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Eine Wende im Süden Afrikas?

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Die politische Landkarte von Afrika ändert sich fortgesetzt. Am 25. Juni wurde Mocambique selbständig, für den 11. November ist die Unabhängigkeit der größten portugiesischen Kolonie, Angola, vorgesehen.

Die Verhältnisse in Mocambique sind insofern klar, als sich das Land fest in der Hand der Befreiungsorganisation Frelimo befindet, die einen auf Mao hin orientierten Kurs steuern will, der christlichen Mission Fehde ansagte und die Absicht bekundete, Kirchen in Entbindungsheime umzuwandeln. In Angola ist noch alles im Fluß. Drei Befreiungsarmeen kämpfen um Macht und Einfluß, die stärkste umfaßt 40.000 Mann. Um die bürgerkriegsähnlichen Zustände zu beenden, trafen sich die Anführer in Kenia. Friedliche Abmachungen kamen zustande, aber ob sie von Dauer sein werden, wird allgemein bezweifelt.

Welche Politik diese mächtigen Territorien nach Erlangung der Unabhängigkeit “ treiben werden, berührt die Interessen der Republik Südafrika direkt. Mocambique hat eine gemeinsame Grenze mit Südafrika, Angola mit Südwestafrika, ein Umstand, der für die Republik am Kap in gleicher Weise belastend ist. i

Die Südafrikaner geben sich nüchtern Rechenschaft über die neue Lage. Der Umschwung in den ehemals portugiesischen Besitzungen erfüllt sie mit Besorgnis; besonders im Hinblick auf das zukünftige Verhältnis zu Mocambique ahnen sie nichts Gutes. Eine Invasion halten sie zwar für ausgeschlossen, aber mit stiller Infiltration und subversiver Tätigkeit revolutionärer Agenten rechnen sie auf längere Sicht. Doch betonen sie, es gebe keineswegs nur Gewitterwolken am südlichen Himmel.

Der Zwang der wirtschaftlichen Notwendigkeiten sorgt dafür, daß die Beziehungen zwischen Mocambique und Südafrika nicht einfrieren. Nach wie vor verdienen 200.000 schwarze Arbeiter aus. Mocambique ihren Unterhalt auf den südafrikanischen Minenfeldern, die Grenze ist ihnen für die An- und Abreise geöffnet. Nach wie vor arbeiten südafrikanische Techniker am groß angelegten Cabora-Bassa-Staudamm, und niemand bezweifelt, daß nach Fertigstellung der Anlagen der erzeugte Strom nach dem Süden geleitet werden wird. Nach wie vor werden südafrikanische Experten gerufen, wenn die Heuschreckenplage im Beira-Distrikt von Mocambique überhand nimmt.

Die Freundschaft Maos hilft den Frelimo-Herren nicht. Vielleicht werden einmal gelbe Techniker kommen, aber den Strom kann man nicht nach China leiten, und was die Arbeitskräfte betrifft, so hat Mao genug „blaue Ameisen“, er kann nicht auch noch schwarze beschäftigen und ernähren. Mocambique war die volkreichste portugiesische Afrikaprovinz.

Das Verhältnis zwischen der Republik Südafrika und den übrigen afrikanischen Staaten besserte sich im letzten Jahr im Durchschnitt. Zwar endete die letzte Außenministerkonferenz der Organisation für die Afrikanische Einheit in. Dar-es-Salaam mit der Annahme einer Deklaration, die eine harte Konfrohtation mit Südafrika fordert,, aber es fiel auf, daß eine Reihe von Staaten der Verständigung das Wort redeten. Nebst einigen aus dem französischen Kolonialreich hervorgegangenen Staaten waren es die Vertreter von Sambia, Botswana und Tansania, die sich für einen freundschaftlichen Dialog mit Südafrika einsetzten. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß diese Länder sich wie ein Gürtel durch das südliche Afrika hinziehen. In Pretoria und Kapstadt vermerkt man mit Genugtuung, daß die harten Gegner der Republik weit entfernt sind und ihre Feindschaft lediglich doktrinäre Gründe habe, während die benachbarten Länder bereitwillig die Konsequenzen aus der Realität ziehen.

Schon zu Beginn der Entkolonialisierung nahm sich die südafrikanische Regierung vor, mit den neu entstehenden Staaten „ordentliche und sogar diplomatische Beziehungen“ anzuknüpfen. 1957 erklärte der damalige Premierminister Strijdom im Parlament: „Wir haben die Politik zu verfolgen, daß wir und sie friedlich in Afrika bestehen können. Wir und sie müssen einsehen, daß in Afrika Platz ist sowohl für Länder unter weißer Herrschaft als auch für andere, schwarze Staaten.“ Der Versuch, sich mit den andern Staaten des Kontinents zu arrangieren, geht nicht auf den April 1974, den Zeitpunkt des Regierungswechsels in Portugal, zurück.

1974 zeigten aber einige schwarzafrikanische Staaten größere Bereitschaft, ihre Beziehungen zu Südafrika enger zu gestalten, als früher.

Präsident Kaunda von Sambia nannte einen Appell des südafrikanischen Ministerpräsidenten Vorster zum Frieden und zur Normalisierurig der Beziehungen „die Stimme der Vernunft“. Es kam zu Gipfelgesprächen zwischen Vorster einerseits und Präsident Houphouet-Boigny (Elfenbeinküste) sowie Präsident Tolbert (Liberia) anderseits. Eine Delegation aus der Zentralafrikanischen Republik sprach in Pretoria vor.

Das ist aber nicht alles. Von gut unterrichteter Seite wird betont, daß der Öffentlichkeit bei weitem nicht alle Kontakte bekannt sind, die sich ergeben haben. Dasselbe wollte der senegalesische Präsident Dr. S^nghor sagen, als er im April bei seinem Besuch in Wien erklärte: „Man macht Politik nicht auf dem Marktplatz.“

Wahrscheinlich ist es nicht nur die Politik der strikten “Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder seitens der südafrikanischen Regierung, die den einzelnen Staaten Schwarzafrikas die Annäherung an Südafrika erleichtert, sondern auch die verstärkte Förderung der Bantu-Heimatländer. Es ist durchaus folgerichtig, daß sie auf das umstrittene Mandatsgebiet Süwest-afrika ausgedehnt wird. i

Weitere Gründe sind eindeutig die allgemeine Wirtschaftskrise und die Beunruhigung über die anwachsende kommunistische Gefahr. Besonders die letztere Tatsache eröffnet ganz neue Perspektiven für die Zukunft und läßt bedeutende politische Verschiebungen der Kräfte und Gewichte in Afrika erwarten.

Es gibt Anzeichen dafür, daß die Ost-West-Spannung den Konflikt zwischen Schwarz und Weiß zu überschatten beginnt. In gewissem Sinne bricht die Stunde der Wahrheit an. Es setzt sich die Erkenntnis durch, daß die Kräfte, die den schwarzen

Mann gegen den weißen aufhetzen, nicht dessen Wohl im Auge haben, sondern primär seine Unterordnung unter ein neues Joch bezwecken.

So ist es nicht ausgeschlossen, daß verschiedene Regierungen, die sich vom Kommunismus bedroht fühlen, sich in den nächsten Jahren enger an Südafrika anschließen werden. Dank ihrer wirtschaftlichen Kapazität, ihres militärischen Potentials, aber auch dank ihrer festgefügten staatlichen Ordnung bietet sich die Republik als Mittelpunkt der Sammlung aller nichtkommunistischen Kräfte im südlichen Afrika an.

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