologie

Nicht genug damit, daß eine Reihe schwarzer Staaten*) aus ihrer Ohnmacht gegenüber dem hochindustrialisierten Kernland des Südens Afrikas die einzige realistische Konsequenz gezogen haben, nämlich durch diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zur Republik Südafrika an deren enormer wirtschaftlicher Prosperität zu partizipieren, beginnt sich auch die „Politik der aktiven Feindschaft“ gegen die Weißen im südlichen Afrika totzulaufen.

Im Ijauptstützpunkt aller schwarzafrikanischen Untergrundorganisa tioneri, in Daressalam (Tansania), wurde im Februar dieses Jahres der Präsident der „Freiheitsfront für

Mozambique“ (Frelimo), Dr. Eduardo Mondlane, ermordet. Dieser im Westen erzogene Mann war den prokommunistischen Guerillaführern wegen seiner „inaktiven Haltung und ideologischen Zwiespältigkeit“ schon seit langem ein Ärgernis gewesen.

„Frieden mit den Weißen“

Einige Zeit später bot der bedeutendste Kommandeur der Frelimo-Verbände und Oberhäuptling des Makonde-Stammes, Lazaro Kavan-dame, den Portugiesen die Kapitulation seiner mehr als 8000 mit sowjetischen Waffen ausgerüsteten Ma-konde-Krieger an, die bisher das Kernstück der Aufständischen bildeten. „Ich will nicht mein Volk fremden Interessen opfern“, erklärte der 65jährige Kawandame auf einer Pressekonferenz in Beira. „Wir wollen in Frieden mit den Weißen leben.“ Diese Entscheidung Kawan-dames führte praktisch zur Lähmung der gesamten Terroristenorganisationen.

Kaunda als Beschwichtiger

Diese Entwicklung fand ihre Parallele in Portugiesisch-Angola, wo die von Sambia aus operierenden Gruppen der „Volksbewegung zur Befreiung Angolas“ (MPLA) auf Intervention des sambischen Staatspräsidenten, Dr. Kenneth Kaunda, ihre Vorstöße nach Angola einstellten. Diesem plötzlichen „Gesinnungswandel“ Kaundas war ein Angebot Portugals vorausgegangen, eine 850 km lange Verbindungsbahn von den sambischen Kupfergruben bis zur angoli-schen Eisenbahnlinie bei Mucussueje zu bauen. Inzwischen haben auch bereits die ersten Gespräche zwischen Regierungsvertretern beider Länder stattgefunden.

Schon heute besteht kein Zweifel darüber, daß mit diesem portugiesi-

schen Vorschlag die Rotchinesen, die vor etwa einem Jahr Sambia die Verlegung einer 1800 km langen Erz-bahn nach dem Ostafrikahafen Daressalam offerierten und hierfür bereits die ersten Planungen durchführen, ins Hintertreffen gerieten. Allein die wirtschaftlichen Vorteile, die ein Schienenweg über Angola bis zur Atlantikküste durch Transportkosten- und Zeitersparnis bietet, sind für Sambia verlockend. Dies um so mehr, nachdem kürzlich die Weltbank das Daressalam-Projekt als „unwirtschaftlich und technisch problematisch“ bezeichnete.

Tourismus öffnet Grenzen

Das Abflauen der Partisanentätigkeit am Sambesi, der die Grenze Sambias gegenüber Rhodesien und Südwestafrika bildet und wo rhode-sische und südafrikanische Sicherheitsorgane in ständiger Abwehrbereitschaft gegen Mitglieder kommunistisch gelenkter rhodesischer und südwestafrikanischer Terroristenorganisationen stehen, nährt die Spekulationen über eine Verständigungsbereitschaft Kaundas. Er soll auch die Wiedereinführung von 3-Tage-Visa für den Grenzübertritt nach Sambia vorbereiten, um Südafrikanern und Rhodesiern den Besuch der Victoriafälle bei Livingstone zu ermöglichen. Diese mächtigen Wasserkaskaden waren von jeher ein beliebtes Urlaubsziel der Weißen und für die Sambier eine lukrative Einnahmsquelle. Die Zusammenstöße am Sambesi hatten zur Folge, daß in den letzten Jahren die Touristenzahlen von rund 53.000 auf knapp 8000 im Jahr sanken. Auch die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mit Südafrika zwingt die Regierung Kaunda zu nüchternen Überlegungen, nachdem Pretoria weitgehend die frühere Rolle Rhode-

siens übernommen hat. Allein im letzten Jahr verdoppelte sich der Gesamthandel der beiden Staaten und erreichte eine Höhe von umgerechnet rund 3,8 Milliarden Schilling.

Schrittmacher Malawi

Was Südafrika für einen schwarzafrikanischen Handelspartner bedeutet, beweist den Sambiern auch das Beispiel des Nachbarstaates Malawi, der seit etwa zwei Jahren mit Pretoria enge diplomatische und wirtschaftliche Kontakte unterhält und aus dieser Zusammenarbeit große Vorteile zieht. Dagegen erwiesen sich bisher die vielen Versprechen, die Kaunda von Schwarzafrikanern und Briten für den Kampf gegen Rhodesien erhielt, mehr oder weniger als leere Worte. Zweifellos hat sich auch die Haftentlassung des Führers des verbotenen Panafrikanischen Kongresses,

Robert Sobukwe, der von den südafrikanischen Behörden aus Sicherheitsgründen mehrere Jahre interniert worden war, auf das politische Klima in Sambia günstig ausgewirkt. Man hält Präsident Kaunda für einen zu großen Realpolitiker, als daß er sich auf längere Sicht von den leeren Worten der angeblichen Freunde Schwarzafrikas mehr verspräche als von der Bereitschaft Südafrikas zur Zusammenarbeit mit den jungen schwarzafrikanischen Staaten, die insbesondere seit dem Regierungsantritt des südafrikanischen Ministerpräsidenten Vorster, nach der Ermordung seines Vorgängers Ver-woerd, auch in Schwärzafrika immer mehr Glauben an die Ehrlichkeit dieses Angebotes vorfindet.

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