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Kein Ende des Dramas

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Das Ergebnis der ersten freien Wahlen in der Geschichte Angolas bot dem südwestafrikanischen Land eine Möglichkeit zum Frieden. Diese Chance wurde jedoch verpaßt. Der Bürgerkrieg ist erneut entflammt. Mehr als 500 Tote forderte der Kampf allein in der vergangenen Woche. Diese Woche soll ein Treffen der kämpfenden Parteien im Afrika-Hauptquartier der UNO in Addis Abeba stattfinden.

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Das Ergebnis der ersten freien Wahlen in der Geschichte Angolas bot dem südwestafrikanischen Land eine Möglichkeit zum Frieden. Diese Chance wurde jedoch verpaßt. Der Bürgerkrieg ist erneut entflammt. Mehr als 500 Tote forderte der Kampf allein in der vergangenen Woche. Diese Woche soll ein Treffen der kämpfenden Parteien im Afrika-Hauptquartier der UNO in Addis Abeba stattfinden.

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Die Präsidentschaftswahlen hat der MPLA-(Volksbewegung für die Befreiung Angolas)-Vorsitzende Jose Eduardo Dos Santos mit 49,57 Prozent gewonnen. Unita-(Nationaluni-on für die totale Unabhängigkeit Angolas)-Führer Jonas Savimbi brachte es nur auf etwas mehr als 40 Prozent. Die Parlamentswahlen ergaben für die MPLA 54 Prozent - die absolute Mehrheit, für die Unita nur knapp über 34 Prozent.

Und hier liegt die Wurzel für die Nichtanerkennung der Wahl durch Jonas Savimbi. Er argumentiert, sein Stamm mache 37 Prozent der Bevölkerung aus, daher könne er nicht bloß 34 Prozent der Stimmen bekommen haben. Wahlbetrug, schrie Savimbi -und ging mit seinen Kriegern wieder in den Busch.

Nach dem Wahlgesetz sollte es einen zweiten Durchgang bei den Präsidentschaftschaftswahlen geben. Aber der gewaltsame Protest Savimbis ließ es erst gar nicht so weit kommen. 800 internationale Beobachter und 400 Mitglieder der Verifikationsmission der Vereinten Nationen in Angola (UNAVEM) sowie Repräsentanten der EG haben zwar bestätigt, daß die Wahlen transparent waren und normal verlaufen sind, desgleichen das Nationale Wahlkomitee (CNE), in dem alle politischen Parteien Angolas, die sich der Wahl stellten, vertreten waren - aber Savimbi warf allen Parteilichkeit vor.

Der treue Vasall des Westens brach daraufhin alle von ihm mitunterzeichneten Friedensvereinbarungen, zog seine Generäle von den neugebildeten angolanischen Streitkräften (aus MPLA- und Unita-Kriegern) ab und ging nach Huambo, ins Zentrum des Landes, um den Kampf von neuem zu beginnen. Konkret bedeutet das eine Verletzung des Waffenstillstandsvertrages von Estoril und der Friedensverträge von Bicesse (beide Portugal), die im Mai 1991 unterschrieben wurden.

Ein Volk als Geisel

Nach nur 17 Monaten Ruhe beginnt Angola einen-neuen Bruder- und Bürgerkrieg. Zur Befriedung läuft eine Aktion der UNO, die von der früheren UNO-Direktorin in Wien, der britischen Diplomatin Margaret Anstee, geleitet wird, der Sicherheitsrat hat neuerlich eine Ad-hoc-Kommission entsandt und der südafrikanische Außenminister Roelof „Pik” Botha versucht zu vermitteln. Dos Santos selbst hat neue Vorschläge für die Aufteilung der Macht unterbreitet, nur um nicht wieder den Bürgerkrieg aufnehmen zu müssen. Aber Savimbi nimmt ein ganzes Volk zur Geisel. Und von diesem Volk sind noch nicht einmal die Wunden von dreißig Jahren Krieg - davon 16 Jahre Bruderkrieg - geheilt.

Für Savimbi ist es unmöglich, das Wort Niederlage zu verstehen. Er war völlig überrascht, die Präsidentschaftswahlen nicht gewonnen zu haben. Niemals dachte er daran, auch verlieren zu können. Seinen Offizieren und Partisanen erklärte er: „Die Unita wird niemals kapitulieren.” Die Perspektive eines zweiten Wahldurchganges bei demokratischen Wahlen war für ihn eine Demütigung.

Es war keine große Überraschung, die Unita bestätigte ihren Ruf als antidemokratische Organisation und Savimbi zeigte sein wahres Gesicht als Despot und machthungriger Mega-lomane. Die internationale Gemeinschaft, die Savimbi seinerzeit unterstützte, ist enttäuscht. Aber die Mehrheit der angolanischen Wähler hat der Grausamkeit des Unita-Chefs die entsprechende Antwort erteilt - und der MPLA ihr Vertrauen geschenkt.

Aber auch Angola ist anders. Hier macht folgendes Sprichwort die Runde: Die MPLA macht uns hungrig, die Unita macht uns tot. Diese Formel resümiert das angolanische Drama, zwischen Pest und Cholera, zwischen einer korrupten Führungsklasse und den „Schwarzen Khmer” der Unita zu wählen.

Die Bilanz von 17 MPLA-Regie-rungsjahren ist geradezu katastrophal: Zentralisation, Verstaatlichung, Schwarzmarkt und Korruption. Mit dem Bürgerkrieg allein können nicht alle Devastierungen gerechtfertigt werden. Fest steht, daß das „letzte Bollwerk des Westens in Afrika”, die Unita, eine totalitäre Bewegung ist, die die Freiheit der Bevölkerung nicht anerkennt. Die Methoden Savimbis sind grausam, seine anti-kommunistische Rhetorik konnte das nicht maskieren. Während der Ost-West-Konfrontation war Savimbi ein gutes Element des Anti-Kommunismus. Er diente den USA, die von Kamina aus, einer Basis in Zaire, Waffen lieferten. Heute jedoch ist er nicht mehr von Nutzen. Der Westen hat den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen. Südafrika hat auch eine Bewegung zum inneren Frieden gemacht. In Angola sagt man, wie seinerzeit den Schah von Persien oder Manuel Noriega von Panama wirft man heute Savimbi wie ein gebrauchtes Kleenex weg.

Momentan schaut es wie eine Utopie aus, die Waffen in Angola zum Schweigen zu bringen. Aber dieser neue Krieg Savimbis wird sein letzter sein. Seine Zuflucht in Huambo wird ihm zum Verhängnis geraten. Denn das angolanische Volk, „das eine demokratische. Sauce gekostet hat” (so sagt man in Afrika), wird sich von der Demokratie nicht mehr abbringen lassen.

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