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Die Lebensadern

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Der Sahara-Wind Harmattan, der aufgewirbelten Wüstensand wie einen dichten Schleier unter die Sonne zieht, drückt noch mehr auf die Stimmung: Das Bild, das der Hafen von Lagos bietet, ist deprimierend genug. Wie am Morgen nach einem Bombenangriff. Wrack an Wrack säumen gekenterte und gesunkene Schiffe den Weg, den unser Fährschiff nimmt. Die Plage der Wasserhyazinthen bringt grünen Schmuck für den Rost.

Das ist für Nigeria das Tor zur Welt. Der westafrikanische Staat hat — so wie auch Ghana und Kenia im Osten — einen direkten Zugang zum Meer. Doch 14 der über 50 afrikanischen Staaten sind Binnenländer, die sich für jeden Ex- und Import mit ihren Nachbarn über einen Zugang zum Meer verständigen müssen. Simbabwe ist einer von ihnen.

Verkehrswege sind Lebensadern. Und die sind in Schwarzafrika schwach entwickelt. Im afrikanischen Eisenbahn- und Straßennetz spiegelt sich die langsam landeinwärts vorangetriebene wirtschaftliche Erschließung wider — unter ganz anderen politischen Konstellationen konzipiert.

Die im April 1980 zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Staaten im südlichen Afrika gegründete SADCC (Südafrikanische Entwicklungs-Koordinati- ons-Konferenz) sucht unter anderem — auch mit österreichischer Unterstützung - nach gangbaren Alternativen zur mittelfristigen Umorientierung von Handel und Transport, ohne mit Südafrika in direkte Konfrontation zu treten. Zahlreiche Projekte für alternative Zugangswege zum Indischen wie zum Atlantischen Ozean werden gewälzt: Die Instandsetzung der Benguela-Bahn von Lobitho nach Zaire und Sambia, der Ausbau des Hafens von Lobito in Angola, um so den „Lobito-Korri- dor“ zu schaffen, ebenso die Revitalisierung der Linie von Nakala in Mosambik nach Mali. Besonders wichtig für Simbabwe: die Instandsetzung der Taza-

ra(Tansania/Sambia)-Bahn, der Limpopo-Linie nach Maputo in Mosambik und der „Beira-Korri- dor“ der Linie von Harare zum Indischen Ozean.

Der Bürgerkrieg und Rebellenanschläge, von Südafrika unterstützt, haben die Lebensadern unterbrochen. Zwar gelang es nach dem Einsatz von Spezialeinheiten Simbabwe, die Verkehrswege 1987 wieder zu öffnen, doch Anschläge und Überfälle stehen auf der Tagesordnung. Allerdings ist man heute in der Lage, berichtet ein Vertreter der „Beira-Gruppe“ nicht ohne Stolz, die Schäden kurzfristig zu beheben.

Ein funktionierendes und leistungsfähiges Transportwesen ist Voraussetzung für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Schwarzafrikas: nicht nur für den Handel mit Ubersee, sondern vor allem auch für die innerafrikanischen Wirtschaftsbeziehungen, die tatsächlich „unterentwickelt“ sind.

Natürlich hat das Argument etwas für sich, daß die Gleichartigkeit der innerafrikanischen Angebote in ihrer Produktion einem solchen Handel entgegensteht, doch der schwunghafte Schmuggel zeigt, daß doch sehr wohl ein Bedarf vorhanden ist. Vor allem in Westafrika. Abgesehen von Konsumerzeugnissen werden selbstverständlich auch agrarische Produkte - wegen des unterschiedlichen Preisniveaus — geschmuggelt. Den betroffenen Ländern gehen dadurch große Einnahmen verloren.

Ansätze zur Zusammenarbeit gibt es. Die SADCC ist dafür ein gutes Beispiel im südlichen Afrika. Der wichtigste Wirtschaftsverbund des Kontinents ist die ECOWAS (Economic Community of West African States), in der Zielsetzung ähnlich der EG, derzeit aber durch die Wirtschaftsprobleme der Mitgliedsstaaten zurückgeworfen. Und die Schwierigkeiten einer wirtschaftlichen Einigung sind schon für Europa groß genug - erst recht in Afrika.

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