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SCHLECHTES BEISPIEL MACHT SCHULE

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Eigentlich hätten die Wahlen nach sechzehnjährigem Krieg in Angola ein Vorbild für die Demo-kratisierungs- und Friedensprozesse in anderen Staaten des Südlichen Afrika sein sollen. Doch die rechtsgerichtete Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas) hat ihre Wahlniederlage nicht akzeptiert und versucht nun mit Waffengewalt durchzusetzen, was ihr an den Urnen versagt blieb.

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Eigentlich hätten die Wahlen nach sechzehnjährigem Krieg in Angola ein Vorbild für die Demo-kratisierungs- und Friedensprozesse in anderen Staaten des Südlichen Afrika sein sollen. Doch die rechtsgerichtete Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas) hat ihre Wahlniederlage nicht akzeptiert und versucht nun mit Waffengewalt durchzusetzen, was ihr an den Urnen versagt blieb.

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„Dies sind Stimmen für den Frieden." Mit diesen Worten charakterisierte eine Luandenser Rechtsanwältin während der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 29. und 30. September 1992 in Angola die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung. Schon Stunden vor Öffnung der Wahllokale bildeten sich in Angolas Hauptstadt Luanda lange Warteschlagen von Wählern. Aber nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land war die Wahlbeteiligung bei den ersten Mehrparteienwahlen außerordentlich hoch.

Die Wähler erteilten der leicht linksstehenden Regierungspartei MPLA (Volksbewegung für die Befreiung Angolas) mit 53,7 Prozent der Stimmen in den Parlamentswahlen ein klares Regierungsmandat. Die Unita, die mit Unterstützung Südafrikas und den USA einen jahrelangen Krieg gegen die MPLA-Regierung geführt hatte, kam nur auf 34,1 Prozent der Stimmen. Der Abstand zwischen den Präsidentschaftskandidaten Jose Eduardo dos Santos (MPLA) und Jonas Savimbi (Unita) war etwas geringer.

Die MPLA verdankte ihren Wahlsieg der glaubwürdigen Profilierung als Kraft des Friedens und der nationalen Versöhnung. Die Unita hatte hingegen ähnlich der nikaraguanischen Contra im Wahlkampf auf eine Strategie der Einschüchterung gesetzt. Wiederholt kam es zu militärischen Machtdemonstrationen der Unita. Unita-Präsident Jonas Savimbi, der immer in Uniform auftrat, drohte während des Wahlkampfes unverhohlen mit Gewalt: „Wenn man mich provoziert, wird es unangenehm. Heute habe ich eine Armee." Der Einschüchterungsstrategie war jedoch kein Erfolg beschieden. „Das Volk hat gezeigt", so der MPLA-Abgeord-nete Andre Domingos „Passy", „daß es weder vor Savimbi noch vor der Unita Angst hat."

Savimbi reagierte auf seine Wahlniederlage mit dem Vorwurf des Wahlschwindels, der Mobilisierung seiner Truppen und der militärischen Besetzung strategisch wichtiger Punkte. Der Vorwurf des Wahlbetrugs konnte von internationalen Wahlbeobachtern, darunter auch der SPÖ-Abgeordneten Waltraud Schütz, rasch entkräftet werden, wodurch die Unita politisch desavouiert wurde.

Die internationalen Beobachter vermochten die Wiederaufnahme des Krieges jedoch nicht zu verhindern. Die erneute militärische Eskalation wurde der Unita nicht zuletzt durch die inkonsequente Umsetzung des unter Vermittlung der USA, der Sowjetunion und Portugals ausgehandelten Friedensabkommens erleichtert. Die UNO-Beobachter versäumten es, die Entmilitarisierung des Landes durchzusetzen.

Unita-Kämpfer hielten sich auch nach Ablauf der Demobilisierungsfrist noch außerhalb der Sammellager auf. Die Unita hielt schwere Waffen zurück. Verschiedene Landesteile wurden in flagrantem Bruch des Friedensabkommens de facto von der Unita militärisch kontrolliert. Die Schaffung einerneuen, parteipolitisch neutralen Armee blieb weit hinter dem Zeitplan zurück.

Die Unita setzte ihre militärische

Mobilisierungsfähigkeit bei gleichzeitiger Schwäche der Regierungstruppen in militärische Geländegewinne um. Sie kontrolliert jetzt mehr Territorium als je zuvor.

Sollten internationale Vermittlungsbemühungen doch noch zum Erfolg führen, dürfte die Unita einen Modus der Machtteilung durchsetzen, der in keinem Verhältnis zu ihrem Rückhalt in der Wählerschaft steht.

„Ein ähnlich schlimmes Szenario droht in Mosambik", warnt die südafrikanische Zeitschrift Africa South & East. Das Anfang Oktober unterzeichnete Friedensabkommen (siehe

Beitrag unten), das einen Waffenstillstand, eine Demilitarisierung und Mehrparteienwahlen vorsieht, weist gravierende Schwächen auf. Die Entwaffnung der Truppen der Regierung und der Renamo (Nationaler Mosambikanischer Widerstand) ist unklar geregelt. Die vom rhodesischen Geheimdienst gegründete und später von Südafrika als Destabilisierungs-instrument eingesetzte Renamo behält die Kontrolle über die Gebiete, welche sie unter ihre Gewalt gebracht hat. Die internationale Beobachtung des Friedens- und Demokratisierungsprozesses in Mosambik dürfte schwä-

eher als in Angola ausfallen.

Die Renamo ist eine rein militärische Kraft. Die Umwandlung in eine politische Partei dürfte für sie noch weit schwerer sein als für die Unita. Es steht zu befürchten, daß die Renamo versuchen wird, nach dem Beispiel der Unita eine Machtbeteiligung mit militärischen Drohungen durchzusetzen. Südafrikanische Regierungskreise handeln Angola offen als Präzedenzfall. Eine durch militärische Erpressung zustandegekommene Koalitionsregierung zwischen MPLA und Unita stellte Südafrikas Außenminister „Pik" Botha ausdrücklich als

Beispiel für das ganze Südliche Afrika dar. Die implizite Drohung Pretorias mit der „angolanischen Option" hat die Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongreß) am Verhandlungstisch bereits zu Konzessionen veranlaßt. Die ANC-Füh-rung stellte der regierenden Nationalen Partei vor wenigen Tagen die Bildung einer Koalitionsregierung auch über die Übergangsphase hinaus in Aussicht. Damit würden die Spielräume einer demokratisch gewählten Regierung Südafrikas zu wirtschaftlichen und sozialen Reformen weiter eingeschränkt.

Selbst wenn die „angolanische Option" im Südlichen Afrika nicht weiter Schule machen sollte, werden demokratische Staaten bei ihrer Konsolidierung vor großen Schwierigkeiten stehen.

Die Bevölkerung erwartet von den neuen Regierungen eine Besserung ihrer materiellen Situation. Diese dürften dazu kaum in der Lage sein. Angola und Mosambik sind durch die Destabilisierungskriege Südafrikas schwer zerstört, nennenswerte Wiederaufbauhilfe nach dem Beispiel des Marshallplans in Westeuropa steht aber nicht in Aussicht. Alle Staaten der Region (mit Ausnahme Botswanas) sind mit äußerst schlechten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hohen Auslandsschulden und wirtschaftspolitischem Druck ihrerin-ternationalen Gläubiger konfrontiert. Ohne Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Krise droht auch den demokratischen Staaten, wie Beispiele in Afrika zeigen, ein rascher Legitimitätsverlust. Dr. Joachim Becker ist Vertragsassistent an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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