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Nur eine Atempause

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Der Waffengang in Angola ist im wesentlichen beendet. FNLA und UNITA haben nichts mehr zu bestellen, die prokommunistische MPLA hat, von den Sowjets und Kubanern unterstützt, das Feld gehalten und wird selbst von europäischen Staaten als neue Regierung Angolas anerkannt.

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Der Waffengang in Angola ist im wesentlichen beendet. FNLA und UNITA haben nichts mehr zu bestellen, die prokommunistische MPLA hat, von den Sowjets und Kubanern unterstützt, das Feld gehalten und wird selbst von europäischen Staaten als neue Regierung Angolas anerkannt.

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Werden die neuen Machthaber das Land nun auf ihre Weise konsolidieren? Sind die Nachbarstaaten bereits bedroht? — Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, daß jetzt nur eine Episode zu Ende geht, daß das Drama in Angola jedoch mehrere Akte haben wird.

Während man in Zaire, Sambia und Rhodesien mit zunehmender Nervosität der Möglichkeit entgegensieht, von Angola und Mocambique in die Zange genommen zu werden, während Südafrika zwanzigtausend Reservisten einberuft und der Chefminister der Owambo in Südwestafrika feierlich erklärt, „daß das Volk von Owambo bereitwillig die nördliche Bastion gegen die Gefahr des Kommunismus bilden wird“, gibt MPLA-Führer Neto zu erkennen, daß er zunächst andere Absichten hat, als sich in kriegerische Abenteuer in der Nachbarschaft Angolas einzulassen.

In diese Richtung weist sein Vorschlag, entlang der Grenze zu Südwestafrika, alias Namibia, eine neutrale Zone zu schaffen, wo das Rote Kreuz die Flüchtlingslager betreuen soll. Er will also einen Zusammenstoß mit Südafrika vermeiden.

Noch deutlicher ist sein Ausspruch, er werde den Russen und Kubanern nicht mehr gewähren, als ihnen füglich zugestanden werden könne.

Der scheinbar so erfolgreiche Chef der MPLA gibt sich Rechenschaft über seine reale Lage. Ihm wird das Bedrückende der Anwesenheit einer ausländischen Streitmacht, die schlagkräftiger ist als die abgezogene portugiesische, bewußt.

In der Erwartung, die Westmächte würden die ihnen zuneigenden Befreiungsbewegungen FNLA und UNITA nachhaltig unterstützen und es würde zu einem längeren Krieg kommen, war ihm die Hilfe der Sowjetunion und das tatkräftige Ein-

greifen der Kubaner sehr recht. Da die Vereinigten Staaten sich jedoch ihren Sympathisanten in Angola versagten, entstand rascher als erwartet die heutige Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die kommunistische Armee in Angola keinen Gegner mehr im Lande hat. Der Zeitpunkt ist erreicht, von dem an Neto durch seine übermächtigen Helfer mehr geschädigt als gefördert wird.

Ist es im Sinn des langjährigen „Befreiungskampfes“ gegen Portugal, die portugiesische „Kolonialherrschaft“ gegen eine sowjetische auszutauschen?

Die MPLA war im Busch nie verwurzelt. In den volkreichen Stämmen hatten die anderen Bewegungen

ihre Anhänger. Aus den Bakongo etwa rekrutierte sich die FNLA, aus den Ovimbundu die UNITA. Neto stützte sich auf eine dünne Schicht marxistisch orientierter Städter und fand den Beifall der zahlreichen Slumbewohner.

Jetzt muß ihm daran liegen, in weiteren Kreisen der Bevölkerung Zustimmung zu finden; das wird ihm aber nicht gelingen, wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, daß die auf seinen Ruf gekommenen Fremden die tatsächlichen Herren des Landes sind.

Der schwarze Nationalismus ist von allen Imponderabilien, die mit im Spiele sind, wahrscheinlich die stärkste Kraft. Ein afrikanischer Führer, der an ihm Verrat übt, vergibt seine Chance.

Die Sowjetrussen sind gewohnt, in

ihrem Machtbereich als Zwingherren aufzutreten. Aber Angola liegt nicht in Osteuropa. Es ist sehr fraglich, ob sie der Empfindlichkeit der Afrikaner Rechnung tragen und ihr junges nationales Selbstbewußtsein schonen werden. Es wird nicht ausbleiben, daß die Angolaner sich über Ausbeutung beklagen, sobald sie merken, daß Russen und Kubaner sich des Reichtums ihres Landes bedienen; besonders heftig werden die Reaktionen sein, falls jene sich an den Diamanten vergreifen.

Aus der Tatsache, daß seine Herrschaft in der Bevölkerung nicht Fuß gefaßt hat, ergibt sich Netos Dilemma: Bleiben die fremden Truppen im Lande, so wird er dem Vorwurf, Kollaborateur zu sein, kaum entgehen und nicht nur in Angola, sondern auch im-übrigen Afrika Sympathien einbüßen; gelingt es ihm aber, den überwiegenden Teil jener Kampfverbände zum Abzug zu bewegen, so wird er vermutlich vertrieben werden.

So ist weiterhin alles offen in Angola.

Der amerikanische Kongreß war vielleicht doch nicht schlecht beraten, als er die Militärhilfe für Netos Gegner verweigerte. Jetzt stehen die Vereinigten Staaten in den Augen vieler Afrikaner unbelastet da, denn jede Einmischung hat auch ihre negative Seite. Für die Zukunft sind die verschiedensten Koahtionsmög-lichkeiten denkbar.

Möglicherweise werden die Söldner, die in Fairfax County in den USA sowie in gewissen Kneipen in Brüssel angeworben werden, noch eine Aufgabe zugewiesen erhalten.

Eine Atempause; doch sollte man sich über die Gefährlichkeit der Situation keine Illusionen machen. Denn schließlich geht es den Sowjets primär um die strategische Stellung am Südatlantik, die sie in die Lage versetzt, eine Lebensader des Westens, die Supertankerroute, zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu durchschneiden.

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